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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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des Sohnes eines uns bekannten Deutschen in Cuyaba, etwa 8 Jahre -- begaben
sich zu Keri's Paranatinga, der noch geduldig wartete. "Das ist das Wasser,"
sagte Keri, "das wir mitnehmen wollen."

Drei Tage liefen sie mit ihm thalwärts. Da kamen sie zum Salto des
Paranatinga, allein es war noch kein Wasserfall, sondern nur trockener Fels. Sie
selbst brachten jetzt das Wasser zum Salto und liessen es jenseit des Falles
warten. Aber da sie nun hier blieben, liess Keri bald Enten und Tauben kommen
und andere Vögel, die das Wasser mitnahmen und weiterführten.

Haus, Fischfang, Festtänze, Stämme. Am Salto wohnte nämlich Tu-
mehi
oder Tumeng, ein Grossvater von Keri. Er war der Mann von Gross-
mutter oder, wie wir sie bisher genannt haben, Tante Ewaki (Mutter und Tante,
Grosstante und Grossmutter haben gleichen verwandschaftlichen Wert). Tumehi
war eine Fledermaus und hatte ein schwarzgraues Fell. Der alte Caetano
nannte ihm durcheinander Semimo (Bak. semimo Fledermaus) und Rei de Congo!
Den König vom Kongo, einen Begriff, den er der Himmel weiss wie, von Negern
flüchtigen Sklaven oder Arbeitern auf den Fazendas, aufgegriffen und auf den
schwarzen Tumehi übertragen hatte. Tumehi gehört zu der ältesten Sippe der
Kamuschini, Mero und Ewaki, und sein richtigster Name ist wohl Semimo; denn
tumehi, tumeng ist ein Adjektivum. Der Salto war, ehe das Wasser hinkam,
sein steinernes Haus gewesen; wir können uns nicht wundern, dass gerade die
Fledermaus, die in den Felsspalten mit Vorliebe "haust", als der Erbauer der
steinernen Kluft und diese selbst mit dem einen oder andern überhängenden
Felsdach als Haus gilt. Tumehi also war pedreiro, Steinhauer.

Keri und Kame liessen sich von Tumehi auch je ein steinernes Haus machen.
Dieser verschaffte sich die Steine, indem er Termiten anblies: so entstanden
die Steine
.

Allein sie lernten noch Anderes von Tumehi am Salto. Der kundige Gross-
vater zeigte ihnen, wie man Reusen verfertigt und anlegt und darin Matrincham-
Fische fängt, wie man ferner den Bratständer flicht und die Fische brät.

Jetzt sind Keri und Kame so weit, dass sie selbst als erwachsene Menschen
gelten, sie haben Alles erworben, was man gebraucht: Sonne und Mond,
Hängematte und Schlaf, Feuer, den besten Fluss mit dem Salto und seinen
Fischen, Haus und Bratständer. Beginnen musste ihr Leben im Himmel und
fortgeführt ist es nun bis zu dem Zeitpunkt, wo die eigentliche Stammesgeschichte
an dem ältesten Wohnort der Bakairi, am Salto des Paranatinga, anhebt.

Die Bakairi wohnten mit Keri zusammen: Keri's Haus lag auf der öst-
lichen
Seite des Salto. Beide machten auch zusammen einen Hügel auf der
westlichen Seite des Parantinga, von dem man eine weite Umschau hatte.

Kame baute zuerst eine Festhütte und schnitzte zuerst eine Flöte. Er
lud Keri und seine Leute ein. Nach dem Klang der Flöte tanzten Alle, auf-
stampfend und die Arme im Takt schwenkend, von den Wohnhäusern zum
Flötenhaus und wieder zurück. Kame setzte seinen Gästen Pogugetränk und

des Sohnes eines uns bekannten Deutschen in Cuyabá, etwa 8 Jahre — begaben
sich zu Keri’s Paranatinga, der noch geduldig wartete. »Das ist das Wasser,«
sagte Keri, »das wir mitnehmen wollen.«

Drei Tage liefen sie mit ihm thalwärts. Da kamen sie zum Salto des
Paranatinga, allein es war noch kein Wasserfall, sondern nur trockener Fels. Sie
selbst brachten jetzt das Wasser zum Salto und liessen es jenseit des Falles
warten. Aber da sie nun hier blieben, liess Keri bald Enten und Tauben kommen
und andere Vögel, die das Wasser mitnahmen und weiterführten.

Haus, Fischfang, Festtänze, Stämme. Am Salto wohnte nämlich Tu-
mehi
oder Tumeng, ein Grossvater von Keri. Er war der Mann von Gross-
mutter oder, wie wir sie bisher genannt haben, Tante Ewaki (Mutter und Tante,
Grosstante und Grossmutter haben gleichen verwandschaftlichen Wert). Tumehi
war eine Fledermaus und hatte ein schwarzgraues Fell. Der alte Caetano
nannte ihm durcheinander Semimo (Bak. semímo Fledermaus) und Rei de Congo!
Den König vom Kongo, einen Begriff, den er der Himmel weiss wie, von Negern
flüchtigen Sklaven oder Arbeitern auf den Fazendas, aufgegriffen und auf den
schwarzen Tumehi übertragen hatte. Tumehi gehört zu der ältesten Sippe der
Kamuschini, Mero und Ewaki, und sein richtigster Name ist wohl Semimo; denn
tuméhi, tumeng ist ein Adjektivum. Der Salto war, ehe das Wasser hinkam,
sein steinernes Haus gewesen; wir können uns nicht wundern, dass gerade die
Fledermaus, die in den Felsspalten mit Vorliebe »haust«, als der Erbauer der
steinernen Kluft und diese selbst mit dem einen oder andern überhängenden
Felsdach als Haus gilt. Tumehi also war pedreiro, Steinhauer.

