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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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Frau die Mucosa zugänglicher wurde, im Zustand der Schwangerschaft turgescierte
und durch die Entbindungen gelockert wurde.

So wäre es in der That nach den örtlichen Bedingungen unrecht, daran zu
zweifeln, dass die beschriebenen Methoden den Erwachsenen beider Geschlechter
Schutz gegen äussere Insulte bieten konnten, und dass es nicht an Gelegenheiten
fehlte, wo sie in diesem Sinne nützlich sein mussten. Es wäre auch natürlich,
dass man mit ihnen die Jugend schon beim Eintritt in die Reifezeit, wo sie
begannen, mit den Aelteren zu arbeiten, gebührend ausrüstete. Allein die
Erklärung kann unmöglich erschöpfend sein. Denn die Wichtigkeit und Un-
entbehrlichkeit der Vorrichtungen steht im Missverhältnis zu dem Begriff

[Abbildung]
[Abbildung] Abb. 19.

Hockende Bakairi.

von Schutzapparaten. Warum hätte man sie nicht häufiger, namentlich Nachts
in der Hängematte, abgelegt? Warum wären die Jünglinge so aufmerksam bei
ihrer Dressur des Präputiums gewesen? Warum hätte man sonderlich Aufhebens
davon gemacht, dass die Uluris oder die Stulpe eines Tages angelegt wurden?
Die Beziehungen zum Geschlechtsleben müssen unmittelbar sein und nicht nur
mittelbar.

Bei dem weiblichen Geschlecht begegnet man keiner Schwierigkeit. Plötzlich
treten Blutungen auf; hier ist eine Erkrankung gegeben. Dass der Indianer
ursprünglich so dachte, wird klar bewiesen durch die bei den meisten Stämmen
übliche, höchst überflüssige medizinische Behandlung des menstruierenden Mädchens

Frau die Mucosa zugänglicher wurde, im Zustand der Schwangerschaft turgescierte
und durch die Entbindungen gelockert wurde.

So wäre es in der That nach den örtlichen Bedingungen unrecht, daran zu
zweifeln, dass die beschriebenen Methoden den Erwachsenen beider Geschlechter
Schutz gegen äussere Insulte bieten konnten, und dass es nicht an Gelegenheiten
fehlte, wo sie in diesem Sinne nützlich sein mussten. Es wäre auch natürlich,
dass man mit ihnen die Jugend schon beim Eintritt in die Reifezeit, wo sie
begannen, mit den Aelteren zu arbeiten, gebührend ausrüstete. Allein die
Erklärung kann unmöglich erschöpfend sein. Denn die Wichtigkeit und Un-
entbehrlichkeit der Vorrichtungen steht im Missverhältnis zu dem Begriff

[Abbildung]
[Abbildung] Abb. 19.

Hockende Bakaïrí.

von Schutzapparaten. Warum hätte man sie nicht häufiger, namentlich Nachts
in der Hängematte, abgelegt? Warum wären die Jünglinge so aufmerksam bei
ihrer Dressur des Präputiums gewesen? Warum hätte man sonderlich Aufhebens
davon gemacht, dass die Uluris oder die Stulpe eines Tages angelegt wurden?
Die Beziehungen zum Geschlechtsleben müssen unmittelbar sein und nicht nur
mittelbar.

Bei dem weiblichen Geschlecht begegnet man keiner Schwierigkeit. Plötzlich
treten Blutungen auf; hier ist eine Erkrankung gegeben. Dass der Indianer
ursprünglich so dachte, wird klar bewiesen durch die bei den meisten Stämmen
übliche, höchst überflüssige medizinische Behandlung des menstruierenden Mädchens

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[197/0241] Frau die Mucosa zugänglicher wurde, im Zustand der Schwangerschaft turgescierte und durch die Entbindungen gelockert wurde. So wäre es in der That nach den örtlichen Bedingungen unrecht, daran zu zweifeln, dass die beschriebenen Methoden den Erwachsenen beider Geschlechter Schutz gegen äussere Insulte bieten konnten, und dass es nicht an Gelegenheiten fehlte, wo sie in diesem Sinne nützlich sein mussten. Es wäre auch natürlich, dass man mit ihnen die Jugend schon beim Eintritt in die Reifezeit, wo sie begannen, mit den Aelteren zu arbeiten, gebührend ausrüstete. Allein die Erklärung kann unmöglich erschöpfend sein. Denn die Wichtigkeit und Un- entbehrlichkeit der Vorrichtungen steht im Missverhältnis zu dem Begriff [Abbildung] [Abbildung Abb. 19. Hockende Bakaïrí.] von Schutzapparaten. Warum hätte man sie nicht häufiger, namentlich Nachts in der Hängematte, abgelegt? Warum wären die Jünglinge so aufmerksam bei ihrer Dressur des Präputiums gewesen? Warum hätte man sonderlich Aufhebens davon gemacht, dass die Uluris oder die Stulpe eines Tages angelegt wurden? Die Beziehungen zum Geschlechtsleben müssen unmittelbar sein und nicht nur mittelbar. Bei dem weiblichen Geschlecht begegnet man keiner Schwierigkeit. Plötzlich treten Blutungen auf; hier ist eine Erkrankung gegeben. Dass der Indianer ursprünglich so dachte, wird klar bewiesen durch die bei den meisten Stämmen übliche, höchst überflüssige medizinische Behandlung des menstruierenden Mädchens

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/241>, abgerufen am 06.05.2024.