hätten sich aus Furcht vor den Kayabi wieder zurückbegeben. Die Kayabi seien im Besitz der Steinbeile gewesen und das habe Anlass zu Streitigkeiten geboten.
Von Zusammenstössen aus jüngerer Zeit wurde mir Genaueres berichtet. Die Kayabi haben den Vater des Felipe getötet, sie griffen zur Nacht an und nahmen auch ein Kind mit. Antonio's Grossvater, Vater und Oheim drangen bis zur Mündung des Rio Verde vor; die Kayabi waren dort auf der Jagd und suchten Muscheln. Die Bakairi kamen Nachmittags an und hielten sich vorsichtig zurück, aber früh am Morgen, als die Kayabi noch in der Hängematte lagen, machten sie einen Ueberfall und töteten zwei, während die Andern davonliefen. Die Kayabi waren mit Arimesca-Oel (aus einer Schlingpflanze) und Uruku eingerieben und stanken wie der Teufel. Sie hatten Kürbisschalen bei sich, eine andere Art Uruku, Bogen und Pfeile. Im Paranatingadorf fanden wir 1884 zwei Kayabi- frauen, die leider kein Wort ihrer Muttersprache mehr wussten, Maria und Luisa Kayabi*). Einige zwanzig Bakairi hatten den Raubzug an die Mündung des Rio Verde unternommen und die beiden kleinen Mädchen eingefangen nebst einer Schwester von Luisa, die aber so heftig um sich biss, dass sie getötet werden musste.
Wenn ich also neben der Lesart, dass Zwistigkeiten unter den Bakairi selbst einen Exodus nach dem Schingu veranlasst haben, auch die andere empfing, dass eine Anzahl Bakairi vor den Kayabi dorthin geflohen seien, so ist es ja wohl möglich, dass beide berechtigt sind und sich auf verschiedene Ge- legenheiten beziehen.
Eine Verschiebung in gleicher Richtung, die mich nicht wenig überraschen musste, wurde mir für die Suya berichtet. Die Suya, die wir 1884 am Ober- lauf des Schingu gefunden haben, sind ein echter Ges-Stamm und sprachlich den Apinages der Provinz Goyaz zwischen Tocantins und Araguay am nächsten ver- wandt. Sie hätten ebenfalls am Rio Verde westlich vom Paranatinga gewohnt und seien von dem nahen Arinos dorthin gekommen. Sie müssten also, da wir an ihrem östlichen Ursprung festhalten dürfen, zuerst über den Schingu und Paranatinga hinüber nach Westen verschlagen worden sein und dann eine rück- läufige Bewegung gemacht haben. Die Bakairi erzählen, dass sie sich mit den Kayapo, die ausgezeichnete Schützen wären, verbündet und die Suya aus der Nachbarschaft am Rio Verde vertrieben hätten. Eine Menge Suya seien getötet worden, und der Stamm habe sich an den Schingu geflüchtet. Hyacintho, der älteste Indianer des Rio Novodorfes, sei mit Antonio's Grossvater noch Teilnehmer des Kampfes gewesen, sodass die Begebenheit frühestens in das erste Viertel unseres Jahrhunderts fiele.
Im Süden und Südosten sind die Westbakairi in anscheinend freundlichem Verkehr mit dem Ges-Stamm der Kayapo gewesen. Aus brasilischen Quellen, die aber überhaupt die Ausdehnung dieses Stammes unterschätzen, ist nichts da-
*) Vgl. "Durch Centralbrasilien" p. 283 und die Körpermessungen Tabelle hinter Seite 364. Hier irrtümlich Cajibi geschrieben.
hätten sich aus Furcht vor den Kayabí wieder zurückbegeben. Die Kayabí seien im Besitz der Steinbeile gewesen und das habe Anlass zu Streitigkeiten geboten.
Von Zusammenstössen aus jüngerer Zeit wurde mir Genaueres berichtet. Die Kayabí haben den Vater des Felipe getötet, sie griffen zur Nacht an und nahmen auch ein Kind mit. Antonio’s Grossvater, Vater und Oheim drangen bis zur Mündung des Rio Verde vor; die Kayabí waren dort auf der Jagd und suchten Muscheln. Die Bakaïrí kamen Nachmittags an und hielten sich vorsichtig zurück, aber früh am Morgen, als die Kayabí noch in der Hängematte lagen, machten sie einen Ueberfall und töteten zwei, während die Andern davonliefen. Die Kayabí waren mit Arimesca-Oel (aus einer Schlingpflanze) und Urukú eingerieben und stanken wie der Teufel. Sie hatten Kürbisschalen bei sich, eine andere Art Urukú, Bogen und Pfeile. Im Paranatingadorf fanden wir 1884 zwei Kayabí- frauen, die leider kein Wort ihrer Muttersprache mehr wussten, Maria und Luisa Kayabí*). Einige zwanzig Bakaïrí hatten den Raubzug an die Mündung des Rio Verde unternommen und die beiden kleinen Mädchen eingefangen nebst einer Schwester von Luisa, die aber so heftig um sich biss, dass sie getötet werden musste.
Wenn ich also neben der Lesart, dass Zwistigkeiten unter den Bakaïrí selbst einen Exodus nach dem Schingú veranlasst haben, auch die andere empfing, dass eine Anzahl Bakaïrí vor den Kayabí dorthin geflohen seien, so ist es ja wohl möglich, dass beide berechtigt sind und sich auf verschiedene Ge- legenheiten beziehen.
