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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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Wie die Kürbisse zum Trinken und Essen gebraucht wurden, so dienten
auch die Töpfe zunächst nur diesen Zwecken. Die grosse Anzahl von kleinen
und mittelgrossen Töpfen, die wir vom Kulisehu mitgebracht haben, sind fast
sämtlich "Näpfe", keine Kochtöpfe. In riesigen Töpfen wurde das Filtrat der
Mandiokamasse gekocht, sonst aber gesotten nur Mus von Früchten und gelegent-
lich ein Gericht von kleinen Fischchen, die des Umdrehens auf dem Bratrost
nicht lohnten.

Suppenfleisch und Fleischbrühe waren unbekannt; die Männer
kannten nur das Braten. Man fragt vielleicht, wie sind sie denn zum Braten
gekommen? Ich werde im nächsten Kapitel darthun, dass wir es hier mit einer
Jäger- und Männererfahrung zu thun haben. Man zündete den Kamp im Kreis
an, um die aufgescheuchten Tiere zu überwältigen, und fand dort gebratene kleine
Tiere und fand Früchte, die, obschon noch unreif, durch die Hitze geniessbar und
sogar schmackhaft geworden waren.

Da nun die Männer und Jäger in ihrem Departement das Kochen noch nicht
kennen, muss das Sieden oder Kochen bei der Verarbeitung pflanzlicher Nahrung
erfunden worden sein. Man sieht die Frauen häufig allerlei kleine Früchte in
Menge auf den Beijuschüsseln rösten. Unreifes Obst wird so erst essbar, Kerne
und Nüsse erhalten mit der Knusprigkeit einen erhöhten Wohlgeschmack. Und
mit dem Braten der Früchte haben sie auch begonnen. Die aus Schlingpflanzen
geflochtenen Bratroste der Männer für Fleisch und Fische liessen die Früchte
durch die Maschen fallen; man mag die Unterlage wieder mit Lehm verschmiert
haben, und zur irdenen Bratpfanne, der späteren Beijuschüssel, fehlte nur ein
kleiner Schritt. Wollte man dagegen in Wasser eingeweichte Früchte oder
Wurzeln "braten", setzte man die damit gefüllten Gefässe, entweder die natür-
lichen -- der Botokude kocht in Bambusstücken -- oder die künstlichen, mit
Thon gedeckten auf das Feuer, so "kochte" man. Also nur von den Frauen
wurde "mit Wasser gekocht"!

Wenn die Mandiokaindustrie von einem Stamm begründet worden ist, dessen
Nachkommen noch leben und in der gegenwärtigen Klassifikation einbegriffen
sind, so spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, dass es Nu-Aruak gewesen sind.
Am Schingu haben ganz gewiss sie das Verdienst der Einführung gehabt, da die
Mehlbereitung ohne irdene Töpfe und Beijupfannen unmöglich ist. Die Aruak
sind aber auch in den nördlichen Gebieten die besten Mehlarbeiter und von jeher,
obwohl die Karaiben in Guyana gegenwärtig die Fabrikanten für das dortige
Gebiet geworden sind, die geschicktesten Töpfer gewesen. Doch wohlverstanden
die Frauen! Wenn die Karaiben im Norden des Amazonenstromes und auf den
Kleinen Antillen die Aruakstämme unterjochten und die Hälfte der Bevölkerung
töteten, so war es gut, dass diese Hälfte die Männer waren; die Frauen mit
ihrem Feldbau, ihrer Töpferkunst und ihrer Mehltechnik blieben erhalten.

So sehen wir, wie bei unsern Indianern die höhere, das Jägertum über-
holende Kultur der natürlichen Arbeitsteilung entsprungen und dieser es auch zu

Wie die Kürbisse zum Trinken und Essen gebraucht wurden, so dienten
auch die Töpfe zunächst nur diesen Zwecken. Die grosse Anzahl von kleinen
und mittelgrossen Töpfen, die wir vom Kulisehu mitgebracht haben, sind fast
sämtlich »Näpfe«, keine Kochtöpfe. In riesigen Töpfen wurde das Filtrat der
Mandiokamasse gekocht, sonst aber gesotten nur Mus von Früchten und gelegent-
lich ein Gericht von kleinen Fischchen, die des Umdrehens auf dem Bratrost
nicht lohnten.

Suppenfleisch und Fleischbrühe waren unbekannt; die Männer
kannten nur das Braten. Man fragt vielleicht, wie sind sie denn zum Braten
gekommen? Ich werde im nächsten Kapitel darthun, dass wir es hier mit einer
Jäger- und Männererfahrung zu thun haben. Man zündete den Kamp im Kreis
an, um die aufgescheuchten Tiere zu überwältigen, und fand dort gebratene kleine
Tiere und fand Früchte, die, obschon noch unreif, durch die Hitze geniessbar und
sogar schmackhaft geworden waren.

Da nun die Männer und Jäger in ihrem Departement das Kochen noch nicht
kennen, muss das Sieden oder Kochen bei der Verarbeitung pflanzlicher Nahrung
erfunden worden sein. Man sieht die Frauen häufig allerlei kleine Früchte in
Menge auf den Beijúschüsseln rösten. Unreifes Obst wird so erst essbar, Kerne
und Nüsse erhalten mit der Knusprigkeit einen erhöhten Wohlgeschmack. Und
mit dem Braten der Früchte haben sie auch begonnen. Die aus Schlingpflanzen
geflochtenen Bratroste der Männer für Fleisch und Fische liessen die Früchte
durch die Maschen fallen; man mag die Unterlage wieder mit Lehm verschmiert
haben, und zur irdenen Bratpfanne, der späteren Beijúschüssel, fehlte nur ein
kleiner Schritt. Wollte man dagegen in Wasser eingeweichte Früchte oder
Wurzeln »braten«, setzte man die damit gefüllten Gefässe, entweder die natür-
lichen — der Botokude kocht in Bambusstücken — oder die künstlichen, mit
Thon gedeckten auf das Feuer, so »kochte« man. Also nur von den Frauen
wurde »mit Wasser gekocht«!

