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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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im Osten von dem baruparu-Fluss (vgl. Seite 513) auf die Erde und gelangten
an den S. Lourenco. Mehr habe ich nicht erfahren können. Clemente war
hier ganz unbrauchbar, er selbst wusste nichts und legte sich nach seinen Kennt-
nissen von Brasilien jene Angaben so zurecht, dass die Bororo von Rio de Janeiro
kämen. Soviel ich verstehen konnte, wohnten die Bororo seit der Zeit, dass
sie den Himmel verlassen haben, an Quellflüssen des S. Lourenco und hat jene
Herkunft aus dem Osten nichts mit Stammeswanderungen zu thun, sondern ist
wieder nur das Ergebnis der sehr natürlichen Ueberlegung, dass die Sonne im
Besitz der ältesten Leute war und dass die ältesten Leute deshalb auch dort
gewohnt haben, wo die Sonne herkommt.

Moguyokuri e muito crianca "ist das reine Kind", erklärte Clemente, der wisse
nichts, und dem entsprach auch die Thatsache, dass der Häuptling seinen Gross-
vater, wie er mir angab, nicht mehr gekannt hatte. Ein uralter Greis, der wirklich
über die Schöpfung der Welt etwas wisse -- denn er habe das Nähere noch
von seinem Grossvater gehört, der selbst dabei gewesen sei -- dieser
kostbare Gewährsmann war unglücklicher Weise auf Jagd abwesend.

Selbst die Auskunft über andere Stämme, mit denen die Bororo in Be-
rührung ständen, war äusserst mager und beschränkte sich auf einige Angaben
über die Kayapo, die glatte, kurze, aber sehr starke und harte Bogen, ziemlich
kleine Pfeile aus Tacoarasinha mit angenähten Federn und zwei eisernen Wider-
haken, sowie eine flache, 1 m lange, an einer Schnur um den Hals getragene
keule aus Seribapalmholz von fischähnlicher Form hätten.

Doch gab es ausser ihnen noch merkwürdige Nachbarn in dem Stamm der
Rarai, auch baredyeragudo genannt. Man sieht sie nur zu zweien oder dreien,
nur des Nachts; sie tragen Basttuch und sind schwärzlich, niemals von heller
Hautfarbe. Es sind Affen. Sie haben Bororo an dem und dem Orte zu Boden
geworfen und sind weggelaufen. Clemente -- und das ist deshalb nicht wertlos,
weil er genau die Angaben der Indianer selbst wiederholte -- schwor Stein und
Bein darauf, die Rarai seien Affen; Pfeile hätten sie nicht, sie griffen Steine
oder Holz zum Werfen vom Boden auf und hätten namentlich auch garruchas,
-- "Pistolen", wie sie die brasilischen Kameraden und deshalb auch die Neger
und die flüchtigen Sklaven (vgl. z. B. unser Liebespaar Seite 23) ganz allgemein
besassen. "Es sind Affen, und sie schiessen mit Pistolen?" "Ja, es sind Affen
mit eisernen Pistolen." Der Neger hat mithin die angenehme Wahl, als ein
Affe oder als ein schwarzer Aasgeier zu gelten. Aber man muss es sich immer
wieder vorhalten und klar machen, es giebt hier keine Grenze zwischen Mensch
und Tier und auch der Besitz eines Kulturgeräts will nicht das Geringste be-
sagen. Wenn die Affen Pistolen haben, so kann man doch nicht sagen, dass
sie sie nicht haben.

Sprache. Das bei den Bororo gesammelte linguistische Material, das
vielleicht ausreichen wird, um wenigstens die wichtigsten grammatischen Umrisse
festzulegen, ist noch nicht bearbeitet. Bisher habe ich auch keine sprachliche

im Osten von dem baruparu-Fluss (vgl. Seite 513) auf die Erde und gelangten
an den S. Lourenço. Mehr habe ich nicht erfahren können. Clemente war
hier ganz unbrauchbar, er selbst wusste nichts und legte sich nach seinen Kennt-
nissen von Brasilien jene Angaben so zurecht, dass die Bororó von Rio de Janeiro
kämen. Soviel ich verstehen konnte, wohnten die Bororó seit der Zeit, dass
sie den Himmel verlassen haben, an Quellflüssen des S. Lourenço und hat jene
Herkunft aus dem Osten nichts mit Stammeswanderungen zu thun, sondern ist
wieder nur das Ergebnis der sehr natürlichen Ueberlegung, dass die Sonne im
Besitz der ältesten Leute war und dass die ältesten Leute deshalb auch dort
gewohnt haben, wo die Sonne herkommt.

Moguyokuri é muito criança »ist das reine Kind«, erklärte Clemente, der wisse
nichts, und dem entsprach auch die Thatsache, dass der Häuptling seinen Gross-
vater, wie er mir angab, nicht mehr gekannt hatte. Ein uralter Greis, der wirklich
über die Schöpfung der Welt etwas wisse — denn er habe das Nähere noch
von seinem Grossvater gehört, der selbst dabei gewesen sei — dieser
kostbare Gewährsmann war unglücklicher Weise auf Jagd abwesend.

Selbst die Auskunft über andere Stämme, mit denen die Bororó in Be-
rührung ständen, war äusserst mager und beschränkte sich auf einige Angaben
über die Kayapó, die glatte, kurze, aber sehr starke und harte Bogen, ziemlich
kleine Pfeile aus Tacoarasinha mit angenähten Federn und zwei eisernen Wider-
haken, sowie eine flache, 1 m lange, an einer Schnur um den Hals getragene
keule aus Seribapalmholz von fischähnlicher Form hätten.

