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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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besitzen keinen eigenen Herd, um sich zur Ruhe zu setzen, die reichsten nur ein kleines Häuschen. Ihr Fahrzeug ist ein Karren, den sie selber ziehen, wenn nicht ein Eselchen oder eine abgejagte Mähre aushilft. Der Lahninger, der arme Mann, will aber nicht allein in der Fremde herumfahren; er sehnt sich nach einem süßen Weibe, nach einem freundlichen Augentrost, und manchmal scheint er recht glücklich zu seyn in seinem Werben, denn man sieht mitunter ganz hübsche Frauen vorgespannt. Solchen Verbindungen steht übrigens die weltliche Behörde zumeist entgegen, in Berücksichtigung der Armuth und des unsichern Erwerbsstandes der Brautleute. Da soll's denn manchmal vorkommen, daß sie nach Rom pilgern und sich am Grabe der Apostel trauen lassen. Neu vermählt kommen sie ins Vaterland zurück, zeigen der Behörde päpstliche Briefe und Siegel vor, werden aber, da sich diese nichts darum kümmert, gleichwohl mit Gefängniß und Ruthenstreichen bestraft. So bringt das Dörcherpaar in der Haft seine Flitterwochen zu, welches Leiden sie aber nur noch fester zusammenkittet, so daß sie das ganze Leben nicht mehr von einander lassen und auf allen Heerstraßen mit vereinten Kräften an dem Karren schieben. Gewöhnlich sind sie auch reich mit Kindern gesegnet - die Säuglinge erhalten ihre Wiege unter dem Dache des Wagens, die Erwachsenen ziehen selber mit und bilden später wieder neue Dörcherfamilien. Manche davon sind am Wege hinter den Haselstauden auf die Welt gekommen. Es ist ein eigener Anblick, diese Geschlechter, oft zu sechs und acht Personen vornen und hinten ziehend und schiebend an der fahrenden Stiftshütte, ihrem Besitz, ihrem Schatzkasten und zum Theile ihrer Wohnung, etwa einmal mit sorgenvollen, trüben Blicken, hin und wieder auch, wenn die Zeiten gut sind, guter Dinge und voll frohen Muths.

Wenn man von Mils etwa eine Stunde in der schönen Niederung fortgefahren, geht's noch einmal über einen steilen Berghang und allgemach zeigt sich dann der große Flecken Imst, Hauptort des Oberinnthales, Sitz der Behörden und andrer angesehenen Leute. Gleich rechts vom Flecken geht der prächtige Tschirgant in die Höhe, hier wie eine ungeheure

besitzen keinen eigenen Herd, um sich zur Ruhe zu setzen, die reichsten nur ein kleines Häuschen. Ihr Fahrzeug ist ein Karren, den sie selber ziehen, wenn nicht ein Eselchen oder eine abgejagte Mähre aushilft. Der Lahninger, der arme Mann, will aber nicht allein in der Fremde herumfahren; er sehnt sich nach einem süßen Weibe, nach einem freundlichen Augentrost, und manchmal scheint er recht glücklich zu seyn in seinem Werben, denn man sieht mitunter ganz hübsche Frauen vorgespannt. Solchen Verbindungen steht übrigens die weltliche Behörde zumeist entgegen, in Berücksichtigung der Armuth und des unsichern Erwerbsstandes der Brautleute. Da soll’s denn manchmal vorkommen, daß sie nach Rom pilgern und sich am Grabe der Apostel trauen lassen. Neu vermählt kommen sie ins Vaterland zurück, zeigen der Behörde päpstliche Briefe und Siegel vor, werden aber, da sich diese nichts darum kümmert, gleichwohl mit Gefängniß und Ruthenstreichen bestraft. So bringt das Dörcherpaar in der Haft seine Flitterwochen zu, welches Leiden sie aber nur noch fester zusammenkittet, so daß sie das ganze Leben nicht mehr von einander lassen und auf allen Heerstraßen mit vereinten Kräften an dem Karren schieben. Gewöhnlich sind sie auch reich mit Kindern gesegnet – die Säuglinge erhalten ihre Wiege unter dem Dache des Wagens, die Erwachsenen ziehen selber mit und bilden später wieder neue Dörcherfamilien. Manche davon sind am Wege hinter den Haselstauden auf die Welt gekommen. Es ist ein eigener Anblick, diese Geschlechter, oft zu sechs und acht Personen vornen und hinten ziehend und schiebend an der fahrenden Stiftshütte, ihrem Besitz, ihrem Schatzkasten und zum Theile ihrer Wohnung, etwa einmal mit sorgenvollen, trüben Blicken, hin und wieder auch, wenn die Zeiten gut sind, guter Dinge und voll frohen Muths.

Wenn man von Mils etwa eine Stunde in der schönen Niederung fortgefahren, geht’s noch einmal über einen steilen Berghang und allgemach zeigt sich dann der große Flecken Imst, Hauptort des Oberinnthales, Sitz der Behörden und andrer angesehenen Leute. Gleich rechts vom Flecken geht der prächtige Tschirgant in die Höhe, hier wie eine ungeheure

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[209/0213] besitzen keinen eigenen Herd, um sich zur Ruhe zu setzen, die reichsten nur ein kleines Häuschen. Ihr Fahrzeug ist ein Karren, den sie selber ziehen, wenn nicht ein Eselchen oder eine abgejagte Mähre aushilft. Der Lahninger, der arme Mann, will aber nicht allein in der Fremde herumfahren; er sehnt sich nach einem süßen Weibe, nach einem freundlichen Augentrost, und manchmal scheint er recht glücklich zu seyn in seinem Werben, denn man sieht mitunter ganz hübsche Frauen vorgespannt. Solchen Verbindungen steht übrigens die weltliche Behörde zumeist entgegen, in Berücksichtigung der Armuth und des unsichern Erwerbsstandes der Brautleute. Da soll’s denn manchmal vorkommen, daß sie nach Rom pilgern und sich am Grabe der Apostel trauen lassen. Neu vermählt kommen sie ins Vaterland zurück, zeigen der Behörde päpstliche Briefe und Siegel vor, werden aber, da sich diese nichts darum kümmert, gleichwohl mit Gefängniß und Ruthenstreichen bestraft. So bringt das Dörcherpaar in der Haft seine Flitterwochen zu, welches Leiden sie aber nur noch fester zusammenkittet, so daß sie das ganze Leben nicht mehr von einander lassen und auf allen Heerstraßen mit vereinten Kräften an dem Karren schieben. Gewöhnlich sind sie auch reich mit Kindern gesegnet – die Säuglinge erhalten ihre Wiege unter dem Dache des Wagens, die Erwachsenen ziehen selber mit und bilden später wieder neue Dörcherfamilien. Manche davon sind am Wege hinter den Haselstauden auf die Welt gekommen. Es ist ein eigener Anblick, diese Geschlechter, oft zu sechs und acht Personen vornen und hinten ziehend und schiebend an der fahrenden Stiftshütte, ihrem Besitz, ihrem Schatzkasten und zum Theile ihrer Wohnung, etwa einmal mit sorgenvollen, trüben Blicken, hin und wieder auch, wenn die Zeiten gut sind, guter Dinge und voll frohen Muths. Wenn man von Mils etwa eine Stunde in der schönen Niederung fortgefahren, geht’s noch einmal über einen steilen Berghang und allgemach zeigt sich dann der große Flecken Imst, Hauptort des Oberinnthales, Sitz der Behörden und andrer angesehenen Leute. Gleich rechts vom Flecken geht der prächtige Tschirgant in die Höhe, hier wie eine ungeheure

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/213>, abgerufen am 23.11.2024.