Wenn die Mandiokaindustrie von einem Stamm begründet worden ist, dessen
Nachkommen noch leben und in der gegenwärtigen Klassifikation einbegriffen
sind, so spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, dass es Nu-Aruak gewesen sind.
Am Schingú haben ganz gewiss sie das Verdienst der Einführung gehabt, da die
Mehlbereitung ohne irdene Töpfe und Beijúpfannen unmöglich ist. Die Aruak
sind aber auch in den nördlichen Gebieten die besten Mehlarbeiter und von jeher,
obwohl die Karaiben in Guyana gegenwärtig die Fabrikanten für das dortige
Gebiet geworden sind, die geschicktesten Töpfer gewesen. Doch wohlverstanden
die Frauen! Wenn die Karaiben im Norden des Amazonenstromes und auf den
Kleinen Antillen die Aruakstämme unterjochten und die Hälfte der Bevölkerung
töteten, so war es gut, dass diese Hälfte die Männer waren; die Frauen mit
ihrem Feldbau, ihrer Töpferkunst und ihrer Mehltechnik blieben erhalten.

So sehen wir, wie bei unsern Indianern die höhere, das Jägertum über-
holende Kultur der natürlichen Arbeitsteilung entsprungen und dieser es auch zu

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[217/0261] Wie die Kürbisse zum Trinken und Essen gebraucht wurden, so dienten auch die Töpfe zunächst nur diesen Zwecken. Die grosse Anzahl von kleinen und mittelgrossen Töpfen, die wir vom Kulisehu mitgebracht haben, sind fast sämtlich »Näpfe«, keine Kochtöpfe. In riesigen Töpfen wurde das Filtrat der Mandiokamasse gekocht, sonst aber gesotten nur Mus von Früchten und gelegent- lich ein Gericht von kleinen Fischchen, die des Umdrehens auf dem Bratrost nicht lohnten. Suppenfleisch und Fleischbrühe waren unbekannt; die Männer kannten nur das Braten. Man fragt vielleicht, wie sind sie denn zum Braten gekommen? Ich werde im nächsten Kapitel darthun, dass wir es hier mit einer Jäger- und Männererfahrung zu thun haben. Man zündete den Kamp im Kreis an, um die aufgescheuchten Tiere zu überwältigen, und fand dort gebratene kleine Tiere und fand Früchte, die, obschon noch unreif, durch die Hitze geniessbar und sogar schmackhaft geworden waren. Da nun die Männer und Jäger in ihrem Departement das Kochen noch nicht kennen, muss das Sieden oder Kochen bei der Verarbeitung pflanzlicher Nahrung erfunden worden sein. Man sieht die Frauen häufig allerlei kleine Früchte in Menge auf den Beijúschüsseln rösten. Unreifes Obst wird so erst essbar, Kerne und Nüsse erhalten mit der Knusprigkeit einen erhöhten Wohlgeschmack. Und mit dem Braten der Früchte haben sie auch begonnen. Die aus Schlingpflanzen geflochtenen Bratroste der Männer für Fleisch und Fische liessen die Früchte durch die Maschen fallen; man mag die Unterlage wieder mit Lehm verschmiert haben, und zur irdenen Bratpfanne, der späteren Beijúschüssel, fehlte nur ein kleiner Schritt. Wollte man dagegen in Wasser eingeweichte Früchte oder Wurzeln »braten«, setzte man die damit gefüllten Gefässe, entweder die natür- lichen — der Botokude kocht in Bambusstücken — oder die künstlichen, mit Thon gedeckten auf das Feuer, so »kochte« man. Also nur von den Frauen wurde »mit Wasser gekocht«! Wenn die Mandiokaindustrie von einem Stamm begründet worden ist, dessen Nachkommen noch leben und in der gegenwärtigen Klassifikation einbegriffen sind, so spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, dass es Nu-Aruak gewesen sind. Am Schingú haben ganz gewiss sie das Verdienst der Einführung gehabt, da die Mehlbereitung ohne irdene Töpfe und Beijúpfannen unmöglich ist. Die Aruak sind aber auch in den nördlichen Gebieten die besten Mehlarbeiter und von jeher, obwohl die Karaiben in Guyana gegenwärtig die Fabrikanten für das dortige Gebiet geworden sind, die geschicktesten Töpfer gewesen. Doch wohlverstanden die Frauen! Wenn die Karaiben im Norden des Amazonenstromes und auf den Kleinen Antillen die Aruakstämme unterjochten und die Hälfte der Bevölkerung töteten, so war es gut, dass diese Hälfte die Männer waren; die Frauen mit ihrem Feldbau, ihrer Töpferkunst und ihrer Mehltechnik blieben erhalten. So sehen wir, wie bei unsern Indianern die höhere, das Jägertum über- holende Kultur der natürlichen Arbeitsteilung entsprungen und dieser es auch zu

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/261>, abgerufen am 22.11.2024.