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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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durch die herabgeschleuderten Blöcke erschwert, und so lag die Hälfte der Mannschaft nach kurzer Weile mit zerschmetterten Gliedern röchelnd an der Straße oder trieb leblos in den Wellen. Den andern vergingen in dem schrecklichen Krachen der rollenden Felsen und in dem gräulichen Morden, das die versteckten Feuerschlünde verübten, die Sinne; sie fielen jammernd auf die Kniee und baten mit aufgehobenen Händen um Pardon. Hernach bekannten sie, daß sie lieber vier oder fünf Feldschlachten durchgefochten hätten, als ein einzig solches Scharmützel, welches nichts anderem als dem jüngsten Tag zu vergleichen wäre.

Vierundzwanzig Mann, darunter die Anführer, waren indessen aus der donnernden, rauchenden, blutigen Schlucht glücklich herausgesprengt und über Landeck gen Zams geritten. Mittlerweile aber hatten die Landleute aus dieser Gegend die Zamserbrücke ebenso abgeworfen und den Ort mit Scharfschützen besetzt. Als nun der Marquis und der Oberstlieutenant Graf von Taufkirchen und andre Hauptleute mit verhängtem Zügel dahergeritten kamen, fanden sie auch hier keinen Ausweg, aber üblen Empfang aus verborgenen Büchsen und mußten sich ergeben. Von allen dreihundert Grenadieren und Dragonern, die am Tage vorher über die Zamser Brücke gezogen, kam keiner mehr hinüber. Die Tiroler hatten Einen Mann verloren.

Der Tag trug bittere Früchte. Es stand das ganze Oberland auf und schritt eiligst zum Angriff, nahm die Vesten und säuberte fast alles Land bis gegen Innsbruck von dem Feinde.*)

Dieß ist die merkwürdigste Geschichte in dem Feldzuge von 1703, den die Tiroler noch heutzutage den bayerischen Rummel nennen.

Nicht viel anders ging es an der Pontlatzer Brücke im Jahre 1809. Als im August dieses Jahres die Franzosen über den Brenner nicht mehr ins südliche Tirol zu gelangen vermochten,

*) S. P. Albert Jägers schätzenswerthe Schrift: Tirol und der bayerisch-französische Einfall im Jahre 1703. Innsbruck 1844. Die "Relation" ist abgedruckt im Tiroler Almanach von 1803.

durch die herabgeschleuderten Blöcke erschwert, und so lag die Hälfte der Mannschaft nach kurzer Weile mit zerschmetterten Gliedern röchelnd an der Straße oder trieb leblos in den Wellen. Den andern vergingen in dem schrecklichen Krachen der rollenden Felsen und in dem gräulichen Morden, das die versteckten Feuerschlünde verübten, die Sinne; sie fielen jammernd auf die Kniee und baten mit aufgehobenen Händen um Pardon. Hernach bekannten sie, daß sie lieber vier oder fünf Feldschlachten durchgefochten hätten, als ein einzig solches Scharmützel, welches nichts anderem als dem jüngsten Tag zu vergleichen wäre.

Vierundzwanzig Mann, darunter die Anführer, waren indessen aus der donnernden, rauchenden, blutigen Schlucht glücklich herausgesprengt und über Landeck gen Zams geritten. Mittlerweile aber hatten die Landleute aus dieser Gegend die Zamserbrücke ebenso abgeworfen und den Ort mit Scharfschützen besetzt. Als nun der Marquis und der Oberstlieutenant Graf von Taufkirchen und andre Hauptleute mit verhängtem Zügel dahergeritten kamen, fanden sie auch hier keinen Ausweg, aber üblen Empfang aus verborgenen Büchsen und mußten sich ergeben. Von allen dreihundert Grenadieren und Dragonern, die am Tage vorher über die Zamser Brücke gezogen, kam keiner mehr hinüber. Die Tiroler hatten Einen Mann verloren.

Der Tag trug bittere Früchte. Es stand das ganze Oberland auf und schritt eiligst zum Angriff, nahm die Vesten und säuberte fast alles Land bis gegen Innsbruck von dem Feinde.*)

Dieß ist die merkwürdigste Geschichte in dem Feldzuge von 1703, den die Tiroler noch heutzutage den bayerischen Rummel nennen.

Nicht viel anders ging es an der Pontlatzer Brücke im Jahre 1809. Als im August dieses Jahres die Franzosen über den Brenner nicht mehr ins südliche Tirol zu gelangen vermochten,

*) S. P. Albert Jägers schätzenswerthe Schrift: Tirol und der bayerisch-französische Einfall im Jahre 1703. Innsbruck 1844. Die „Relation“ ist abgedruckt im Tiroler Almanach von 1803.
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[252/0256] durch die herabgeschleuderten Blöcke erschwert, und so lag die Hälfte der Mannschaft nach kurzer Weile mit zerschmetterten Gliedern röchelnd an der Straße oder trieb leblos in den Wellen. Den andern vergingen in dem schrecklichen Krachen der rollenden Felsen und in dem gräulichen Morden, das die versteckten Feuerschlünde verübten, die Sinne; sie fielen jammernd auf die Kniee und baten mit aufgehobenen Händen um Pardon. Hernach bekannten sie, daß sie lieber vier oder fünf Feldschlachten durchgefochten hätten, als ein einzig solches Scharmützel, welches nichts anderem als dem jüngsten Tag zu vergleichen wäre. Vierundzwanzig Mann, darunter die Anführer, waren indessen aus der donnernden, rauchenden, blutigen Schlucht glücklich herausgesprengt und über Landeck gen Zams geritten. Mittlerweile aber hatten die Landleute aus dieser Gegend die Zamserbrücke ebenso abgeworfen und den Ort mit Scharfschützen besetzt. Als nun der Marquis und der Oberstlieutenant Graf von Taufkirchen und andre Hauptleute mit verhängtem Zügel dahergeritten kamen, fanden sie auch hier keinen Ausweg, aber üblen Empfang aus verborgenen Büchsen und mußten sich ergeben. Von allen dreihundert Grenadieren und Dragonern, die am Tage vorher über die Zamser Brücke gezogen, kam keiner mehr hinüber. Die Tiroler hatten Einen Mann verloren. Der Tag trug bittere Früchte. Es stand das ganze Oberland auf und schritt eiligst zum Angriff, nahm die Vesten und säuberte fast alles Land bis gegen Innsbruck von dem Feinde. *) Dieß ist die merkwürdigste Geschichte in dem Feldzuge von 1703, den die Tiroler noch heutzutage den bayerischen Rummel nennen. Nicht viel anders ging es an der Pontlatzer Brücke im Jahre 1809. Als im August dieses Jahres die Franzosen über den Brenner nicht mehr ins südliche Tirol zu gelangen vermochten, *) S. P. Albert Jägers schätzenswerthe Schrift: Tirol und der bayerisch-französische Einfall im Jahre 1703. Innsbruck 1844. Die „Relation“ ist abgedruckt im Tiroler Almanach von 1803.

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/256>, abgerufen am 22.07.2024.