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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Schlosse Fürstenburg, in frühern Zeiten und bis zum Jahre 1803 den Bischöfen zu Chur gehörig, jetzt der Sitz eines Rentamtes. Bei uns im Stellwagen wurde es nunmehr immer finsterer; Burgeis fuhren wir in der Dämmerung durch; die Zinnen von Fürstenburg ragten auch nicht sehr kenntlich in die Luft, doch strahlten aus den Fenstern helle Lichter. Darüber ragte am Berghange das Benedictinerstift Marienberg, weißlich durch den Nebel glimmernd. Vom Ortles her ging ein kalter Wind, und so hatte wohl jeder seine Freude, als wir in die engen Gassen von Mals, dem Marktflecken einfuhren und endlich am Wirthshaus landeten, wo die Forellen unser warteten, aber auch ein großer Lärm in der Wirthsstube. So eben hatte nämlich ein Gränzjäger den Säbel gegen seinen Corporal gezogen und war nur mit Mühe durch mehrere herbeigesprungene Gäste abgehalten worden, dem Vorgesetzten ein Leid zu thun. Ach mein Gott, sagte die Kellnerin wehmüthig, jetzt hat sich der arme Mensch in einem Augenblick um viele Jahre Freiheit gebracht! - Wir fürchteten, die Bemerkung dürfte sehr richtig gewesen seyn.

Wir gingen bald zu Bette, mehr uns freuend auf den kommenden Tag als über den vergangenen, denn außer dem Paß von Finstermünz und der Aussicht auf den Ortles hatte die Reise von Pfunds her wenig geboten was uns besonders angeregt hätte, und die nächste Sonne sollte uns im Etschland untergehen. An dem Kloster Marienberg sind wir aber jedenfalls zu schnell vorbeigefahren und wollen daher noch nachträglich in Erinnerung bringen, daß dieses Benedictinerstift im Jahre 1090 von einem Grafen Eberhard von Montfort zuerst zu Schuls im Engadein errichtet, später aber 1146 dahin verlegt wurde, wo es jetzt auf der weitsehenden Berghöhe prangt. Ulrich von Tarasp, der reiche Herr, legte aus, was der Neubau kostete und gab dem Stifte viele von seinen eigenen Gütern. Endlich als er von der Kreuzfahrt im gelobten Lande zurückgekommen, ging er selbst als Mönch in seine Stiftung und starb darin. Seine Hausfrau Uta nahm den Schleier im Frauenstift zu Münster, das hinter Taufers liegt. Am meisten hatte das Kloster zu erleiden von seinen Schirmherren, den Vögten von

Schlosse Fürstenburg, in frühern Zeiten und bis zum Jahre 1803 den Bischöfen zu Chur gehörig, jetzt der Sitz eines Rentamtes. Bei uns im Stellwagen wurde es nunmehr immer finsterer; Burgeis fuhren wir in der Dämmerung durch; die Zinnen von Fürstenburg ragten auch nicht sehr kenntlich in die Luft, doch strahlten aus den Fenstern helle Lichter. Darüber ragte am Berghange das Benedictinerstift Marienberg, weißlich durch den Nebel glimmernd. Vom Ortles her ging ein kalter Wind, und so hatte wohl jeder seine Freude, als wir in die engen Gassen von Mals, dem Marktflecken einfuhren und endlich am Wirthshaus landeten, wo die Forellen unser warteten, aber auch ein großer Lärm in der Wirthsstube. So eben hatte nämlich ein Gränzjäger den Säbel gegen seinen Corporal gezogen und war nur mit Mühe durch mehrere herbeigesprungene Gäste abgehalten worden, dem Vorgesetzten ein Leid zu thun. Ach mein Gott, sagte die Kellnerin wehmüthig, jetzt hat sich der arme Mensch in einem Augenblick um viele Jahre Freiheit gebracht! – Wir fürchteten, die Bemerkung dürfte sehr richtig gewesen seyn.

