Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.Bei den wohlhabenden Industriellen findet sich manches technische Buch, das in ihr Geschäft einschlagt. In Feldkirch soll gegenwärtig eine Leihbibliothek errichtet werden. Die beiden Gelehrten, deren sich Vorarlberg in der Gegenwart rühmen kann, nämlich Joseph Bergmann und Jodok Stülz, leben außerhalb des Landes. Weizenegger ist zwar schon lange todt, aber seine Thätigkeit trat erst durch die vor wenigen Jahren veranstaltete Herausgabe seiner Schriften recht ans Licht. Er war ein eifriger, liebevoller Sammler, und hat viele schätzbare Nachrichten mitgetheilt, die, was mit Dank anerkannt wird, auch diesen Schilderungen mannichfach zu gute gekommen sind; doch fehlte ihm jene historische Kritik, wie sie die neuere Wissenschaft fordert. Den Geistlichen ist Liebe zum Studium nicht abzusprechen, doch sind sie in der Regel so ärmlich dotirt, daß sie selbst beim besten Willen die Anschaffung der nöthigen Hülfsmittel nicht erschwingen können. Auch fehlt ihren Bestrebungen das fördernde Band, ein Mittelpunkt, ja auch ein Organ. Die neuern Regungen zu Innsbruck haben die Vorarlberger noch nicht heranzuziehen vermocht, wie denn der Gesichtskreis der letztern überhaupt mehr gegen den Bodensee, gegen Schwaben hin vergirt, als gegen Tirol. In dieser Beziehung ist auch bemerkenswerth, daß eine Verschmelzung der beiderseitigen Priesterschaft noch immer nicht stattfindet, obgleich die vorarlbergischen Candidaten der Gottesgelahrtheit schon seit zwei Jahrzehnten das Seminarium zu Brixen besuchen. Nur ausnahmsweise und wenn bereits Mangel an Seelsorgern herrscht, kommen tirolische Geistliche nach Vorarlberg; kaum je aber trachtet ein vorarlbergischer nach Tirol. Zum Theil mag daran allerdings auch ein anderes Verhältniß schuld seyn. In Tirol bewohnt nämlich der Hülfspriester dasselbe Haus, mit seinem Pfarrer und ist auch dessen Tischgenosse; in Vorarlberg dagegen hat er überall seine eigene getrennte Wohnung, seine eigne Wirthschaft und erfreut sich daher in vielen Stücken größerer Unabhängigkeit und Freiheit. Wir können diese Betrachtungen nicht schließen, ohne die Bemerkung, daß nach all dem Gesagten die Anschauung vorarlbergischen Bei den wohlhabenden Industriellen findet sich manches technische Buch, das in ihr Geschäft einschlagt. In Feldkirch soll gegenwärtig eine Leihbibliothek errichtet werden. Die beiden Gelehrten, deren sich Vorarlberg in der Gegenwart rühmen kann, nämlich Joseph Bergmann und Jodok Stülz, leben außerhalb des Landes. Weizenegger ist zwar schon lange todt, aber seine Thätigkeit trat erst durch die vor wenigen Jahren veranstaltete Herausgabe seiner Schriften recht ans Licht. Er war ein eifriger, liebevoller Sammler, und hat viele schätzbare Nachrichten mitgetheilt, die, was mit Dank anerkannt wird, auch diesen Schilderungen mannichfach zu gute gekommen sind; doch fehlte ihm jene historische Kritik, wie sie die neuere Wissenschaft fordert. Den Geistlichen ist Liebe zum Studium nicht abzusprechen, doch sind sie in der Regel so ärmlich dotirt, daß sie selbst beim besten Willen die Anschaffung der nöthigen Hülfsmittel nicht erschwingen können. Auch fehlt ihren Bestrebungen das fördernde Band, ein Mittelpunkt, ja auch ein Organ. Die neuern Regungen zu Innsbruck haben die Vorarlberger noch nicht heranzuziehen vermocht, wie denn der Gesichtskreis der letztern überhaupt mehr gegen den Bodensee, gegen Schwaben hin vergirt, als gegen Tirol. In dieser Beziehung ist auch bemerkenswerth, daß eine Verschmelzung der beiderseitigen Priesterschaft noch immer nicht stattfindet, obgleich die vorarlbergischen Candidaten der Gottesgelahrtheit schon seit zwei Jahrzehnten das Seminarium zu Brixen besuchen. Nur ausnahmsweise und wenn bereits Mangel an Seelsorgern herrscht, kommen tirolische Geistliche nach Vorarlberg; kaum je aber trachtet ein vorarlbergischer nach Tirol. Zum Theil mag daran allerdings auch ein anderes Verhältniß schuld seyn. In Tirol bewohnt nämlich der Hülfspriester dasselbe Haus, mit seinem Pfarrer und ist auch dessen Tischgenosse; in Vorarlberg dagegen hat er überall seine eigene getrennte Wohnung, seine eigne Wirthschaft und erfreut sich daher in vielen Stücken größerer Unabhängigkeit und Freiheit. Wir können diese Betrachtungen nicht schließen, ohne die Bemerkung, daß nach all dem Gesagten die Anschauung vorarlbergischen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0191" n="186"/> Bei