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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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zum stolzen Schänna, etliche zwanzig in allem, theils wohlerhalten, theils halb und ganz verfallen. Auf den Halden von Mais, zwischen Schlössern, Villen und Bauernhäusern, zwischen Weingärten und Auen, unter alter Bäume Schatten, wo Bachesrauschen und Brunnenrieseln und Vogelgesang durch das Säuseln des Laubes tönen - dort sind die schönsten Gänge für den kühlen Abend wenn die Sonne im warmerleuchteten Vintschgau untergeht. Wie viel tausend poetische Spielereien der Natur sind da anzutreffen, welche reizende Ueppigkeiten des Wachsthums, und wie zauberisch ist die grüne Heimlichkeit dieser Weingüter, unter deren Lauben in kühlem Halbdunkel der rauschende Mais aufschießt und der prahlende Kürbis schwillt. Ueber dem ganzen Burggrafenamt liegt ein mittelalterlicher Duft - aber das Gedächtniß ritterlicher Herrlichkeit erwacht nirgends so lebendig, als auf den Halden von Obermais. Sie sind ein elegischer Anblick, diese verlassenen Burgen in den Trümmern ihrer Pracht. Da finden sich marmorne Treppen, die zu morschen Thüren führen, welche Niemand mehr öffnet, byzantinische Säulengänge, wo kein Fußtritt mehr erschallt, Capellen, in denen keine Seele mehr betet, steinerne Ruhesitze unter Nußbäumen, wo kein Reisiger mehr rastet, und zackige Zinnen über die kein Pfeil mehr fliegt. Cypressen ragen schweigend über die Mauern, auf den finstern Thürmen knarren verrostete Wetterhähne in die tiefe Stille und die Abendsonne scheint vergoldend darein. Hier wären vortreffliche Plätze um Rittergeschichten auszudenken - Rittergeschichten, die in denselben Sälen spielen müßten, in denselben Säulengängen und unter den nämlichen Nußbäumen und Weinlauben, die wir jetzt noch vor Augen haben. Aber auch da hat sich leider noch Niemand daran gemacht, die Herren und Frauen, Jungherren und Fräulein, die da ehemals ihres Lebens genossen, im wechselvollen Knäuel eines historischen Romans vorübergehen zu lassen. Doch würde es nicht schaden, wenn die vergessenen Geschichten einmal wieder erzählt werden, denn hier ist, wie wir bemerkten, bei Städter und Landmann sehr wenig Erinnerung geblieben an die Zeiten, die da einst unter Fehden und Landtagen, unter Waffenspiel und Minnegesang

zum stolzen Schänna, etliche zwanzig in allem, theils wohlerhalten, theils halb und ganz verfallen. Auf den Halden von Mais, zwischen Schlössern, Villen und Bauernhäusern, zwischen Weingärten und Auen, unter alter Bäume Schatten, wo Bachesrauschen und Brunnenrieseln und Vogelgesang durch das Säuseln des Laubes tönen – dort sind die schönsten Gänge für den kühlen Abend wenn die Sonne im warmerleuchteten Vintschgau untergeht. Wie viel tausend poetische Spielereien der Natur sind da anzutreffen, welche reizende Ueppigkeiten des Wachsthums, und wie zauberisch ist die grüne Heimlichkeit dieser Weingüter, unter deren Lauben in kühlem Halbdunkel der rauschende Mais aufschießt und der prahlende Kürbis schwillt. Ueber dem ganzen Burggrafenamt liegt ein mittelalterlicher Duft – aber das Gedächtniß ritterlicher Herrlichkeit erwacht nirgends so lebendig, als auf den Halden von Obermais. Sie sind ein elegischer Anblick, diese verlassenen Burgen in den Trümmern ihrer Pracht. Da finden sich marmorne Treppen, die zu morschen Thüren führen, welche Niemand mehr öffnet, byzantinische Säulengänge, wo kein Fußtritt mehr erschallt, Capellen, in denen keine Seele mehr betet, steinerne Ruhesitze unter Nußbäumen, wo kein Reisiger mehr rastet, und zackige Zinnen über die kein Pfeil mehr fliegt. Cypressen ragen schweigend über die Mauern, auf den finstern Thürmen knarren verrostete Wetterhähne in die tiefe Stille und die Abendsonne scheint vergoldend darein. Hier wären vortreffliche Plätze um Rittergeschichten auszudenken – Rittergeschichten, die in denselben Sälen spielen müßten, in denselben Säulengängen und unter den nämlichen Nußbäumen und Weinlauben, die wir jetzt noch vor Augen haben. Aber auch da hat sich leider noch Niemand daran gemacht, die Herren und Frauen, Jungherren und Fräulein, die da ehemals ihres Lebens genossen, im wechselvollen Knäuel eines historischen Romans vorübergehen zu lassen. Doch würde es nicht schaden, wenn die vergessenen Geschichten einmal wieder erzählt werden, denn hier ist, wie wir bemerkten, bei Städter und Landmann sehr wenig Erinnerung geblieben an die Zeiten, die da einst unter Fehden und Landtagen, unter Waffenspiel und Minnegesang

