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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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Verträglichkeit zeigen, überspannen mehr als halb Südamerika und rühren aus
Aufzeichnungen, die von 1887 bis vor die Mitte des 16. Jahrhunderts zurück-
reichen. Sie lehren unwiderleglich, dass der Pfeffer in jeder der drei Stammes-
gruppen, deren weit entlegenste Familienglieder die Entsprechung auf ihren
Wanderungen bewahrt haben, seit undenklichen "vorgeschichtlichen" Zeiten be-
kannt war und keine ihn von einer der andern erworben hat. Damit lässt sich
das Verhalten der Bananenwörter durchaus nicht vereinigen. Jene Ueberein-
stimmungen können uns nur deshalb in Erstaunen versetzen, weil wir in dem
Wahn befangen sind, nicht nur, dass die südamerikanischen Völker ein linguistisches
Chaos darstellen, sondern auch, dass diese "Horden", denen wir erst die Metalle
gebracht haben, zum grossen Teil rohe Jägervölker seien, hin und her geworfen
von unbekannten Geschicken wie Geröll im Wildwasser, beliebig hier verkittet
und dort zertrümmert. Wir werden uns aber daran gewöhnen müssen, auch in
den plumpen Massen, die unserm Auge die "Steinzeit" zusammensetzen, eine
Menge regelmässiger, feinsäuberlich niedergeschlagener Kulturschichten zu unter-
scheiden.

Der metalllose Südamerikaner hat in der Züchtung der Mandioka, die
heute mit dem Mais in die letzten Winkel Afrika's vordringt, als ob beide rein
amerikanischen Pflanzen dort ewig einheimisch gewesen seien, eine Leistung voll-
bracht, die mit denen anderer Erdteile keinen Vergleich zu scheuen hat. Heute
giebt es eine kultivierte unschädliche Art, aber die ursprüngliche und am Schingu
allein vorkommende Wurzel musste erst ihres stark giftigen Saftes beraubt, das
durch Zerreiben und Zerstampfen erhaltene, ausgepresste Mehl erst geröstet
werden, ehe ein Nahrungsmittel entstand, und zwar eins von vielseitigster Ver-
wendung, in festem Zustande und als breiiges Getränk, Manihot "utilissima". Sie
übertrifft an Wichtigkeit im Haushalt unserer Indianer weitaus den Mais. Sie
liefert den Hauptproviant und ihr gebührt das eigentliche Verdienst, die Ein-
geborenen, die sie von vorgeschritteneren Stämmen empfingen, zur Sesshaftigkeit
genötigt zu haben; denn ihre Zubereitung setzt eine Reihe Geduld erfordernder
Prozeduren und setzt Werkzeuge voraus, die, wie mit Palmstacheln besetzte
Reibbretter, nur durch grossen Aufwand von Zeit und Arbeit mit den gering-
wertigen Werkzeugen hergestellt werden konnten. Unbekannt am oberen Schingu
ist das ingeniöse Typyti, ein aus elastischen Stengeln geflochtener Schlauch, der
mit der zerriebenen Masse gefüllt wird und, durch ein Gewicht in die Länge ge-
zogen, den giftigen Saft auspresst; unsere Indianer filtrierten und pressten den Saft
durch geflochtene Siebe.

Von höherem Interesse aber ist es, dass die heute in Südamerika, wo Mais
und Mandioka von Eingeboreaen gebaut werden, wohl überall gepflegte Methode,
durch Kauen von Mehlkugeln oder Maiskörnern grössere Mengen Absuds in
Gährung zu versetzen, in unserm Gebiet noch unbekannt war; auch wusste
man dort Nichts von der Bereitung des bei den Nordkaraiben beliebten Pajauaru,
wo die mit Wasser aufgeweichten frischen Beijus in Blätter eingehüllt und einige Tage

Verträglichkeit zeigen, überspannen mehr als halb Südamerika und rühren aus
Aufzeichnungen, die von 1887 bis vor die Mitte des 16. Jahrhunderts zurück-
reichen. Sie lehren unwiderleglich, dass der Pfeffer in jeder der drei Stammes-
gruppen, deren weit entlegenste Familienglieder die Entsprechung auf ihren
Wanderungen bewahrt haben, seit undenklichen »vorgeschichtlichen« Zeiten be-
kannt war und keine ihn von einer der andern erworben hat. Damit lässt sich
das Verhalten der Bananenwörter durchaus nicht vereinigen. Jene Ueberein-
stimmungen können uns nur deshalb in Erstaunen versetzen, weil wir in dem
Wahn befangen sind, nicht nur, dass die südamerikanischen Völker ein linguistisches
Chaos darstellen, sondern auch, dass diese »Horden«, denen wir erst die Metalle
gebracht haben, zum grossen Teil rohe Jägervölker seien, hin und her geworfen
von unbekannten Geschicken wie Geröll im Wildwasser, beliebig hier verkittet
und dort zertrümmert. Wir werden uns aber daran gewöhnen müssen, auch in
den plumpen Massen, die unserm Auge die »Steinzeit« zusammensetzen, eine
Menge regelmässiger, feinsäuberlich niedergeschlagener Kulturschichten zu unter-
scheiden.