den wohlhabenden Industriellen findet sich manches technische Buch, das in ihr Geschäft einschlagt. In Feldkirch soll gegenwärtig eine Leihbibliothek errichtet werden. Die beiden Gelehrten, deren sich Vorarlberg in der Gegenwart rühmen kann, nämlich Joseph Bergmann und Jodok Stülz, leben außerhalb des Landes. Weizenegger ist zwar schon lange todt, aber seine Thätigkeit trat erst durch die vor wenigen Jahren veranstaltete Herausgabe seiner Schriften recht ans Licht. Er war ein eifriger, liebevoller Sammler, und hat viele schätzbare Nachrichten mitgetheilt, die, was mit Dank anerkannt wird, auch diesen Schilderungen mannichfach zu gute gekommen sind; doch fehlte ihm jene historische Kritik, wie sie die neuere Wissenschaft fordert. Den Geistlichen ist Liebe zum Studium nicht abzusprechen, doch sind sie in der Regel so ärmlich dotirt, daß sie selbst beim besten Willen die Anschaffung der nöthigen Hülfsmittel nicht erschwingen können. Auch fehlt ihren Bestrebungen das fördernde Band, ein Mittelpunkt, ja auch ein Organ. Die neuern Regungen zu Innsbruck haben die Vorarlberger noch nicht heranzuziehen vermocht, wie denn der Gesichtskreis der letztern überhaupt mehr gegen den Bodensee, gegen Schwaben hin vergirt, als gegen Tirol. In dieser Beziehung ist auch bemerkenswerth, daß eine Verschmelzung der beiderseitigen Priesterschaft noch immer nicht stattfindet, obgleich die vorarlbergischen Candidaten der Gottesgelahrtheit schon seit zwei Jahrzehnten das Seminarium zu Brixen besuchen. Nur ausnahmsweise und wenn bereits Mangel an Seelsorgern herrscht, kommen tirolische Geistliche nach Vorarlberg; kaum je aber trachtet ein vorarlbergischer nach Tirol. Zum Theil mag daran allerdings auch ein anderes Verhältniß schuld seyn. In Tirol bewohnt nämlich der Hülfspriester dasselbe Haus, mit seinem Pfarrer und ist auch dessen Tischgenosse; in Vorarlberg dagegen hat er überall seine eigene getrennte Wohnung, seine eigne Wirthschaft und erfreut sich daher in vielen Stücken größerer Unabhängigkeit und Freiheit.</p> <p>Wir können diese Betrachtungen nicht schließen, ohne die Bemerkung, daß nach all dem Gesagten die Anschauung vorarlbergischen </p> </div> </body> </text> </TEI> [186/0191]
Bei den wohlhabenden Industriellen findet sich manches technische Buch, das in ihr Geschäft einschlagt. In Feldkirch soll gegenwärtig eine Leihbibliothek errichtet werden. Die beiden Gelehrten, deren sich Vorarlberg in der Gegenwart rühmen kann, nämlich Joseph Bergmann und Jodok Stülz, leben außerhalb des Landes. Weizenegger ist zwar schon lange todt, aber seine Thätigkeit trat erst durch die vor wenigen Jahren veranstaltete Herausgabe seiner Schriften recht ans Licht. Er war ein eifriger, liebevoller Sammler, und hat viele schätzbare Nachrichten mitgetheilt, die, was mit Dank anerkannt wird, auch diesen Schilderungen mannichfach zu gute gekommen sind; doch fehlte ihm jene historische Kritik, wie sie die neuere Wissenschaft fordert. Den Geistlichen ist Liebe zum Studium nicht abzusprechen, doch sind sie in der Regel so ärmlich dotirt, daß sie selbst beim besten Willen die Anschaffung der nöthigen Hülfsmittel nicht erschwingen können. Auch fehlt ihren Bestrebungen das fördernde Band, ein Mittelpunkt, ja auch ein Organ. Die neuern Regungen zu Innsbruck haben die Vorarlberger noch nicht heranzuziehen vermocht, wie denn der Gesichtskreis der letztern überhaupt mehr gegen den Bodensee, gegen Schwaben hin vergirt, als gegen Tirol. In dieser Beziehung ist auch bemerkenswerth, daß eine Verschmelzung der beiderseitigen Priesterschaft noch immer nicht stattfindet, obgleich die vorarlbergischen Candidaten der Gottesgelahrtheit schon seit zwei Jahrzehnten das Seminarium zu Brixen besuchen. Nur ausnahmsweise und wenn bereits Mangel an Seelsorgern herrscht, kommen tirolische Geistliche nach Vorarlberg; kaum je aber trachtet ein vorarlbergischer nach Tirol. Zum Theil mag daran allerdings auch ein anderes Verhältniß schuld seyn. In Tirol bewohnt nämlich der Hülfspriester dasselbe Haus, mit seinem Pfarrer und ist auch dessen Tischgenosse; in Vorarlberg dagegen hat er überall seine eigene getrennte Wohnung, seine eigne Wirthschaft und erfreut sich daher in vielen Stücken größerer Unabhängigkeit und Freiheit.
Wir können diese Betrachtungen nicht schließen, ohne die Bemerkung, daß nach all dem Gesagten die Anschauung vorarlbergischen
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