verschnürender Schlitz. Falls unsere Kleidung ihren Ursprung dem Schamgefühl verdankt, hat der Bakairi einen andern Weg eingeschlagen oder müsste als böser Satiriker gelten, denn er hat bei einigen Exemplaren einen aus einem Stückchen Maiskolben bestehenden Penis nebst Testikeln aus Flechtwerk aussen angehängt. Unwillkürlich fühlen wir uns so zu der Annahme gedrängt, es würde uns damit auch ein menschliches Individuum vorgeführt. Dieses ist aber gar nicht nötig, denn dem Indianer erscheint es umgekehrt für selbstverständlich, dass das dar-
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Abb. 92.
Makanari der Bakairi. Imodo. Imeo. Enoschibiro. Imeo.
gestellte Tier im Besitz aller menschlichen Eigenschaften auftritt und handelt und giebt auch den Gesichtsmasken seiner Tiere menschliche Züge.
Imiga wird der Tanz am Batovy genannt, dessen Festschmuck wir 1884 im Flötenhaus des zweiten Bakairidorfes fanden. (Vergl. "Durch Centralbrasilien" p. 170.) Da gab es bemalte Kürbisse, mit Federn beklebt, unten offen, aus denen geschnitzte Vögel hervorschauten, den ausgestopften Balg eines Kamp- fuchses und einer Fischotter, ein Halmgerüst, in dem zwischen Baumwollflocken Sanyassa-Vögelchen sassen, aus Stroh geflochtene Eidechsen, sowie zwei schwarz und weiss bemalte schwertartige Holzstücke, die Klapperschlangen vorstellten --
verschnürender Schlitz. Falls unsere Kleidung ihren Ursprung dem Schamgefühl verdankt, hat der Bakaïrí einen andern Weg eingeschlagen oder müsste als böser Satiriker gelten, denn er hat bei einigen Exemplaren einen aus einem Stückchen Maiskolben bestehenden Penis nebst Testikeln aus Flechtwerk aussen angehängt. Unwillkürlich fühlen wir uns so zu der Annahme gedrängt, es würde uns damit auch ein menschliches Individuum vorgeführt. Dieses ist aber gar nicht nötig, denn dem Indianer erscheint es umgekehrt für selbstverständlich, dass das dar-
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Abb. 92.
Makanari der Bakaïrí. Imodo. Imeo. Enoschibiro. Imeo.
gestellte Tier im Besitz aller menschlichen Eigenschaften auftritt und handelt und giebt auch den Gesichtsmasken seiner Tiere menschliche Züge.
Imiga wird der Tanz am Batovy genannt, dessen Festschmuck wir 1884 im Flötenhaus des zweiten Bakaïrídorfes fanden. (Vergl. »Durch Centralbrasilien« p. 170.) Da gab es bemalte Kürbisse, mit Federn beklebt, unten offen, aus denen geschnitzte Vögel hervorschauten, den ausgestopften Balg eines Kamp- fuchses und einer Fischotter, ein Halmgerüst, in dem zwischen Baumwollflocken Sanyassa-Vögelchen sassen, aus Stroh geflochtene Eidechsen, sowie zwei schwarz und weiss bemalte schwertartige Holzstücke, die Klapperschlangen vorstellten —
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verschnürender Schlitz. Falls unsere Kleidung ihren Ursprung dem Schamgefühl
verdankt, hat der Bakaïrí einen andern Weg eingeschlagen oder müsste als böser
Satiriker gelten, denn er hat bei einigen Exemplaren einen aus einem Stückchen
Maiskolben bestehenden Penis nebst Testikeln aus Flechtwerk aussen angehängt.
Unwillkürlich fühlen wir uns so zu der Annahme gedrängt, es würde uns damit
auch ein menschliches Individuum vorgeführt. Dieses ist aber gar nicht nötig,
denn dem Indianer erscheint es umgekehrt für selbstverständlich, dass das dar-
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[Abbildung Abb. 92. Makanari der Bakaïrí.
Imodo. Imeo. Enoschibiro. Imeo.]
gestellte Tier im Besitz aller menschlichen Eigenschaften auftritt und handelt und
giebt auch den Gesichtsmasken seiner Tiere menschliche Züge.
Imiga wird der Tanz am Batovy genannt, dessen Festschmuck wir 1884 im
Flötenhaus des zweiten Bakaïrídorfes fanden. (Vergl. »Durch Centralbrasilien«
p. 170.) Da gab es bemalte Kürbisse, mit Federn beklebt, unten offen, aus
denen geschnitzte Vögel hervorschauten, den ausgestopften Balg eines Kamp-
fuchses und einer Fischotter, ein Halmgerüst, in dem zwischen Baumwollflocken
Sanyassa-Vögelchen sassen, aus Stroh geflochtene Eidechsen, sowie zwei schwarz
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/366>, abgerufen am 25.11.2024.
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