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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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sei. Als Ohrschmuck wurde -- jetzt nicht mehr, zur Zeit der Grossväter -- ein
dreieckiges Stück schwarzer Kokosschale getragen (hohoro). Die Nasenscheide-
wand
war bei einigen Männern zur Aufnahme einer Tukan- oder Ararafeder
durchbohrt. Die Lippe wird und wurde niemals durchbohrt.

Tätowierung (nohotö) war bei einigen Männern auf Oberarm und Ober-
schenkel in Gestalt von zwei queren Bogenstückchen nur schlecht erkennbar vor-
handen. Die Frauen sind es, die tätowieren. Sie nehmen dazu einen Gravata-
dorn (Bromelia) und Genipapotinte oder den Extrakt des Pauablattes. Auch bei
einer Frau fand sich eine Strichzeichnung oberhalb des Knies.

Statt der von Antonio Pires noch beschriebenen Hüftschnur trugen die
Männer ein aus importirtem buntem Baumwollfaden fest gewebtes, 1,5 bis 3,5 cm
breites Gürtelband oder Perlschnüre (kunokua). Das Penis wurde hinter
das Kunokua hinauf geschlagen getragen; zum Schutz gegen die Reibung
des Bandes oder der Schnur wurde zwischen ihn und letztere ein vier-
eckiges, gewebtes und rot gestreiftes
Läppchen (8 x 10 cm) gelegt, das zur
Hälfte um die Schnur geklappt wurde
(daihasö). Wie die Abbildung 124 zeigt,
wurde das Scrotum und die Wurzel des
Penis durch den Lappen nicht verhüllt.
Es muss hierauf besonders hingewiesen
werden, weil z. B. auch ein Paressi-Indianer
(wie viele andere) in der "Revista da
exposicao anthropologica" (Rio de Janeiro

[Abbildung]
[Abbildung] [Abbildung] Abb. 124.

Daihasö. (Paressi).


1882) p. 85 dem Leser zuliebe mit einem vollständigen Suspensorium dargestellt
ist. Ueberhaupt wird diese Rücksicht auf uns zum Nachteil der Genauigkeit, die
Wirklichkeit entstellend, vielfach, zumal in den Abbildungen, betreffs der bra-
silischen Ureinwohner geübt, wie Jedem, der den Gegenstand eingehender ver-
folgt, in den Reisewerken auffallen wird -- daher denn irrige Vorstellungen über
das Schamgefühl der Eingeborenen unvermeidlich sind. Widersprüche zwischen
Text und Illustrationen sind sehr gewöhnlich.

Die Frauen, die sich ohne Umstände ihrer brasilischen Kleidung entledigten,
trugen unter dieser eine eng gewebte, rot gefärbte "Leibbinde" von 30 cm
Breite. Nur sass diese Leibbinde tief unterhalb des Nabels, den Bauch ganz
freilassend, seitlich abwärts des Darmbeinkamms und vorn so tief, dass sie knapp,
aber straff schliessend, kaum den Mons veneris bedeckte. Sie reichte über den
halben Oberschenkel hinunter und wurde nur dadurch, dass sie elastisch war und
festgespannt anlag, am Abrutschen verhindert. Es ist nicht genau zu verstehen,
wie die "tipoinha" des Antonio Pires beschaffen war; nach dem Tupiwort und
der Angabe, dass sie mit bunten Federn verziert war, zu urteilen, ist sie eine
Art mit Federn versehenen Netzes gewesen. Heute ist jedenfalls im Gegensatz
zur Schingutracht eine Hülle vorhanden, ein Kleidungsstück in unserm Sinn. Hier

sei. Als Ohrschmuck wurde — jetzt nicht mehr, zur Zeit der Grossväter — ein
dreieckiges Stück schwarzer Kokosschale getragen (hohoró). Die Nasenscheide-
wand
war bei einigen Männern zur Aufnahme einer Tukan- oder Ararafeder
durchbohrt. Die Lippe wird und wurde niemals durchbohrt.

Tätowierung (nohotö́) war bei einigen Männern auf Oberarm und Ober-
schenkel in Gestalt von zwei queren Bogenstückchen nur schlecht erkennbar vor-
handen. Die Frauen sind es, die tätowieren. Sie nehmen dazu einen Gravatá-
dorn (Bromelia) und Genipapotinte oder den Extrakt des Pauablattes. Auch bei
einer Frau fand sich eine Strichzeichnung oberhalb des Knies.

Statt der von Antonio Pires noch beschriebenen Hüftschnur trugen die
Männer ein aus importirtem buntem Baumwollfaden fest gewebtes, 1,5 bis 3,5 cm
breites Gürtelband oder Perlschnüre (kunokuá). Das Penis wurde hinter
das Kunokuá hinauf geschlagen getragen; zum Schutz gegen die Reibung
des Bandes oder der Schnur wurde zwischen ihn und letztere ein vier-
eckiges, gewebtes und rot gestreiftes
Läppchen (8 × 10 cm) gelegt, das zur
Hälfte um die Schnur geklappt wurde
(daihasö́). Wie die Abbildung 124 zeigt,
wurde das Scrotum und die Wurzel des
Penis durch den Lappen nicht verhüllt.
Es muss hierauf besonders hingewiesen
werden, weil z. B. auch ein Paressí-Indianer
(wie viele andere) in der »Revista da
exposicão anthropologica« (Rio de Janeiro

[Abbildung]
[Abbildung] [Abbildung] Abb. 124.

