Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

Die neue Stadt, die der Altenstadt, welche bei Rankweil liegt, an die Seite getreten, ist übrigens Feldkirch selbst, das im zehnten Jahrhundert entstand, und die Erinnerung an St. Peter, den Patron der Gegend, der in Rankweil seine Pfarrkirche hat, lebt noch in dem Namen St. Pieder, den die Romanschen der neuen Stadt geben. Nicht weit von Rankweil streckt sich ein stiller Bergsee aus seinem hohen Umfange gegen die Ebene heraus, an dessen oberem Ende ein verfallenes Klösterlein liegt, Namens Valduna, das ehemals 1380 von dem Grafen Rudolf von Montfort für Clarisserinnen gestiftet, von Kaiser Joseph aufgehoben wurde. Es hatte trotz seiner Abgeschiedenheit von der Welt durch Krieg und Pest in frühern Jahren viel Leiden überstanden. Die klösterliche Einsamkeit des engen Thales an dem kleinen See hat ungemein viel Anmuth und die Feldkircher gehen deßwegen oft dahin spazieren. Zwischen den Dörfern Sulz und Weiler, wo das Sträßchen dicht am Abhange der Laternser Berge hinzieht, schaut von grüner Höhe St. Victorsberg hernieder, ehemals ein Minoritenkloster, aber von Kaiser Joseph aufgehoben. Dort wohnte zur Zeit Kaiser Karls des Dicken ein schottischer Einsiedler, Eusebius mit Namen, fünfzig Jahre verschlossen in seiner Klause. Er verließ die Kemenate nur selten, sondern belehrte und unterrichtete alle die zu ihm wallfahrteten, aus seinem Fensterchen. Einmal aber stieg er, Gottes Wort zu predigen, nach Prederis*) hinab, einem Oertchen das unterhalb Rankweil im Blachfelde liegt. Als er dort seinem frommen Eifer Genüge gethan, legte er sich von der Hitze des Tages ermüdet unter einer Linde zum Schlummer nieder. Zur selben Stunde kamen aber etliche heidnische Bauern des Weges, ersahen den christlichen Feind und schnitten ihm mit der Sense das Haupt ab. Diese versanken nach der Unthat in

*) Prederis aus Pra de rives, Bachwiese. Nebenbei gesagt ist das oben erwähnte Walduna gewiß nicht, wie überall angegeben, aus vallis dominarum verdorben, da es schon im Jahrhundert seiner Stiftung Valduna heißt. Der Name ist wohl rhätischen Ursprungs.

Die neue Stadt, die der Altenstadt, welche bei Rankweil liegt, an die Seite getreten, ist übrigens Feldkirch selbst, das im zehnten Jahrhundert entstand, und die Erinnerung an St. Peter, den Patron der Gegend, der in Rankweil seine Pfarrkirche hat, lebt noch in dem Namen St. Pieder, den die Romanschen der neuen Stadt geben. Nicht weit von Rankweil streckt sich ein stiller Bergsee aus seinem hohen Umfange gegen die Ebene heraus, an dessen oberem Ende ein verfallenes Klösterlein liegt, Namens Valduna, das ehemals 1380 von dem Grafen Rudolf von Montfort für Clarisserinnen gestiftet, von Kaiser Joseph aufgehoben wurde. Es hatte trotz seiner Abgeschiedenheit von der Welt durch Krieg und Pest in frühern Jahren viel Leiden überstanden. Die klösterliche Einsamkeit des engen Thales an dem kleinen See hat ungemein viel Anmuth und die Feldkircher gehen deßwegen oft dahin spazieren. Zwischen den Dörfern Sulz und Weiler, wo das Sträßchen dicht am Abhange der Laternser Berge hinzieht, schaut von grüner Höhe St. Victorsberg hernieder, ehemals ein Minoritenkloster, aber von Kaiser Joseph aufgehoben. Dort wohnte zur Zeit Kaiser Karls des Dicken ein schottischer Einsiedler, Eusebius mit Namen, fünfzig Jahre verschlossen in seiner Klause. Er verließ die Kemenate nur selten, sondern belehrte und unterrichtete alle die zu ihm wallfahrteten, aus seinem Fensterchen. Einmal aber stieg er, Gottes Wort zu predigen, nach Prederis*) hinab, einem Oertchen das unterhalb Rankweil im Blachfelde liegt. Als er dort seinem frommen Eifer Genüge gethan, legte er sich von der Hitze des Tages ermüdet unter einer Linde zum Schlummer nieder. Zur selben Stunde kamen aber etliche heidnische Bauern des Weges, ersahen den christlichen Feind und schnitten ihm mit der Sense das Haupt ab. Diese versanken nach der Unthat in

*) Prederis aus Pra de rives, Bachwiese. Nebenbei gesagt ist das oben erwähnte Walduna gewiß nicht, wie überall angegeben, aus vallis dominarum verdorben, da es schon im Jahrhundert seiner Stiftung Valduna heißt. Der Name ist wohl rhätischen Ursprungs.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0156" n="151"/>
        <p>Die neue Stadt, die der Altenstadt, welche bei Rankweil liegt, an die Seite getreten, ist übrigens Feldkirch selbst, das im zehnten Jahrhundert entstand, und die Erinnerung an St. Peter, den Patron der Gegend, der in Rankweil seine Pfarrkirche hat, lebt noch in dem Namen St. Pieder, den die Romanschen der neuen Stadt geben. Nicht weit von Rankweil streckt sich ein stiller Bergsee aus seinem hohen Umfange gegen die Ebene heraus, an dessen oberem Ende ein verfallenes Klösterlein liegt, Namens Valduna, das ehemals 1380 von dem Grafen Rudolf von Montfort für Clarisserinnen gestiftet, von Kaiser Joseph aufgehoben wurde. Es hatte trotz seiner Abgeschiedenheit von der Welt durch Krieg und Pest in frühern Jahren viel Leiden überstanden. Die klösterliche Einsamkeit des engen Thales an dem kleinen See hat ungemein viel Anmuth und die Feldkircher gehen deßwegen oft dahin spazieren. Zwischen den Dörfern Sulz und Weiler, wo das Sträßchen dicht am Abhange der Laternser Berge hinzieht, schaut von grüner Höhe St. Victorsberg hernieder, ehemals ein Minoritenkloster, aber von Kaiser Joseph aufgehoben. Dort wohnte zur Zeit Kaiser Karls des Dicken ein schottischer Einsiedler, Eusebius mit Namen, fünfzig Jahre verschlossen in seiner Klause. Er verließ die Kemenate nur selten, sondern belehrte und unterrichtete alle die zu ihm wallfahrteten, aus seinem Fensterchen. Einmal aber stieg er, Gottes Wort zu predigen, nach Prederis<note place="foot" n="*)">Prederis aus <hi rendition="#aq">Pra de rives</hi>, Bachwiese. Nebenbei gesagt ist das oben erwähnte Walduna gewiß nicht, wie überall angegeben, aus <hi rendition="#aq">vallis dominarum</hi> verdorben, da es schon im Jahrhundert seiner Stiftung Valduna heißt. Der Name ist wohl rhätischen Ursprungs.</note> hinab, einem Oertchen das unterhalb Rankweil im Blachfelde liegt. Als er dort seinem frommen Eifer Genüge gethan, legte er sich von der Hitze des Tages ermüdet unter einer Linde zum Schlummer nieder. Zur selben Stunde kamen aber etliche heidnische Bauern des Weges, ersahen den christlichen Feind und schnitten ihm mit der Sense das Haupt ab. Diese versanken nach der Unthat in
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0156] Die neue Stadt, die der Altenstadt, welche bei Rankweil liegt, an die Seite getreten, ist übrigens Feldkirch selbst, das im zehnten Jahrhundert entstand, und die Erinnerung an St. Peter, den Patron der Gegend, der in Rankweil seine Pfarrkirche hat, lebt noch in dem Namen St. Pieder, den die Romanschen der neuen Stadt geben. Nicht weit von Rankweil streckt sich ein stiller Bergsee aus seinem hohen Umfange gegen die Ebene heraus, an dessen oberem Ende ein verfallenes Klösterlein liegt, Namens Valduna, das ehemals 1380 von dem Grafen Rudolf von Montfort für Clarisserinnen gestiftet, von Kaiser Joseph aufgehoben wurde. Es hatte trotz seiner Abgeschiedenheit von der Welt durch Krieg und Pest in frühern Jahren viel Leiden überstanden. Die klösterliche Einsamkeit des engen Thales an dem kleinen See hat ungemein viel Anmuth und die Feldkircher gehen deßwegen oft dahin spazieren. Zwischen den Dörfern Sulz und Weiler, wo das Sträßchen dicht am Abhange der Laternser Berge hinzieht, schaut von grüner Höhe St. Victorsberg hernieder, ehemals ein Minoritenkloster, aber von Kaiser Joseph aufgehoben. Dort wohnte zur Zeit Kaiser Karls des Dicken ein schottischer Einsiedler, Eusebius mit Namen, fünfzig Jahre verschlossen in seiner Klause. Er verließ die Kemenate nur selten, sondern belehrte und unterrichtete alle die zu ihm wallfahrteten, aus seinem Fensterchen. Einmal aber stieg er, Gottes Wort zu predigen, nach Prederis *) hinab, einem Oertchen das unterhalb Rankweil im Blachfelde liegt. Als er dort seinem frommen Eifer Genüge gethan, legte er sich von der Hitze des Tages ermüdet unter einer Linde zum Schlummer nieder. Zur selben Stunde kamen aber etliche heidnische Bauern des Weges, ersahen den christlichen Feind und schnitten ihm mit der Sense das Haupt ab. Diese versanken nach der Unthat in *) Prederis aus Pra de rives, Bachwiese. Nebenbei gesagt ist das oben erwähnte Walduna gewiß nicht, wie überall angegeben, aus vallis dominarum verdorben, da es schon im Jahrhundert seiner Stiftung Valduna heißt. Der Name ist wohl rhätischen Ursprungs.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T13:27:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T13:27:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche werden als Halbgeviertstriche wiedergegeben.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/156
Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/156>, abgerufen am 19.05.2024.