Eine Verschiebung in gleicher Richtung, die mich nicht wenig überraschen musste, wurde mir für die Suyá berichtet. Die Suyá, die wir 1884 am Ober- lauf des Schingú gefunden haben, sind ein echter Gēs-Stamm und sprachlich den Apinagēs der Provinz Goyaz zwischen Tocantins und Araguay am nächsten ver- wandt. Sie hätten ebenfalls am Rio Verde westlich vom Paranatinga gewohnt und seien von dem nahen Arinos dorthin gekommen. Sie müssten also, da wir an ihrem östlichen Ursprung festhalten dürfen, zuerst über den Schingú und Paranatinga hinüber nach Westen verschlagen worden sein und dann eine rück- läufige Bewegung gemacht haben. Die Bakaïrí erzählen, dass sie sich mit den Kayapó, die ausgezeichnete Schützen wären, verbündet und die Suyá aus der Nachbarschaft am Rio Verde vertrieben hätten. Eine Menge Suyá seien getötet worden, und der Stamm habe sich an den Schingú geflüchtet. Hyacintho, der älteste Indianer des Rio Novodorfes, sei mit Antonio’s Grossvater noch Teilnehmer des Kampfes gewesen, sodass die Begebenheit frühestens in das erste Viertel unseres Jahrhunderts fiele.
Im Süden und Südosten sind die Westbakaïrí in anscheinend freundlichem Verkehr mit dem Gēs-Stamm der Kayapó gewesen. Aus brasilischen Quellen, die aber überhaupt die Ausdehnung dieses Stammes unterschätzen, ist nichts da-
*) Vgl. »Durch Centralbrasilien« p. 283 und die Körpermessungen Tabelle hinter Seite 364. Hier irrtümlich Cajibi geschrieben.
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hätten sich aus Furcht vor den Kayabí wieder zurückbegeben. Die Kayabí
seien im Besitz der Steinbeile gewesen und das habe Anlass zu Streitigkeiten
geboten.
Von Zusammenstössen aus jüngerer Zeit wurde mir Genaueres berichtet. Die
Kayabí haben den Vater des Felipe getötet, sie griffen zur Nacht an und nahmen
auch ein Kind mit. Antonio’s Grossvater, Vater und Oheim drangen bis zur
Mündung des Rio Verde vor; die Kayabí waren dort auf der Jagd und suchten
Muscheln. Die Bakaïrí kamen Nachmittags an und hielten sich vorsichtig zurück,
aber früh am Morgen, als die Kayabí noch in der Hängematte lagen, machten
sie einen Ueberfall und töteten zwei, während die Andern davonliefen. Die
Kayabí waren mit Arimesca-Oel (aus einer Schlingpflanze) und Urukú eingerieben
und stanken wie der Teufel. Sie hatten Kürbisschalen bei sich, eine andere Art
Urukú, Bogen und Pfeile. Im Paranatingadorf fanden wir 1884 zwei Kayabí-
frauen, die leider kein Wort ihrer Muttersprache mehr wussten, Maria und Luisa
Kayabí *). Einige zwanzig Bakaïrí hatten den Raubzug an die Mündung des Rio
Verde unternommen und die beiden kleinen Mädchen eingefangen nebst einer
Schwester von Luisa, die aber so heftig um sich biss, dass sie getötet werden musste.
Wenn ich also neben der Lesart, dass Zwistigkeiten unter den Bakaïrí
selbst einen Exodus nach dem Schingú veranlasst haben, auch die andere
empfing, dass eine Anzahl Bakaïrí vor den Kayabí dorthin geflohen seien, so ist
es ja wohl möglich, dass beide berechtigt sind und sich auf verschiedene Ge-
legenheiten beziehen.
Eine Verschiebung in gleicher Richtung, die mich nicht wenig überraschen
musste, wurde mir für die Suyá berichtet. Die Suyá, die wir 1884 am Ober-
lauf des Schingú gefunden haben, sind ein echter Gēs-Stamm und sprachlich den
Apinagēs der Provinz Goyaz zwischen Tocantins und Araguay am nächsten ver-
wandt. Sie hätten ebenfalls am Rio Verde westlich vom Paranatinga gewohnt
und seien von dem nahen Arinos dorthin gekommen. Sie müssten also, da wir
an ihrem östlichen Ursprung festhalten dürfen, zuerst über den Schingú und
Paranatinga hinüber nach Westen verschlagen worden sein und dann eine rück-
läufige Bewegung gemacht haben. Die Bakaïrí erzählen, dass sie sich mit den
Kayapó, die ausgezeichnete Schützen wären, verbündet und die Suyá aus der
Nachbarschaft am Rio Verde vertrieben hätten. Eine Menge Suyá seien getötet
worden, und der Stamm habe sich an den Schingú geflüchtet. Hyacintho, der
älteste Indianer des Rio Novodorfes, sei mit Antonio’s Grossvater noch Teilnehmer
des Kampfes gewesen, sodass die Begebenheit frühestens in das erste Viertel
unseres Jahrhunderts fiele.
Im Süden und Südosten sind die Westbakaïrí in anscheinend freundlichem
Verkehr mit dem Gēs-Stamm der Kayapó gewesen. Aus brasilischen Quellen,
die aber überhaupt die Ausdehnung dieses Stammes unterschätzen, ist nichts da-
*) Vgl. »Durch Centralbrasilien« p. 283 und die Körpermessungen Tabelle hinter Seite 364.
Hier irrtümlich Cajibi geschrieben.
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/457>, abgerufen am 22.11.2024.
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