Daihasö́. (Paressí).


1882) p. 85 dem Leser zuliebe mit einem vollständigen Suspensorium dargestellt
ist. Ueberhaupt wird diese Rücksicht auf uns zum Nachteil der Genauigkeit, die
Wirklichkeit entstellend, vielfach, zumal in den Abbildungen, betreffs der bra-
silischen Ureinwohner geübt, wie Jedem, der den Gegenstand eingehender ver-
folgt, in den Reisewerken auffallen wird — daher denn irrige Vorstellungen über
das Schamgefühl der Eingeborenen unvermeidlich sind. Widersprüche zwischen
Text und Illustrationen sind sehr gewöhnlich.

Die Frauen, die sich ohne Umstände ihrer brasilischen Kleidung entledigten,
trugen unter dieser eine eng gewebte, rot gefärbte »Leibbinde« von 30 cm
Breite. Nur sass diese Leibbinde tief unterhalb des Nabels, den Bauch ganz
freilassend, seitlich abwärts des Darmbeinkamms und vorn so tief, dass sie knapp,
aber straff schliessend, kaum den Mons veneris bedeckte. Sie reichte über den
halben Oberschenkel hinunter und wurde nur dadurch, dass sie elastisch war und
festgespannt anlag, am Abrutschen verhindert. Es ist nicht genau zu verstehen,
wie die »tipoinha« des Antonio Pires beschaffen war; nach dem Tupíwort und
der Angabe, dass sie mit bunten Federn verziert war, zu urteilen, ist sie eine
Art mit Federn versehenen Netzes gewesen. Heute ist jedenfalls im Gegensatz
zur Schingútracht eine Hülle vorhanden, ein Kleidungsstück in unserm Sinn. Hier

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[431/0495] sei. Als Ohrschmuck wurde — jetzt nicht mehr, zur Zeit der Grossväter — ein dreieckiges Stück schwarzer Kokosschale getragen (hohoró). Die Nasenscheide- wand war bei einigen Männern zur Aufnahme einer Tukan- oder Ararafeder durchbohrt. Die Lippe wird und wurde niemals durchbohrt. Tätowierung (nohotö́) war bei einigen Männern auf Oberarm und Ober- schenkel in Gestalt von zwei queren Bogenstückchen nur schlecht erkennbar vor- handen. Die Frauen sind es, die tätowieren. Sie nehmen dazu einen Gravatá- dorn (Bromelia) und Genipapotinte oder den Extrakt des Pauablattes. Auch bei einer Frau fand sich eine Strichzeichnung oberhalb des Knies. Statt der von Antonio Pires noch beschriebenen Hüftschnur trugen die Männer ein aus importirtem buntem Baumwollfaden fest gewebtes, 1,5 bis 3,5 cm breites Gürtelband oder Perlschnüre (kunokuá). Das Penis wurde hinter das Kunokuá hinauf geschlagen getragen; zum Schutz gegen die Reibung des Bandes oder der Schnur wurde zwischen ihn und letztere ein vier- eckiges, gewebtes und rot gestreiftes Läppchen (8 × 10 cm) gelegt, das zur Hälfte um die Schnur geklappt wurde (daihasö́). Wie die Abbildung 124 zeigt, wurde das Scrotum und die Wurzel des Penis durch den Lappen nicht verhüllt. Es muss hierauf besonders hingewiesen werden, weil z. B. auch ein Paressí-Indianer (wie viele andere) in der »Revista da exposicão anthropologica« (Rio de Janeiro [Abbildung] [Abbildung] [Abbildung Abb. 124. Daihasö́. (Paressí).] 1882) p. 85 dem Leser zuliebe mit einem vollständigen Suspensorium dargestellt ist. Ueberhaupt wird diese Rücksicht auf uns zum Nachteil der Genauigkeit, die Wirklichkeit entstellend, vielfach, zumal in den Abbildungen, betreffs der bra- silischen Ureinwohner geübt, wie Jedem, der den Gegenstand eingehender ver- folgt, in den Reisewerken auffallen wird — daher denn irrige Vorstellungen über das Schamgefühl der Eingeborenen unvermeidlich sind. Widersprüche zwischen Text und Illustrationen sind sehr gewöhnlich. Die Frauen, die sich ohne Umstände ihrer brasilischen Kleidung entledigten, trugen unter dieser eine eng gewebte, rot gefärbte »Leibbinde« von 30 cm Breite. Nur sass diese Leibbinde tief unterhalb des Nabels, den Bauch ganz freilassend, seitlich abwärts des Darmbeinkamms und vorn so tief, dass sie knapp, aber straff schliessend, kaum den Mons veneris bedeckte. Sie reichte über den halben Oberschenkel hinunter und wurde nur dadurch, dass sie elastisch war und festgespannt anlag, am Abrutschen verhindert. Es ist nicht genau zu verstehen, wie die »tipoinha« des Antonio Pires beschaffen war; nach dem Tupíwort und der Angabe, dass sie mit bunten Federn verziert war, zu urteilen, ist sie eine Art mit Federn versehenen Netzes gewesen. Heute ist jedenfalls im Gegensatz zur Schingútracht eine Hülle vorhanden, ein Kleidungsstück in unserm Sinn. Hier

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/495>, abgerufen am 25.11.2024.