Doch gab es ausser ihnen noch merkwürdige Nachbarn in dem Stamm der
Rarái, auch baredyeragúdo genannt. Man sieht sie nur zu zweien oder dreien,
nur des Nachts; sie tragen Basttuch und sind schwärzlich, niemals von heller
Hautfarbe. Es sind Affen. Sie haben Bororó an dem und dem Orte zu Boden
geworfen und sind weggelaufen. Clemente — und das ist deshalb nicht wertlos,
weil er genau die Angaben der Indianer selbst wiederholte — schwor Stein und
Bein darauf, die Rarái seien Affen; Pfeile hätten sie nicht, sie griffen Steine
oder Holz zum Werfen vom Boden auf und hätten namentlich auch garruchas,
— »Pistolen«, wie sie die brasilischen Kameraden und deshalb auch die Neger
und die flüchtigen Sklaven (vgl. z. B. unser Liebespaar Seite 23) ganz allgemein
besassen. »Es sind Affen, und sie schiessen mit Pistolen?« »Ja, es sind Affen
mit eisernen Pistolen.« Der Neger hat mithin die angenehme Wahl, als ein
Affe oder als ein schwarzer Aasgeier zu gelten. Aber man muss es sich immer
wieder vorhalten und klar machen, es giebt hier keine Grenze zwischen Mensch
und Tier und auch der Besitz eines Kulturgeräts will nicht das Geringste be-
sagen. Wenn die Affen Pistolen haben, so kann man doch nicht sagen, dass
sie sie nicht haben.

Sprache. Das bei den Bororó gesammelte linguistische Material, das
vielleicht ausreichen wird, um wenigstens die wichtigsten grammatischen Umrisse
festzulegen, ist noch nicht bearbeitet. Bisher habe ich auch keine sprachliche

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[516/0592] im Osten von dem baruparu-Fluss (vgl. Seite 513) auf die Erde und gelangten an den S. Lourenço. Mehr habe ich nicht erfahren können. Clemente war hier ganz unbrauchbar, er selbst wusste nichts und legte sich nach seinen Kennt- nissen von Brasilien jene Angaben so zurecht, dass die Bororó von Rio de Janeiro kämen. Soviel ich verstehen konnte, wohnten die Bororó seit der Zeit, dass sie den Himmel verlassen haben, an Quellflüssen des S. Lourenço und hat jene Herkunft aus dem Osten nichts mit Stammeswanderungen zu thun, sondern ist wieder nur das Ergebnis der sehr natürlichen Ueberlegung, dass die Sonne im Besitz der ältesten Leute war und dass die ältesten Leute deshalb auch dort gewohnt haben, wo die Sonne herkommt. Moguyokuri é muito criança »ist das reine Kind«, erklärte Clemente, der wisse nichts, und dem entsprach auch die Thatsache, dass der Häuptling seinen Gross- vater, wie er mir angab, nicht mehr gekannt hatte. Ein uralter Greis, der wirklich über die Schöpfung der Welt etwas wisse — denn er habe das Nähere noch von seinem Grossvater gehört, der selbst dabei gewesen sei — dieser kostbare Gewährsmann war unglücklicher Weise auf Jagd abwesend. Selbst die Auskunft über andere Stämme, mit denen die Bororó in Be- rührung ständen, war äusserst mager und beschränkte sich auf einige Angaben über die Kayapó, die glatte, kurze, aber sehr starke und harte Bogen, ziemlich kleine Pfeile aus Tacoarasinha mit angenähten Federn und zwei eisernen Wider- haken, sowie eine flache, 1 m lange, an einer Schnur um den Hals getragene keule aus Seribapalmholz von fischähnlicher Form hätten. Doch gab es ausser ihnen noch merkwürdige Nachbarn in dem Stamm der Rarái, auch baredyeragúdo genannt. Man sieht sie nur zu zweien oder dreien, nur des Nachts; sie tragen Basttuch und sind schwärzlich, niemals von heller Hautfarbe. Es sind Affen. Sie haben Bororó an dem und dem Orte zu Boden geworfen und sind weggelaufen. Clemente — und das ist deshalb nicht wertlos, weil er genau die Angaben der Indianer selbst wiederholte — schwor Stein und Bein darauf, die Rarái seien Affen; Pfeile hätten sie nicht, sie griffen Steine oder Holz zum Werfen vom Boden auf und hätten namentlich auch garruchas, — »Pistolen«, wie sie die brasilischen Kameraden und deshalb auch die Neger und die flüchtigen Sklaven (vgl. z. B. unser Liebespaar Seite 23) ganz allgemein besassen. »Es sind Affen, und sie schiessen mit Pistolen?« »Ja, es sind Affen mit eisernen Pistolen.« Der Neger hat mithin die angenehme Wahl, als ein Affe oder als ein schwarzer Aasgeier zu gelten. Aber man muss es sich immer wieder vorhalten und klar machen, es giebt hier keine Grenze zwischen Mensch und Tier und auch der Besitz eines Kulturgeräts will nicht das Geringste be- sagen. Wenn die Affen Pistolen haben, so kann man doch nicht sagen, dass sie sie nicht haben. Sprache. Das bei den Bororó gesammelte linguistische Material, das vielleicht ausreichen wird, um wenigstens die wichtigsten grammatischen Umrisse festzulegen, ist noch nicht bearbeitet. Bisher habe ich auch keine sprachliche

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/592>, abgerufen am 22.11.2024.