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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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ab und stürzten ungehört über den Berghang in die Tiefe.

Wir saßen also auf der Bank vor dem Herrenhause, schauten immer wieder aufs neue zu jenen Fernern hinauf und sagten einander: dort wohnen die Feen des Oetzthales! In solche Herrlichkeiten verlegt nämlich die Oetzthaler Sage den Wohnsitz der "saligen Fräulein," elfenhafter Jungfrauen, welche die Hirtenknaben lieben und die Gemsenjäger hassen. Von diesem Hasse und jener Liebe erzählen die Aelpler mehr als eine schöne Geschichte. Indessen haben die saligen Fräulein auch sonst bequemer gelegene Wohnungen im niedern Thalgelände, und zumal bei Lengenfeld ist durch eine Grotte der Eingang zu ihren gefeiten Hallen im Innern des Gebirges. Vor dieser Grotte saß einst im schönen Mai ein junger Hirte und kochte sein Mittagsmahl. Unversehens erscholl von Lengenfeld her die Mittagsglocke, der Knabe kniete nieder um zu beten und warf in seiner Unvorsicht den Topf um. Alsbald trat ein Fräulein aus der Grotte und gab ihm andere Speise für die welche er verschüttet. Dabei kamen die beiden, der schöne Hirtenknabe, und das schöne Fräulein, in ein freundliches Gespräch, und als der eine sich geletzt, nahm ihn die andre bei der Hand und führte ihn in ihr wunderbares Schloß. Dort wurde er mit lieben Worten aufgenommen und die Elfen sagten ihm, er möge kommen zu allen Stunden, aber Niemand dürfe davon wissen und niemals dürfe er jagen gehen auf die Gemsen, die allesammt ihre Hausthiere seyen. Dem Hirtenknaben gingen neue Tage auf, schönere als er je erlebt, bis ihm nach manchen Monden ein Wort entfuhr, das seinem Vater seine Liebe verrieth. Als er darauf wieder an den Berg kam, war dieser verschlossen und keine Bitte, keine Klage konnte ihn wieder öffnen. Der Knabe, verging fast in seiner Sehnsucht und starb schier vor Gram, aber das salige Fräulein, seine Liebe, kam nicht mehr zu Tage. Und zuletzt machte er sich auf und ging um Rache zu nehmen auf die Gemsenjagd, ersah ein Thier, verfolgte es und schoß. Aber kaum war's gethan, so stand das salige Fräulein, das ihn einst geliebt, in all ihrer Schönheit schützend bei dem werthen Wilde, blickte den Jäger an,

ab und stürzten ungehört über den Berghang in die Tiefe.

Wir saßen also auf der Bank vor dem Herrenhause, schauten immer wieder aufs neue zu jenen Fernern hinauf und sagten einander: dort wohnen die Feen des Oetzthales! In solche Herrlichkeiten verlegt nämlich die Oetzthaler Sage den Wohnsitz der „saligen Fräulein," elfenhafter Jungfrauen, welche die Hirtenknaben lieben und die Gemsenjäger hassen. Von diesem Hasse und jener Liebe erzählen die Aelpler mehr als eine schöne Geschichte. Indessen haben die saligen Fräulein auch sonst bequemer gelegene Wohnungen im niedern Thalgelände, und zumal bei Lengenfeld ist durch eine Grotte der Eingang zu ihren gefeiten Hallen im Innern des Gebirges. Vor dieser Grotte saß einst im schönen Mai ein junger Hirte und kochte sein Mittagsmahl. Unversehens erscholl von Lengenfeld her die Mittagsglocke, der Knabe kniete nieder um zu beten und warf in seiner Unvorsicht den Topf um. Alsbald trat ein Fräulein aus der Grotte und gab ihm andere Speise für die welche er verschüttet. Dabei kamen die beiden, der schöne Hirtenknabe, und das schöne Fräulein, in ein freundliches Gespräch, und als der eine sich geletzt, nahm ihn die andre bei der Hand und führte ihn in ihr wunderbares Schloß. Dort wurde er mit lieben Worten aufgenommen und die Elfen sagten ihm, er möge kommen zu allen Stunden, aber Niemand dürfe davon wissen und niemals dürfe er jagen gehen auf die Gemsen, die allesammt ihre Hausthiere seyen. Dem Hirtenknaben gingen neue Tage auf, schönere als er je erlebt, bis ihm nach manchen Monden ein Wort entfuhr, das seinem Vater seine Liebe verrieth. Als er darauf wieder an den Berg kam, war dieser verschlossen und keine Bitte, keine Klage konnte ihn wieder öffnen. Der Knabe, verging fast in seiner Sehnsucht und starb schier vor Gram, aber das salige Fräulein, seine Liebe, kam nicht mehr zu Tage. Und zuletzt machte er sich auf und ging um Rache zu nehmen auf die Gemsenjagd, ersah ein Thier, verfolgte es und schoß. Aber kaum war’s gethan, so stand das salige Fräulein, das ihn einst geliebt, in all ihrer Schönheit schützend bei dem werthen Wilde, blickte den Jäger an,

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[225/0229] ab und stürzten ungehört über den Berghang in die Tiefe. Wir saßen also auf der Bank vor dem Herrenhause, schauten immer wieder aufs neue zu jenen Fernern hinauf und sagten einander: dort wohnen die Feen des Oetzthales! In solche Herrlichkeiten verlegt nämlich die Oetzthaler Sage den Wohnsitz der „saligen Fräulein," elfenhafter Jungfrauen, welche die Hirtenknaben lieben und die Gemsenjäger hassen. Von diesem Hasse und jener Liebe erzählen die Aelpler mehr als eine schöne Geschichte. Indessen haben die saligen Fräulein auch sonst bequemer gelegene Wohnungen im niedern Thalgelände, und zumal bei Lengenfeld ist durch eine Grotte der Eingang zu ihren gefeiten Hallen im Innern des Gebirges. Vor dieser Grotte saß einst im schönen Mai ein junger Hirte und kochte sein Mittagsmahl. Unversehens erscholl von Lengenfeld her die Mittagsglocke, der Knabe kniete nieder um zu beten und warf in seiner Unvorsicht den Topf um. Alsbald trat ein Fräulein aus der Grotte und gab ihm andere Speise für die welche er verschüttet. Dabei kamen die beiden, der schöne Hirtenknabe, und das schöne Fräulein, in ein freundliches Gespräch, und als der eine sich geletzt, nahm ihn die andre bei der Hand und führte ihn in ihr wunderbares Schloß. Dort wurde er mit lieben Worten aufgenommen und die Elfen sagten ihm, er möge kommen zu allen Stunden, aber Niemand dürfe davon wissen und niemals dürfe er jagen gehen auf die Gemsen, die allesammt ihre Hausthiere seyen. Dem Hirtenknaben gingen neue Tage auf, schönere als er je erlebt, bis ihm nach manchen Monden ein Wort entfuhr, das seinem Vater seine Liebe verrieth. Als er darauf wieder an den Berg kam, war dieser verschlossen und keine Bitte, keine Klage konnte ihn wieder öffnen. Der Knabe, verging fast in seiner Sehnsucht und starb schier vor Gram, aber das salige Fräulein, seine Liebe, kam nicht mehr zu Tage. Und zuletzt machte er sich auf und ging um Rache zu nehmen auf die Gemsenjagd, ersah ein Thier, verfolgte es und schoß. Aber kaum war’s gethan, so stand das salige Fräulein, das ihn einst geliebt, in all ihrer Schönheit schützend bei dem werthen Wilde, blickte den Jäger an,

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/229>, abgerufen am 23.11.2024.