Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.allen Gehorsam und alle Achtung erwiesen, die ihm gebührten. Im Priester habe er seinen Seelenhirten erkannt, den Erzieher seiner Kinder, den Tröster im Unglück und den treuen Freund in der letzten Stunde; bei unbefugter Einmischung in die Geschäfte des Gerichts oder der Gemeinde aber sey der Geweihte des Herrn gleichwohl immer mit Bescheidenheit zurückgewiesen worden. Arbeitsliebe und Mäßigkeit haben dazumal den Vorarlberger ausgezeichnet. Alpenwirthschaft, Landbau und Holzarbeit machten die Beschäftigung, Türkenbrei, Hafermuß, Gartengemüse, Obst und Milch die Nahrung des Bauern aus. Fleisch aß er nur an Sonntagen, der Wein galt als Arznei. Zur festtäglichen Belustigung versammelte sich die Dorfjugend in den öffentlichen Tanzlauben, die in jedem Pfarrorte unfern der Kirche errichtet waren. Das kunstlose Gebäude bestand aus vier Pfählen, die ein Wetterdach trugen und war auf allen Seiten offen, damit man dem Thun und Treiben der Tanzenden zusehen konnte. "Der Schall einer Querpfeife wirkte mit Zauberkraft auf die jungen Leute; die Eltern, bei solchen Anlässen stets gegenwärtig, dachten an ihre Jugendjahre und freuten sich des Frohsinns ihrer Kinder, selbst Greise labten sich an dem heitern Anblicke und sahen sich in ihren Enkeln wieder verjüngt aufleben." Wer ein schuldenfreies Anwesen besaß und ein Capital von zwei bis dreitausend Gulden zurückgelegt hatte, galt für reich und lebte im Ueberfluß, denn er hatte wenige Bedürfnisse. Gesund und stark von Geburt an, zeigte sich der Vorarlberger muthig in dem Kampfe für den väterlichen Boden, und in den ältern Kriegen meldeten sich gewöhnlich mehr Leute zur Landwehr, als man nach den geringen Geldmitteln des Landes unterhalten konnte. Der Unterschied zwischen Bürger und Bauer gründete sich nicht auf die Landesverfassung, welche beide Stände gleichstellte, sondern höchstens auf den Umstand, daß sich dem Städter Gelegenheit bot mehr Kenntnisse zu erwerben. Ueberdieß sind die drei Städte des Ländchens in den Gewerben keineswegs allen Gehorsam und alle Achtung erwiesen, die ihm gebührten. Im Priester habe er seinen Seelenhirten erkannt, den Erzieher seiner Kinder, den Tröster im Unglück und den treuen Freund in der letzten Stunde; bei unbefugter Einmischung in die Geschäfte des Gerichts oder der Gemeinde aber sey der Geweihte des Herrn gleichwohl immer mit Bescheidenheit zurückgewiesen worden. Arbeitsliebe und Mäßigkeit haben dazumal den Vorarlberger ausgezeichnet. Alpenwirthschaft, Landbau und Holzarbeit machten die Beschäftigung, Türkenbrei, Hafermuß, Gartengemüse, Obst und Milch die Nahrung des Bauern aus. Fleisch aß er nur an Sonntagen, der Wein galt als Arznei. Zur festtäglichen Belustigung versammelte sich die Dorfjugend in den öffentlichen Tanzlauben, die in jedem Pfarrorte unfern der Kirche errichtet waren. Das kunstlose Gebäude bestand aus vier Pfählen, die ein Wetterdach trugen und war auf allen Seiten offen, damit man dem Thun und Treiben der Tanzenden zusehen konnte. „Der Schall einer Querpfeife wirkte mit Zauberkraft auf die jungen Leute; die Eltern, bei solchen Anlässen stets gegenwärtig, dachten an ihre Jugendjahre und freuten sich des Frohsinns ihrer Kinder, selbst Greise labten sich an dem heitern Anblicke und sahen sich in ihren Enkeln wieder verjüngt aufleben.“ Wer ein schuldenfreies Anwesen besaß und ein Capital von zwei bis dreitausend Gulden zurückgelegt hatte, galt für reich und lebte im Ueberfluß, denn er hatte wenige Bedürfnisse. Gesund und stark von Geburt an, zeigte sich der Vorarlberger muthig in dem Kampfe für den väterlichen Boden, und in den ältern Kriegen meldeten sich gewöhnlich mehr Leute zur Landwehr, als man nach den geringen Geldmitteln des Landes unterhalten konnte. Der Unterschied zwischen Bürger und Bauer gründete sich nicht auf die Landesverfassung, welche beide Stände gleichstellte, sondern höchstens auf den Umstand, daß sich dem Städter Gelegenheit bot mehr Kenntnisse zu erwerben. Ueberdieß sind die drei Städte des Ländchens in den Gewerben keineswegs <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0184" n="179"/> allen Gehorsam und alle Achtung erwiesen, die ihm gebührten. Im Priester habe er seinen Seelenhirten erkannt, den Erzieher seiner Kinder, den Tröster im Unglück und den treuen Freund in der letzten Stunde; bei unbefugter Einmischung in die Geschäfte des Gerichts oder der Gemeinde aber sey der Geweihte des Herrn gleichwohl immer mit Bescheidenheit zurückgewiesen worden.