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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Nahrung. Zu gleicher Zeit stieg bei Burschen und Mädchen die Lust am Putze, und jene gaben die Landestracht auf, um sich herrisch zu kleiden. Die zahlreichen Zusammenkünfte der jungen Leute in einem Hause wurden der Sittsamkeit gefährlich. Da sich ein Tanz im Freien mit der einreißenden Weichlichkeit nicht mehr vertrug, so wurden die Wirthshäuser mit immer größerm Aufwand eingerichtet und die Tanzmusik mit neuen Instrumenten vervollständigt. Nebenbei in den Familien Noth und Dürftigkeit, Schmutz und Unrath, Mangel an dem Nöthigsten, an Leib- und Bettwäsche und so weiter.

"So hätte ein alter, biederer Vorarlberger in seinem Sonntagsstaate, der in einem weißgrauen, aus Hanfgarn und Schafwolle gewobenen, mit Flanell gefütterten und bis auf die Knöchel reichenden warmen, vorn zugeknöpften Rocke, Lederhosen, Wollenstrümpfen, genagelten Bergschuhen, schwarzem Flor um den Hals, dreispitzem Hute und Fäustlingen bei der Rocktasche durchgesteckt bestand, seine Nachkommen nicht mehr erkannt und glauben müssen, sein Bergland habe sich in eine Hauptstadt verwandelt."

Seit der Zeit, als unter der Kaiserin Maria Theresia die legislatorischen Reformen begannen, und der öffentliche Unterricht eine bessere Einrichtung erhielt, verbreiteten sich viele Kenntnisse unter dem Volke, welche früher nicht gefunden wurden. Die Vorarlberger warfen sich mit Eifer auf die neuen Gesetzsammlungen, die ihnen in die Hand gegeben wurden; doch blieben sie leider bei dem stehen, was ihnen begreiflich war oder am besten gefiel; für den Zusammenhang des Ganzen mangelte das Verständniß. Vor Gericht zog nunmehr jeder Rechtsuchende sein Gesetzbuch aus der Tasche, schlug den Artikel auf, zu dem er sein Vertrauen hatte und beharrte mit Hartnäckigkeit auf seiner Interpretation. "Streitsucht wurde so gemein wie das tägliche Brod, nährte aber nicht so gut und richtete manche Haushaltung zu Grunde." Die alte Ehrlichkeit war dahin und statt derselben waren Schliche und Betrügereien bekannt geworden, von denen früher Niemand etwas wußte.

Nahrung. Zu gleicher Zeit stieg bei Burschen und Mädchen die Lust am Putze, und jene gaben die Landestracht auf, um sich herrisch zu kleiden. Die zahlreichen Zusammenkünfte der jungen Leute in einem Hause wurden der Sittsamkeit gefährlich. Da sich ein Tanz im Freien mit der einreißenden Weichlichkeit nicht mehr vertrug, so wurden die Wirthshäuser mit immer größerm Aufwand eingerichtet und die Tanzmusik mit neuen Instrumenten vervollständigt. Nebenbei in den Familien Noth und Dürftigkeit, Schmutz und Unrath, Mangel an dem Nöthigsten, an Leib- und Bettwäsche und so weiter.

„So hätte ein alter, biederer Vorarlberger in seinem Sonntagsstaate, der in einem weißgrauen, aus Hanfgarn und Schafwolle gewobenen, mit Flanell gefütterten und bis auf die Knöchel reichenden warmen, vorn zugeknöpften Rocke, Lederhosen, Wollenstrümpfen, genagelten Bergschuhen, schwarzem Flor um den Hals, dreispitzem Hute und Fäustlingen bei der Rocktasche durchgesteckt bestand, seine Nachkommen nicht mehr erkannt und glauben müssen, sein Bergland habe sich in eine Hauptstadt verwandelt.“

Seit der Zeit, als unter der Kaiserin Maria Theresia die legislatorischen Reformen begannen, und der öffentliche Unterricht eine bessere Einrichtung erhielt, verbreiteten sich viele Kenntnisse unter dem Volke, welche früher nicht gefunden wurden. Die Vorarlberger warfen sich mit Eifer auf die neuen Gesetzsammlungen, die ihnen in die Hand gegeben wurden; doch blieben sie leider bei dem stehen, was ihnen begreiflich war oder am besten gefiel; für den Zusammenhang des Ganzen mangelte das Verständniß. Vor Gericht zog nunmehr jeder Rechtsuchende sein Gesetzbuch aus der Tasche, schlug den Artikel auf, zu dem er sein Vertrauen hatte und beharrte mit Hartnäckigkeit auf seiner Interpretation. „Streitsucht wurde so gemein wie das tägliche Brod, nährte aber nicht so gut und richtete manche Haushaltung zu Grunde.“ Die alte Ehrlichkeit war dahin und statt derselben waren Schliche und Betrügereien bekannt geworden, von denen früher Niemand etwas wußte.

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[181/0186] Nahrung. Zu gleicher Zeit stieg bei Burschen und Mädchen die Lust am Putze, und jene gaben die Landestracht auf, um sich herrisch zu kleiden. Die zahlreichen Zusammenkünfte der jungen Leute in einem Hause wurden der Sittsamkeit gefährlich. Da sich ein Tanz im Freien mit der einreißenden Weichlichkeit nicht mehr vertrug, so wurden die Wirthshäuser mit immer größerm Aufwand eingerichtet und die Tanzmusik mit neuen Instrumenten vervollständigt. Nebenbei in den Familien Noth und Dürftigkeit, Schmutz und Unrath, Mangel an dem Nöthigsten, an Leib- und Bettwäsche und so weiter. „So hätte ein alter, biederer Vorarlberger in seinem Sonntagsstaate, der in einem weißgrauen, aus Hanfgarn und Schafwolle gewobenen, mit Flanell gefütterten und bis auf die Knöchel reichenden warmen, vorn zugeknöpften Rocke, Lederhosen, Wollenstrümpfen, genagelten Bergschuhen, schwarzem Flor um den Hals, dreispitzem Hute und Fäustlingen bei der Rocktasche durchgesteckt bestand, seine Nachkommen nicht mehr erkannt und glauben müssen, sein Bergland habe sich in eine Hauptstadt verwandelt.“ Seit der Zeit, als unter der Kaiserin Maria Theresia die legislatorischen Reformen begannen, und der öffentliche Unterricht eine bessere Einrichtung erhielt, verbreiteten sich viele Kenntnisse unter dem Volke, welche früher nicht gefunden wurden. Die Vorarlberger warfen sich mit Eifer auf die neuen Gesetzsammlungen, die ihnen in die Hand gegeben wurden; doch blieben sie leider bei dem stehen, was ihnen begreiflich war oder am besten gefiel; für den Zusammenhang des Ganzen mangelte das Verständniß. Vor Gericht zog nunmehr jeder Rechtsuchende sein Gesetzbuch aus der Tasche, schlug den Artikel auf, zu dem er sein Vertrauen hatte und beharrte mit Hartnäckigkeit auf seiner Interpretation. „Streitsucht wurde so gemein wie das tägliche Brod, nährte aber nicht so gut und richtete manche Haushaltung zu Grunde.“ Die alte Ehrlichkeit war dahin und statt derselben waren Schliche und Betrügereien bekannt geworden, von denen früher Niemand etwas wußte.

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/186>, abgerufen am 23.11.2024.