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[300/0304] zum stolzen Schänna, etliche zwanzig in allem, theils wohlerhalten, theils halb und ganz verfallen. Auf den Halden von Mais, zwischen Schlössern, Villen und Bauernhäusern, zwischen Weingärten und Auen, unter alter Bäume Schatten, wo Bachesrauschen und Brunnenrieseln und Vogelgesang durch das Säuseln des Laubes tönen – dort sind die schönsten Gänge für den kühlen Abend wenn die Sonne im warmerleuchteten Vintschgau untergeht. Wie viel tausend poetische Spielereien der Natur sind da anzutreffen, welche reizende Ueppigkeiten des Wachsthums, und wie zauberisch ist die grüne Heimlichkeit dieser Weingüter, unter deren Lauben in kühlem Halbdunkel der rauschende Mais aufschießt und der prahlende Kürbis schwillt. Ueber dem ganzen Burggrafenamt liegt ein mittelalterlicher Duft – aber das Gedächtniß ritterlicher Herrlichkeit erwacht nirgends so lebendig, als auf den Halden von Obermais. Sie sind ein elegischer Anblick, diese verlassenen Burgen in den Trümmern ihrer Pracht. Da finden sich marmorne Treppen, die zu morschen Thüren führen, welche Niemand mehr öffnet, byzantinische Säulengänge, wo kein Fußtritt mehr erschallt, Capellen, in denen keine Seele mehr betet, steinerne Ruhesitze unter Nußbäumen, wo kein Reisiger mehr rastet, und zackige Zinnen über die kein Pfeil mehr fliegt. Cypressen ragen schweigend über die Mauern, auf den finstern Thürmen knarren verrostete Wetterhähne in die tiefe Stille und die Abendsonne scheint vergoldend darein. Hier wären vortreffliche Plätze um Rittergeschichten auszudenken – Rittergeschichten, die in denselben Sälen spielen müßten, in denselben Säulengängen und unter den nämlichen Nußbäumen und Weinlauben, die wir jetzt noch vor Augen haben. Aber auch da hat sich leider noch Niemand daran gemacht, die Herren und Frauen, Jungherren und Fräulein, die da ehemals ihres Lebens genossen, im wechselvollen Knäuel eines historischen Romans vorübergehen zu lassen. Doch würde es nicht schaden, wenn die vergessenen Geschichten einmal wieder erzählt werden, denn hier ist, wie wir bemerkten, bei Städter und Landmann sehr wenig Erinnerung geblieben an die Zeiten, die da einst unter Fehden und Landtagen, unter Waffenspiel und Minnegesang

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/304>, abgerufen am 23.11.2024.