</p> <p>Arbeitsliebe und Mäßigkeit haben dazumal den Vorarlberger ausgezeichnet. Alpenwirthschaft, Landbau und Holzarbeit machten die Beschäftigung, Türkenbrei, Hafermuß, Gartengemüse, Obst und Milch die Nahrung des Bauern aus. Fleisch aß er nur an Sonntagen, der Wein galt als Arznei.</p> <p>Zur festtäglichen Belustigung versammelte sich die Dorfjugend in den öffentlichen Tanzlauben, die in jedem Pfarrorte unfern der Kirche errichtet waren. Das kunstlose Gebäude bestand aus vier Pfählen, die ein Wetterdach trugen und war auf allen Seiten offen, damit man dem Thun und Treiben der Tanzenden zusehen konnte. „Der Schall einer Querpfeife wirkte mit Zauberkraft auf die jungen Leute; die Eltern, bei solchen Anlässen stets gegenwärtig, dachten an ihre Jugendjahre und freuten sich des Frohsinns ihrer Kinder, selbst Greise labten sich an dem heitern Anblicke und sahen sich in ihren Enkeln wieder verjüngt aufleben.“</p> <p>Wer ein schuldenfreies Anwesen besaß und ein Capital von zwei bis dreitausend Gulden zurückgelegt hatte, galt für reich und lebte im Ueberfluß, denn er hatte wenige Bedürfnisse. Gesund und stark von Geburt an, zeigte sich der Vorarlberger muthig in dem Kampfe für den väterlichen Boden, und in den ältern Kriegen meldeten sich gewöhnlich mehr Leute zur Landwehr, als man nach den geringen Geldmitteln des Landes unterhalten konnte.</p> <p>Der Unterschied zwischen Bürger und Bauer gründete sich nicht auf die Landesverfassung, welche beide Stände gleichstellte, sondern höchstens auf den Umstand, daß sich dem Städter Gelegenheit bot mehr Kenntnisse zu erwerben. Ueberdieß sind die drei Städte des Ländchens in den Gewerben keineswegs </p> </div> </body> </text> </TEI> [179/0184]
allen Gehorsam und alle Achtung erwiesen, die ihm gebührten. Im Priester habe er seinen Seelenhirten erkannt, den Erzieher seiner Kinder, den Tröster im Unglück und den treuen Freund in der letzten Stunde; bei unbefugter Einmischung in die Geschäfte des Gerichts oder der Gemeinde aber sey der Geweihte des Herrn gleichwohl immer mit Bescheidenheit zurückgewiesen worden.
Arbeitsliebe und Mäßigkeit haben dazumal den Vorarlberger ausgezeichnet. Alpenwirthschaft, Landbau und Holzarbeit machten die Beschäftigung, Türkenbrei, Hafermuß, Gartengemüse, Obst und Milch die Nahrung des Bauern aus. Fleisch aß er nur an Sonntagen, der Wein galt als Arznei.
Zur festtäglichen Belustigung versammelte sich die Dorfjugend in den öffentlichen Tanzlauben, die in jedem Pfarrorte unfern der Kirche errichtet waren. Das kunstlose Gebäude bestand aus vier Pfählen, die ein Wetterdach trugen und war auf allen Seiten offen, damit man dem Thun und Treiben der Tanzenden zusehen konnte. „Der Schall einer Querpfeife wirkte mit Zauberkraft auf die jungen Leute; die Eltern, bei solchen Anlässen stets gegenwärtig, dachten an ihre Jugendjahre und freuten sich des Frohsinns ihrer Kinder, selbst Greise labten sich an dem heitern Anblicke und sahen sich in ihren Enkeln wieder verjüngt aufleben.“
Wer ein schuldenfreies Anwesen besaß und ein Capital von zwei bis dreitausend Gulden zurückgelegt hatte, galt für reich und lebte im Ueberfluß, denn er hatte wenige Bedürfnisse. Gesund und stark von Geburt an, zeigte sich der Vorarlberger muthig in dem Kampfe für den väterlichen Boden, und in den ältern Kriegen meldeten sich gewöhnlich mehr Leute zur Landwehr, als man nach den geringen Geldmitteln des Landes unterhalten konnte.
Der Unterschied zwischen Bürger und Bauer gründete sich nicht auf die Landesverfassung, welche beide Stände gleichstellte, sondern höchstens auf den Umstand, daß sich dem Städter Gelegenheit bot mehr Kenntnisse zu erwerben. Ueberdieß sind die drei Städte des Ländchens in den Gewerben keineswegs
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-05T13:27:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-05T13:27:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |