und versengten Kopf zur Seite geneigt und das Gesicht ("mit der dämlichen Schnute", erklärte Einer auf nicht-portugiesisch) in schmerzlichem, meinetwegen auch dämlichem Mienenspiel erstarrt -- ich glaube, man würde mehr doch als durch einen Hasen an eine hässliche Miniatur-Menschengestalt erinnert werden. Wirkungsvoller freilich ist der Eindruck, wenn der umhergereichte "Spiessgesell" mit Kopf und Armen schlenkert und so auch einige der von Brehm geforderten Bewegungen wenigstens passiv zum Besten giebt. Die Indianer brachten den Affen mit Haut und Haar auf das Feuer, und auch hier habe ich den Vergleich vermerkt "wie eine schauderhafte Kindermumie". Das Fleisch fanden wir zäh, doch saftig, den Geschmack nach verschwalktem, schlecht bereitetem Rindfleisch; es empfahl sich, den Affen angebraten während der Nacht stehen zu lassen und am nächsten Morgen zu kochen.
Unser Urteil über den Tapir lautete: er verdient gegessen zu werden, er bedarf einer pfeffrigen Brühe und ist nicht zart. Als bestes Stück gilt der Rüssel. Vortrefflich ist, wie wohl bei allen grossen Landsäugetieren, die frisch gebratene Leber, die schnell und gut am Spiess herzurichten Vogels Spezialität war. Des Wildschweins Geschmack ist sehr verschieden von dem des unsern, es ist auch weisslich wie Kalbfleisch. Auf unserm berüchtigten "Bienenpouso" brach eine Herde von etwa 60 Stück dicht an dem Lagerplatz vorbei; der tollen Jagd, die sich im Augenblick unter grosser Verwirrung und fürchterlichem Hundegeheul entwickelte, fielen vier Eber und eine Sau zum Opfer. Es wurde ein mächtiger horizontaler, 1/2 m über dem Boden stehender Holzrost, das von den Indianern übernommene "Moquem", errichtet, auf dem die grossen Stücke geröstet wurden ("moqueados"), während das Filet am Spiess gebraten und Leber, Herz, Nieren mit Speck gekocht wurden.
Reh und Hirsch, "veado" und "cervo", schmeckten anders als bei uns. Zuweilen war die Hirschkeule ganz vorzüglich, im Aussehen einem kleinen Kalbs- braten gleichend, von Geschmack aber feiner und zarter. Wir hatten es mit den beiden Arten des Pampashirsches (Cervus campestris) und des Kamprehs (Cervus simplicicornis) zu thun. Ihr Wildpret war uns stets sehr willkommen, ausge- nommen das des mehr oder minder erwachsenen Hirsches. Der Geschmack und Geruch seines Fleisches hat viel von Knoblauch an sich und ist leider sehr nachhaltig; der Braten blieb uns bis zur Rückreise, wo wir in der Not auch einen alten stinkenden Bock recht hochzuschätzen lernten, ein Ding des Abscheus. Selbst das Fell behält die "Catinga", wie in Brasilien allgemein mit dem Tupi- wort die Ausdünstung der Neger, Füchse, Böcke u. s. w. genannt wird. Die Rehe jenseit des Paranatinga waren noch frei von Menschenfurcht; 30 Schritt voraus blieben sie stehen und betrachteten uns neugierig, ein angeschossenes Tier machte sich auf den Trab, hielt aber auf 40 Schritt wieder ruhig an und leckte sich das Blut ab.
Jaguarfleisch, das uns 1884 wie fettes Schweinefleisch vortrefflich mundete, haben wir 1887 nicht genossen. Den Ameisenbär verachteten wir ob seines
und versengten Kopf zur Seite geneigt und das Gesicht (»mit der dämlichen Schnute«, erklärte Einer auf nicht-portugiesisch) in schmerzlichem, meinetwegen auch dämlichem Mienenspiel erstarrt — ich glaube, man würde mehr doch als durch einen Hasen an eine hässliche Miniatur-Menschengestalt erinnert werden. Wirkungsvoller freilich ist der Eindruck, wenn der umhergereichte »Spiessgesell« mit Kopf und Armen schlenkert und so auch einige der von Brehm geforderten Bewegungen wenigstens passiv zum Besten giebt. Die Indianer brachten den Affen mit Haut und Haar auf das Feuer, und auch hier habe ich den Vergleich vermerkt »wie eine schauderhafte Kindermumie«. Das Fleisch fanden wir zäh, doch saftig, den Geschmack nach verschwalktem, schlecht bereitetem Rindfleisch; es empfahl sich, den Affen angebraten während der Nacht stehen zu lassen und am nächsten Morgen zu kochen.
Unser Urteil über den Tapir lautete: er verdient gegessen zu werden, er bedarf einer pfeffrigen Brühe und ist nicht zart. Als bestes Stück gilt der Rüssel. Vortrefflich ist, wie wohl bei allen grossen Landsäugetieren, die frisch gebratene Leber, die schnell und gut am Spiess herzurichten Vogels Spezialität war. Des Wildschweins Geschmack ist sehr verschieden von dem des unsern, es ist auch weisslich wie Kalbfleisch. Auf unserm berüchtigten »Bienenpouso« brach eine Herde von etwa 60 Stück dicht an dem Lagerplatz vorbei; der tollen Jagd, die sich im Augenblick unter grosser Verwirrung und fürchterlichem Hundegeheul entwickelte, fielen vier Eber und eine Sau zum Opfer. Es wurde ein mächtiger horizontaler, ½ m über dem Boden stehender Holzrost, das von den Indianern übernommene »Moquem«, errichtet, auf dem die grossen Stücke geröstet wurden (»moqueados«), während das Filet am Spiess gebraten und Leber, Herz, Nieren mit Speck gekocht wurden.
Reh und Hirsch, »veado« und »cervo«, schmeckten anders als bei uns. Zuweilen war die Hirschkeule ganz vorzüglich, im Aussehen einem kleinen Kalbs- braten gleichend, von Geschmack aber feiner und zarter. Wir hatten es mit den beiden Arten des Pampashirsches (Cervus campestris) und des Kamprehs (Cervus simplicicornis) zu thun. Ihr Wildpret war uns stets sehr willkommen, ausge- nommen das des mehr oder minder erwachsenen Hirsches. Der Geschmack und Geruch seines Fleisches hat viel von Knoblauch an sich und ist leider sehr nachhaltig; der Braten blieb uns bis zur Rückreise, wo wir in der Not auch einen alten stinkenden Bock recht hochzuschätzen lernten, ein Ding des Abscheus. Selbst das Fell behält die »Catinga«, wie in Brasilien allgemein mit dem Tupí- wort die Ausdünstung der Neger, Füchse, Böcke u. s. w. genannt wird. Die Rehe jenseit des Paranatinga waren noch frei von Menschenfurcht; 30 Schritt voraus blieben sie stehen und betrachteten uns neugierig, ein angeschossenes Tier machte sich auf den Trab, hielt aber auf 40 Schritt wieder ruhig an und leckte sich das Blut ab.
Jaguarfleisch, das uns 1884 wie fettes Schweinefleisch vortrefflich mundete, haben wir 1887 nicht genossen. Den Ameisenbär verachteten wir ob seines
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auch dämlichem Mienenspiel erstarrt — ich glaube, man würde mehr doch als
durch einen Hasen an eine hässliche Miniatur-Menschengestalt erinnert werden.
Wirkungsvoller freilich ist der Eindruck, wenn der umhergereichte »Spiessgesell«
mit Kopf und Armen schlenkert und so auch einige der von Brehm geforderten
Bewegungen wenigstens passiv zum Besten giebt. Die Indianer brachten den
Affen mit Haut und Haar auf das Feuer, und auch hier habe ich den Vergleich
vermerkt »wie eine schauderhafte Kindermumie«. Das Fleisch fanden wir zäh,
doch saftig, den Geschmack nach verschwalktem, schlecht bereitetem Rindfleisch;
es empfahl sich, den Affen angebraten während der Nacht stehen zu lassen und
am nächsten Morgen zu kochen.
Unser Urteil über den Tapir lautete: er verdient gegessen zu werden, er
bedarf einer pfeffrigen Brühe und ist nicht zart. Als bestes Stück gilt der Rüssel.
Vortrefflich ist, wie wohl bei allen grossen Landsäugetieren, die frisch gebratene
Leber, die schnell und gut am Spiess herzurichten Vogels Spezialität war. Des
Wildschweins Geschmack ist sehr verschieden von dem des unsern, es ist auch
weisslich wie Kalbfleisch. Auf unserm berüchtigten »Bienenpouso« brach eine
Herde von etwa 60 Stück dicht an dem Lagerplatz vorbei; der tollen Jagd, die
sich im Augenblick unter grosser Verwirrung und fürchterlichem Hundegeheul
entwickelte, fielen vier Eber und eine Sau zum Opfer. Es wurde ein mächtiger
horizontaler, ½ m über dem Boden stehender Holzrost, das von den Indianern
übernommene »Moquem«, errichtet, auf dem die grossen Stücke geröstet wurden
(»moqueados«), während das Filet am Spiess gebraten und Leber, Herz, Nieren
mit Speck gekocht wurden.
Reh und Hirsch, »veado« und »cervo«, schmeckten anders als bei uns.
Zuweilen war die Hirschkeule ganz vorzüglich, im Aussehen einem kleinen Kalbs-
braten gleichend, von Geschmack aber feiner und zarter. Wir hatten es mit den
beiden Arten des Pampashirsches (Cervus campestris) und des Kamprehs (Cervus
simplicicornis) zu thun. Ihr Wildpret war uns stets sehr willkommen, ausge-
nommen das des mehr oder minder erwachsenen Hirsches. Der Geschmack
und Geruch seines Fleisches hat viel von Knoblauch an sich und ist leider sehr
nachhaltig; der Braten blieb uns bis zur Rückreise, wo wir in der Not auch einen
alten stinkenden Bock recht hochzuschätzen lernten, ein Ding des Abscheus.
Selbst das Fell behält die »Catinga«, wie in Brasilien allgemein mit dem Tupí-
wort die Ausdünstung der Neger, Füchse, Böcke u. s. w. genannt wird. Die
Rehe jenseit des Paranatinga waren noch frei von Menschenfurcht; 30 Schritt
voraus blieben sie stehen und betrachteten uns neugierig, ein angeschossenes Tier
machte sich auf den Trab, hielt aber auf 40 Schritt wieder ruhig an und leckte
sich das Blut ab.
Jaguarfleisch, das uns 1884 wie fettes Schweinefleisch vortrefflich mundete,
haben wir 1887 nicht genossen. Den Ameisenbär verachteten wir ob seines
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/63>, abgerufen am 27.11.2024.
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