Bei starkem Widerstand des Objektes kam man zu drehendem An- und Eindrücken, und dies entwickelte sich allmählich von selbst zum Quirlbohren, wenn man nur ruhig und gleichmässig arbeitete, um das Objekt nicht zu sprengen, dasselbe auch festklemmte, um den angebohrten Punkt nicht zu verlieren, und so über beide Hände verfügen konnte. Dieses Quirlbohren wird von dem Indianer mit einem an ein Stäbchen befestigten Zahn oder Steinpartikelchen (vgl. S. 204) geübt für alles Durchlöchern von Muschel, Knochen, Stein, Gürteltierpanzer und hartem Holz. Man sieht ihn sehr häufig damit beschäftigt während er die Füsse zum Fest- klemmen verwendet. Nun stehen wir aber einem Rätsel gegenüber, wenn wir erklären wollen, wie das Feuerbohren mit zwei Holzstücken entstanden sein kann. Wie kam man dazu, Holz mit Holz zu bohren, wenn man nicht gerade darauf ausging, das "Feuer zu erfinden"?
Es ist allen Ernstes gesagt worden, man habe beim Schleifen oder Bohren von Werkzeugen aus Holz, Knochen und Stein die Erfahrung gemacht, dass Reibung Wärme erzeugt, habe bemerkt, dass die Wärme zunehme, je stärker man reibe, und habe alsdann versucht, Holz so stark zu reiben, dass es nicht nur warm werde, sondern auch glimme, leuchte, brenne! Wenn die Herren, die diesen Vorschlag für unsere werten Ahnen machen, auf eine unbewohnte, be- waldete Koralleninsel verschlagen würden -- mit einigem Widerstreben will ich es annehmen, dass sie mit ihren technischen und theoretischen Kenntnissen darauf verfallen würden, Holz mit Holz zu reiben, um sich ein Lagerfeuer zu verschaffen. Der Mensch der Vorzeit, mag er noch so lange im Besitz des lebendigen Feuers gewesen sein und seinen Wert gekannt haben, könnte sich die Erfindung doch wohl nur dann absichtlich erzwungen haben, wenn das durch Reiben erwärmte Holz auch leuchtete; dann hätte er vielleicht den Versuch gemacht, das Leuchten bis zur Flamme zu steigern. So haben z. B. die Bakairi auch wirklich geschlossen. Der Kampfuchs, sagen sie, habe sich das Feuer aus den Augen geschlagen.
In jenem Vorschlag zur Lösung des Problems steckt aber der gesunde Kern, dass man dem Zufall einer Entdeckung keinen zu grossen Spielraum einräumen möchte. In der That, will man sich die Beobachtung, dass Feuer entsteht, wenn Holz mit Holz gerieben oder gebohrt wird, nur nebenher bei der Bearbeitung von Werkzeugen gemacht denken, so sollte sie wenigstens in einem direkten und innern Zusammenhang mit dem Gebrauch des Feuers vorzustellen sein. Wenn Holz gebohrt wurde, so wurde es sicherlich mit Zahn, Knochen oder Stein gebohrt, und obgleich es ja möglich wäre, dass gelegentlich, wenn jenes Material fehlte, einmal ein harter Holzstock zum Quirlbohren genommen wurde, der dann ein glimmendes Pulver erzeugte, so erscheint diese nicht zu leugnende Möglichkeit mir deshalb nicht recht befriedigend, weil sie nicht aus der Feuertechnik selbst hervor- wächst. Auch sieht man nicht ein, in was für einem praktischen Fall, wenn das gewohnte Handwerkszeug fehlte, den Leuten soviel daran gelegen sein musste, Holz zu durchbohren, dass sie das mühevolle Mittel wählten und ihren Zweck nicht durch Binden oder Brechen oder anderswie bequemer erreichten. Einige
v. d. Steinen, Zentral-Brasilien. 15
Bei starkem Widerstand des Objektes kam man zu drehendem An- und Eindrücken, und dies entwickelte sich allmählich von selbst zum Quirlbohren, wenn man nur ruhig und gleichmässig arbeitete, um das Objekt nicht zu sprengen, dasselbe auch festklemmte, um den angebohrten Punkt nicht zu verlieren, und so über beide Hände verfügen konnte. Dieses Quirlbohren wird von dem Indianer mit einem an ein Stäbchen befestigten Zahn oder Steinpartikelchen (vgl. S. 204) geübt für alles Durchlöchern von Muschel, Knochen, Stein, Gürteltierpanzer und hartem Holz. Man sieht ihn sehr häufig damit beschäftigt während er die Füsse zum Fest- klemmen verwendet. Nun stehen wir aber einem Rätsel gegenüber, wenn wir erklären wollen, wie das Feuerbohren mit zwei Holzstücken entstanden sein kann. Wie kam man dazu, Holz mit Holz zu bohren, wenn man nicht gerade darauf ausging, das »Feuer zu erfinden«?
Es ist allen Ernstes gesagt worden, man habe beim Schleifen oder Bohren von Werkzeugen aus Holz, Knochen und Stein die Erfahrung gemacht, dass Reibung Wärme erzeugt, habe bemerkt, dass die Wärme zunehme, je stärker man reibe, und habe alsdann versucht, Holz so stark zu reiben, dass es nicht nur warm werde, sondern auch glimme, leuchte, brenne! Wenn die Herren, die diesen Vorschlag für unsere werten Ahnen machen, auf eine unbewohnte, be- waldete Koralleninsel verschlagen würden — mit einigem Widerstreben will ich es annehmen, dass sie mit ihren technischen und theoretischen Kenntnissen darauf verfallen würden, Holz mit Holz zu reiben, um sich ein Lagerfeuer zu verschaffen. Der Mensch der Vorzeit, mag er noch so lange im Besitz des lebendigen Feuers gewesen sein und seinen Wert gekannt haben, könnte sich die Erfindung doch wohl nur dann absichtlich erzwungen haben, wenn das durch Reiben erwärmte Holz auch leuchtete; dann hätte er vielleicht den Versuch gemacht, das Leuchten bis zur Flamme zu steigern. So haben z. B. die Bakaïrí auch wirklich geschlossen. Der Kampfuchs, sagen sie, habe sich das Feuer aus den Augen geschlagen.
In jenem Vorschlag zur Lösung des Problems steckt aber der gesunde Kern, dass man dem Zufall einer Entdeckung keinen zu grossen Spielraum einräumen möchte. In der That, will man sich die Beobachtung, dass Feuer entsteht, wenn Holz mit Holz gerieben oder gebohrt wird, nur nebenher bei der Bearbeitung von Werkzeugen gemacht denken, so sollte sie wenigstens in einem direkten und innern Zusammenhang mit dem Gebrauch des Feuers vorzustellen sein. Wenn Holz gebohrt wurde, so wurde es sicherlich mit Zahn, Knochen oder Stein gebohrt, und obgleich es ja möglich wäre, dass gelegentlich, wenn jenes Material fehlte, einmal ein harter Holzstock zum Quirlbohren genommen wurde, der dann ein glimmendes Pulver erzeugte, so erscheint diese nicht zu leugnende Möglichkeit mir deshalb nicht recht befriedigend, weil sie nicht aus der Feuertechnik selbst hervor- wächst. Auch sieht man nicht ein, in was für einem praktischen Fall, wenn das gewohnte Handwerkszeug fehlte, den Leuten soviel daran gelegen sein musste, Holz zu durchbohren, dass sie das mühevolle Mittel wählten und ihren Zweck nicht durch Binden oder Brechen oder anderswie bequemer erreichten. Einige
v. d. Steinen, Zentral-Brasilien. 15
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[225/0269]
Bei starkem Widerstand des Objektes kam man zu drehendem An- und Eindrücken,
und dies entwickelte sich allmählich von selbst zum Quirlbohren, wenn man nur
ruhig und gleichmässig arbeitete, um das Objekt nicht zu sprengen, dasselbe auch
festklemmte, um den angebohrten Punkt nicht zu verlieren, und so über beide
Hände verfügen konnte. Dieses Quirlbohren wird von dem Indianer mit einem an
ein Stäbchen befestigten Zahn oder Steinpartikelchen (vgl. S. 204) geübt für alles
Durchlöchern von Muschel, Knochen, Stein, Gürteltierpanzer und hartem Holz.
Man sieht ihn sehr häufig damit beschäftigt während er die Füsse zum Fest-
klemmen verwendet. Nun stehen wir aber einem Rätsel gegenüber, wenn wir
erklären wollen, wie das Feuerbohren mit zwei Holzstücken entstanden sein kann.
Wie kam man dazu, Holz mit Holz zu bohren, wenn man nicht gerade darauf
ausging, das »Feuer zu erfinden«?
Es ist allen Ernstes gesagt worden, man habe beim Schleifen oder Bohren
von Werkzeugen aus Holz, Knochen und Stein die Erfahrung gemacht, dass
Reibung Wärme erzeugt, habe bemerkt, dass die Wärme zunehme, je stärker
man reibe, und habe alsdann versucht, Holz so stark zu reiben, dass es nicht
nur warm werde, sondern auch glimme, leuchte, brenne! Wenn die Herren, die
diesen Vorschlag für unsere werten Ahnen machen, auf eine unbewohnte, be-
waldete Koralleninsel verschlagen würden — mit einigem Widerstreben will ich
es annehmen, dass sie mit ihren technischen und theoretischen Kenntnissen darauf
verfallen würden, Holz mit Holz zu reiben, um sich ein Lagerfeuer zu verschaffen.
Der Mensch der Vorzeit, mag er noch so lange im Besitz des lebendigen Feuers
gewesen sein und seinen Wert gekannt haben, könnte sich die Erfindung doch
wohl nur dann absichtlich erzwungen haben, wenn das durch Reiben erwärmte
Holz auch leuchtete; dann hätte er vielleicht den Versuch gemacht, das Leuchten
bis zur Flamme zu steigern. So haben z. B. die Bakaïrí auch wirklich geschlossen.
Der Kampfuchs, sagen sie, habe sich das Feuer aus den Augen geschlagen.
In jenem Vorschlag zur Lösung des Problems steckt aber der gesunde Kern,
dass man dem Zufall einer Entdeckung keinen zu grossen Spielraum einräumen
möchte. In der That, will man sich die Beobachtung, dass Feuer entsteht, wenn
Holz mit Holz gerieben oder gebohrt wird, nur nebenher bei der Bearbeitung
von Werkzeugen gemacht denken, so sollte sie wenigstens in einem direkten und
innern Zusammenhang mit dem Gebrauch des Feuers vorzustellen sein. Wenn
Holz gebohrt wurde, so wurde es sicherlich mit Zahn, Knochen oder Stein gebohrt,
und obgleich es ja möglich wäre, dass gelegentlich, wenn jenes Material fehlte,
einmal ein harter Holzstock zum Quirlbohren genommen wurde, der dann ein
glimmendes Pulver erzeugte, so erscheint diese nicht zu leugnende Möglichkeit mir
deshalb nicht recht befriedigend, weil sie nicht aus der Feuertechnik selbst hervor-
wächst. Auch sieht man nicht ein, in was für einem praktischen Fall, wenn das
gewohnte Handwerkszeug fehlte, den Leuten soviel daran gelegen sein musste,
Holz zu durchbohren, dass sie das mühevolle Mittel wählten und ihren Zweck
nicht durch Binden oder Brechen oder anderswie bequemer erreichten. Einige
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/269>, abgerufen am 22.11.2024.
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