Keri und Kame liessen sich von Tumehi auch je ein steinernes Haus machen.
Dieser verschaffte sich die Steine, indem er Termiten anblies: so entstanden
die Steine
.

Allein sie lernten noch Anderes von Tumehi am Salto. Der kundige Gross-
vater zeigte ihnen, wie man Reusen verfertigt und anlegt und darin Matrincham-
Fische fängt, wie man ferner den Bratständer flicht und die Fische brät.

Jetzt sind Keri und Kame so weit, dass sie selbst als erwachsene Menschen
gelten, sie haben Alles erworben, was man gebraucht: Sonne und Mond,
Hängematte und Schlaf, Feuer, den besten Fluss mit dem Salto und seinen
Fischen, Haus und Bratständer. Beginnen musste ihr Leben im Himmel und
fortgeführt ist es nun bis zu dem Zeitpunkt, wo die eigentliche Stammesgeschichte
an dem ältesten Wohnort der Bakaïrí, am Salto des Paranatinga, anhebt.

Die Bakaïrí wohnten mit Keri zusammen: Keri’s Haus lag auf der öst-
lichen
Seite des Salto. Beide machten auch zusammen einen Hügel auf der
westlichen Seite des Parantinga, von dem man eine weite Umschau hatte.

Kame baute zuerst eine Festhütte und schnitzte zuerst eine Flöte. Er
lud Keri und seine Leute ein. Nach dem Klang der Flöte tanzten Alle, auf-
stampfend und die Arme im Takt schwenkend, von den Wohnhäusern zum
Flötenhaus und wieder zurück. Kame setzte seinen Gästen Pogugetränk und

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[378/0442] des Sohnes eines uns bekannten Deutschen in Cuyabá, etwa 8 Jahre — begaben sich zu Keri’s Paranatinga, der noch geduldig wartete. »Das ist das Wasser,« sagte Keri, »das wir mitnehmen wollen.« Drei Tage liefen sie mit ihm thalwärts. Da kamen sie zum Salto des Paranatinga, allein es war noch kein Wasserfall, sondern nur trockener Fels. Sie selbst brachten jetzt das Wasser zum Salto und liessen es jenseit des Falles warten. Aber da sie nun hier blieben, liess Keri bald Enten und Tauben kommen und andere Vögel, die das Wasser mitnahmen und weiterführten. Haus, Fischfang, Festtänze, Stämme. Am Salto wohnte nämlich Tu- mehi oder Tumeng, ein Grossvater von Keri. Er war der Mann von Gross- mutter oder, wie wir sie bisher genannt haben, Tante Ewaki (Mutter und Tante, Grosstante und Grossmutter haben gleichen verwandschaftlichen Wert). Tumehi war eine Fledermaus und hatte ein schwarzgraues Fell. Der alte Caetano nannte ihm durcheinander Semimo (Bak. semímo Fledermaus) und Rei de Congo! Den König vom Kongo, einen Begriff, den er der Himmel weiss wie, von Negern flüchtigen Sklaven oder Arbeitern auf den Fazendas, aufgegriffen und auf den schwarzen Tumehi übertragen hatte. Tumehi gehört zu der ältesten Sippe der Kamuschini, Mero und Ewaki, und sein richtigster Name ist wohl Semimo; denn tuméhi, tumeng ist ein Adjektivum. Der Salto war, ehe das Wasser hinkam, sein steinernes Haus gewesen; wir können uns nicht wundern, dass gerade die Fledermaus, die in den Felsspalten mit Vorliebe »haust«, als der Erbauer der steinernen Kluft und diese selbst mit dem einen oder andern überhängenden Felsdach als Haus gilt. Tumehi also war pedreiro, Steinhauer. Keri und Kame liessen sich von Tumehi auch je ein steinernes Haus machen. Dieser verschaffte sich die Steine, indem er Termiten anblies: so entstanden die Steine. Allein sie lernten noch Anderes von Tumehi am Salto. Der kundige Gross- vater zeigte ihnen, wie man Reusen verfertigt und anlegt und darin Matrincham- Fische fängt, wie man ferner den Bratständer flicht und die Fische brät. Jetzt sind Keri und Kame so weit, dass sie selbst als erwachsene Menschen gelten, sie haben Alles erworben, was man gebraucht: Sonne und Mond, Hängematte und Schlaf, Feuer, den besten Fluss mit dem Salto und seinen Fischen, Haus und Bratständer. Beginnen musste ihr Leben im Himmel und fortgeführt ist es nun bis zu dem Zeitpunkt, wo die eigentliche Stammesgeschichte an dem ältesten Wohnort der Bakaïrí, am Salto des Paranatinga, anhebt. Die Bakaïrí wohnten mit Keri zusammen: Keri’s Haus lag auf der öst- lichen Seite des Salto. Beide machten auch zusammen einen Hügel auf der westlichen Seite des Parantinga, von dem man eine weite Umschau hatte. Kame baute zuerst eine Festhütte und schnitzte zuerst eine Flöte. Er lud Keri und seine Leute ein. Nach dem Klang der Flöte tanzten Alle, auf- stampfend und die Arme im Takt schwenkend, von den Wohnhäusern zum Flötenhaus und wieder zurück. Kame setzte seinen Gästen Pogugetränk und

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/442>, abgerufen am 22.11.2024.