Der metalllose Südamerikaner hat in der Züchtung der Mandioka, die
heute mit dem Mais in die letzten Winkel Afrika’s vordringt, als ob beide rein
amerikanischen Pflanzen dort ewig einheimisch gewesen seien, eine Leistung voll-
bracht, die mit denen anderer Erdteile keinen Vergleich zu scheuen hat. Heute
giebt es eine kultivierte unschädliche Art, aber die ursprüngliche und am Schingú
allein vorkommende Wurzel musste erst ihres stark giftigen Saftes beraubt, das
durch Zerreiben und Zerstampfen erhaltene, ausgepresste Mehl erst geröstet
werden, ehe ein Nahrungsmittel entstand, und zwar eins von vielseitigster Ver-
wendung, in festem Zustande und als breiiges Getränk, Manihotutilissima“. Sie
übertrifft an Wichtigkeit im Haushalt unserer Indianer weitaus den Mais. Sie
liefert den Hauptproviant und ihr gebührt das eigentliche Verdienst, die Ein-
geborenen, die sie von vorgeschritteneren Stämmen empfingen, zur Sesshaftigkeit
genötigt zu haben; denn ihre Zubereitung setzt eine Reihe Geduld erfordernder
Prozeduren und setzt Werkzeuge voraus, die, wie mit Palmstacheln besetzte
Reibbretter, nur durch grossen Aufwand von Zeit und Arbeit mit den gering-
wertigen Werkzeugen hergestellt werden konnten. Unbekannt am oberen Schingú
ist das ingeniöse Typytí, ein aus elastischen Stengeln geflochtener Schlauch, der
mit der zerriebenen Masse gefüllt wird und, durch ein Gewicht in die Länge ge-
zogen, den giftigen Saft auspresst; unsere Indianer filtrierten und pressten den Saft
durch geflochtene Siebe.

Von höherem Interesse aber ist es, dass die heute in Südamerika, wo Mais
und Mandioka von Eingeboreaen gebaut werden, wohl überall gepflegte Methode,
durch Kauen von Mehlkugeln oder Maiskörnern grössere Mengen Absuds in
Gährung zu versetzen, in unserm Gebiet noch unbekannt war; auch wusste
man dort Nichts von der Bereitung des bei den Nordkaraiben beliebten Pajauarú,
wo die mit Wasser aufgeweichten frischen Beijús in Blätter eingehüllt und einige Tage

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[212/0256] Verträglichkeit zeigen, überspannen mehr als halb Südamerika und rühren aus Aufzeichnungen, die von 1887 bis vor die Mitte des 16. Jahrhunderts zurück- reichen. Sie lehren unwiderleglich, dass der Pfeffer in jeder der drei Stammes- gruppen, deren weit entlegenste Familienglieder die Entsprechung auf ihren Wanderungen bewahrt haben, seit undenklichen »vorgeschichtlichen« Zeiten be- kannt war und keine ihn von einer der andern erworben hat. Damit lässt sich das Verhalten der Bananenwörter durchaus nicht vereinigen. Jene Ueberein- stimmungen können uns nur deshalb in Erstaunen versetzen, weil wir in dem Wahn befangen sind, nicht nur, dass die südamerikanischen Völker ein linguistisches Chaos darstellen, sondern auch, dass diese »Horden«, denen wir erst die Metalle gebracht haben, zum grossen Teil rohe Jägervölker seien, hin und her geworfen von unbekannten Geschicken wie Geröll im Wildwasser, beliebig hier verkittet und dort zertrümmert. Wir werden uns aber daran gewöhnen müssen, auch in den plumpen Massen, die unserm Auge die »Steinzeit« zusammensetzen, eine Menge regelmässiger, feinsäuberlich niedergeschlagener Kulturschichten zu unter- scheiden. Der metalllose Südamerikaner hat in der Züchtung der Mandioka, die heute mit dem Mais in die letzten Winkel Afrika’s vordringt, als ob beide rein amerikanischen Pflanzen dort ewig einheimisch gewesen seien, eine Leistung voll- bracht, die mit denen anderer Erdteile keinen Vergleich zu scheuen hat. Heute giebt es eine kultivierte unschädliche Art, aber die ursprüngliche und am Schingú allein vorkommende Wurzel musste erst ihres stark giftigen Saftes beraubt, das durch Zerreiben und Zerstampfen erhaltene, ausgepresste Mehl erst geröstet werden, ehe ein Nahrungsmittel entstand, und zwar eins von vielseitigster Ver- wendung, in festem Zustande und als breiiges Getränk, Manihot „utilissima“. Sie übertrifft an Wichtigkeit im Haushalt unserer Indianer weitaus den Mais. Sie liefert den Hauptproviant und ihr gebührt das eigentliche Verdienst, die Ein- geborenen, die sie von vorgeschritteneren Stämmen empfingen, zur Sesshaftigkeit genötigt zu haben; denn ihre Zubereitung setzt eine Reihe Geduld erfordernder Prozeduren und setzt Werkzeuge voraus, die, wie mit Palmstacheln besetzte Reibbretter, nur durch grossen Aufwand von Zeit und Arbeit mit den gering- wertigen Werkzeugen hergestellt werden konnten. Unbekannt am oberen Schingú ist das ingeniöse Typytí, ein aus elastischen Stengeln geflochtener Schlauch, der mit der zerriebenen Masse gefüllt wird und, durch ein Gewicht in die Länge ge- zogen, den giftigen Saft auspresst; unsere Indianer filtrierten und pressten den Saft durch geflochtene Siebe. Von höherem Interesse aber ist es, dass die heute in Südamerika, wo Mais und Mandioka von Eingeboreaen gebaut werden, wohl überall gepflegte Methode, durch Kauen von Mehlkugeln oder Maiskörnern grössere Mengen Absuds in Gährung zu versetzen, in unserm Gebiet noch unbekannt war; auch wusste man dort Nichts von der Bereitung des bei den Nordkaraiben beliebten Pajauarú, wo die mit Wasser aufgeweichten frischen Beijús in Blätter eingehüllt und einige Tage

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/256>, abgerufen am 22.11.2024.