Wir gingen bald zu Bette, mehr uns freuend auf den kommenden Tag als über den vergangenen, denn außer dem Paß von Finstermünz und der Aussicht auf den Ortles hatte die Reise von Pfunds her wenig geboten was uns besonders angeregt hätte, und die nächste Sonne sollte uns im Etschland untergehen. An dem Kloster Marienberg sind wir aber jedenfalls zu schnell vorbeigefahren und wollen daher noch nachträglich in Erinnerung bringen, daß dieses Benedictinerstift im Jahre 1090 von einem Grafen Eberhard von Montfort zuerst zu Schuls im Engadein errichtet, später aber 1146 dahin verlegt wurde, wo es jetzt auf der weitsehenden Berghöhe prangt. Ulrich von Tarasp, der reiche Herr, legte aus, was der Neubau kostete und gab dem Stifte viele von seinen eigenen Gütern. Endlich als er von der Kreuzfahrt im gelobten Lande zurückgekommen, ging er selbst als Mönch in seine Stiftung und starb darin. Seine Hausfrau Uta nahm den Schleier im Frauenstift zu Münster, das hinter Taufers liegt. Am meisten hatte das Kloster zu erleiden von seinen Schirmherren, den Vögten von

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Schlosse Fürstenburg, in frühern Zeiten und bis zum Jahre 1803 den Bischöfen zu Chur gehörig, jetzt der Sitz eines Rentamtes. Bei uns im Stellwagen wurde es nunmehr immer finsterer; Burgeis fuhren wir in der Dämmerung durch; die Zinnen von Fürstenburg ragten auch nicht sehr kenntlich in die Luft, doch strahlten aus den Fenstern helle Lichter. Darüber ragte am Berghange das Benedictinerstift Marienberg, weißlich durch den Nebel glimmernd. Vom Ortles her ging ein kalter Wind, und so hatte wohl jeder seine Freude, als wir in die engen Gassen von Mals, dem Marktflecken einfuhren und endlich am Wirthshaus landeten, wo die Forellen unser warteten, aber auch ein großer Lärm in der Wirthsstube. So eben hatte nämlich ein Gränzjäger den Säbel gegen seinen Corporal gezogen und war nur mit Mühe durch mehrere herbeigesprungene Gäste abgehalten worden, dem Vorgesetzten ein Leid zu thun. Ach mein Gott, sagte die Kellnerin wehmüthig, jetzt hat sich der arme Mensch in einem Augenblick um viele Jahre Freiheit gebracht! &#x2013; Wir fürchteten, die Bemerkung dürfte sehr richtig gewesen seyn.</p>
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[275/0279] Schlosse Fürstenburg, in frühern Zeiten und bis zum Jahre 1803 den Bischöfen zu Chur gehörig, jetzt der Sitz eines Rentamtes. Bei uns im Stellwagen wurde es nunmehr immer finsterer; Burgeis fuhren wir in der Dämmerung durch; die Zinnen von Fürstenburg ragten auch nicht sehr kenntlich in die Luft, doch strahlten aus den Fenstern helle Lichter. Darüber ragte am Berghange das Benedictinerstift Marienberg, weißlich durch den Nebel glimmernd. Vom Ortles her ging ein kalter Wind, und so hatte wohl jeder seine Freude, als wir in die engen Gassen von Mals, dem Marktflecken einfuhren und endlich am Wirthshaus landeten, wo die Forellen unser warteten, aber auch ein großer Lärm in der Wirthsstube. So eben hatte nämlich ein Gränzjäger den Säbel gegen seinen Corporal gezogen und war nur mit Mühe durch mehrere herbeigesprungene Gäste abgehalten worden, dem Vorgesetzten ein Leid zu thun. Ach mein Gott, sagte die Kellnerin wehmüthig, jetzt hat sich der arme Mensch in einem Augenblick um viele Jahre Freiheit gebracht! – Wir fürchteten, die Bemerkung dürfte sehr richtig gewesen seyn. Wir gingen bald zu Bette, mehr uns freuend auf den kommenden Tag als über den vergangenen, denn außer dem Paß von Finstermünz und der Aussicht auf den Ortles hatte die Reise von Pfunds her wenig geboten was uns besonders angeregt hätte, und die nächste Sonne sollte uns im Etschland untergehen. An dem Kloster Marienberg sind wir aber jedenfalls zu schnell vorbeigefahren und wollen daher noch nachträglich in Erinnerung bringen, daß dieses Benedictinerstift im Jahre 1090 von einem Grafen Eberhard von Montfort zuerst zu Schuls im Engadein errichtet, später aber 1146 dahin verlegt wurde, wo es jetzt auf der weitsehenden Berghöhe prangt. Ulrich von Tarasp, der reiche Herr, legte aus, was der Neubau kostete und gab dem Stifte viele von seinen eigenen Gütern. Endlich als er von der Kreuzfahrt im gelobten Lande zurückgekommen, ging er selbst als Mönch in seine Stiftung und starb darin. Seine Hausfrau Uta nahm den Schleier im Frauenstift zu Münster, das hinter Taufers liegt. Am meisten hatte das Kloster zu erleiden von seinen Schirmherren, den Vögten von

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/279>, abgerufen am 10.06.2024.