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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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Die Hautfarbe zeichnete sich in allen Abstufungen durch gelbgraue Lehm-
töne aus; Sonnenbrand, Schmutz und Bemalung erschwerten die Feststellung der
ursprünglichen Farbe ausserordentlich und nur unter den Baumwollbinden der
Oberarme oder Unterschenkel erkannte man, wie hell die Indianer eigentlich waren.
Wilhelm legte eine kleine Farbentafel an Ort und Stelle an; ihr zufolge fällt der
Durchschnittston zwischen Nummer 30 und 33 der Broca'schen Tafel; dunkleren
Tönen war ein entschiedenes Lila-Violett beigemischt, namentlich auf Brust und
Bauch, den helleren etwas Gelb. Wir gebrauchten auch die Radde'schen Tafeln
und fanden die meiste Aehnlichkeit für Stirn und Wange mit 33 m bis n oder
auch 33 o, den Oberarm annähernd 33 m.

Das Haupthaar war schwarz, besonders bei den Bakairi, Nahuqua und
Auetö braunschwarz. Blauschwarzer Ton kam nicht vor. Dagegen sah das Haar,
besonders der Bakairikinder, bei schräg auffallendem Licht merkwürdig hell und
verschossen aus, es spielte zuweilen in einem dunkelrosafarbigen Schimmer. "Ross-
haar" haben wir niemals angetroffen. Das Kopfhaar war mässig dick und grad-
linigen Verlaufs oder, namentlich bei den Bakairi und Nahuqua, ausgesprochen
wellig. Zu unserer Ueberraschung sahen wir unter den Bakairi reine Lockenköpfe,
wie beispielsweise der Typus Tafel 13 wiedergibt. Wieviel davon Natur, wieviel
Kunst war, ist schwer zu sagen. Jedenfalls hatte der alte Paleko in Maigeri, der
längst über die Eitelkeit der Jugend erhaben war, kurzes lockiges Haar. Wellig
ist das Haar der Bakairi auch ohne künstliche Behandlung. Zuweilen war die
Stirn bis in die Nähe der Brauen behaart.

Die Wimpern, besonders bei den Nahuqua bis auf die letzte Spur ver-
schwunden, wurden ausgerupft. Desgleichen das Barthaar. Doch trafen wir öfters
einen mässigen Schnurr- oder Kinnbart, gelegentlich auch Wangenbart, zumeist
bei den Kamayura. Achsel- und Schamhaar wurden ebenfalls ausgerupft.

Der Gesichtstypus der einzelnen Stämme zeigte gewisse Verschiedenheiten,
die schwer zu definieren sind. Es giebt ein Bakairi-Gesicht, das ich mir zutrauen
würde, nicht mit einem Gesicht aus den übrigen Kulisehustämmen zu verwechseln,
das aber mit Karaiben der Guyanas die grösste Aehnlichkeit besitzt. Auch einen
von Ehrenreich photographierten karaibischen Apiaka des Tokantins würde ich
sofort für einen Bakairi erklären. Andere Bakairi aber könnten nach ihrer Physio-
gnomie auch wieder beliebigen andern Kulisehustämmen angehören. Je mehr
Indianer man kennen lernte, desto unsicherer wurde man natürlich. Das Bakairi-
oder Karaibengesicht, das ich meine, hat fast europäische Bildung, die Prognathie
ist gering, Stirn nicht hoch aber gut gewölbt, die Nase hat einen etwas breiten
Rücken, kräftige Flügel, eine rundliche Spitze, breite Oberlippen, die Augen
sind schön mandelförmig geschnitten und voll. Dagegen giebt es einen zweiten
Bakairitypus mit starker Prognathie, einem stark zurückweichenden Kinn, niedriger
schräger Stirn und einer längeren Nase mit gebogenem Rücken, der uns besonders
an den Bakairi des Paranatinga auffiel. Eine sonderbare Spezialität des dritten
Bakairidorfes waren ausgeprägt jüdische Physiognomien. Der Lichtdruck Tafel 13

Die Hautfarbe zeichnete sich in allen Abstufungen durch gelbgraue Lehm-
töne aus; Sonnenbrand, Schmutz und Bemalung erschwerten die Feststellung der
ursprünglichen Farbe ausserordentlich und nur unter den Baumwollbinden der
Oberarme oder Unterschenkel erkannte man, wie hell die Indianer eigentlich waren.
Wilhelm legte eine kleine Farbentafel an Ort und Stelle an; ihr zufolge fällt der
Durchschnittston zwischen Nummer 30 und 33 der Broca’schen Tafel; dunkleren
Tönen war ein entschiedenes Lila-Violett beigemischt, namentlich auf Brust und
Bauch, den helleren etwas Gelb. Wir gebrauchten auch die Radde’schen Tafeln
und fanden die meiste Aehnlichkeit für Stirn und Wange mit 33 m bis n oder
auch 33 o, den Oberarm annähernd 33 m.

Das Haupthaar war schwarz, besonders bei den Bakaïrí, Nahuquá und
Auetö́ braunschwarz. Blauschwarzer Ton kam nicht vor. Dagegen sah das Haar,
besonders der Bakaïríkinder, bei schräg auffallendem Licht merkwürdig hell und
verschossen aus, es spielte zuweilen in einem dunkelrosafarbigen Schimmer. „Ross-
haar“ haben wir niemals angetroffen. Das Kopfhaar war mässig dick und grad-
linigen Verlaufs oder, namentlich bei den Bakaïrí und Nahuquá, ausgesprochen
wellig. Zu unserer Ueberraschung sahen wir unter den Bakaïrí reine Lockenköpfe,
wie beispielsweise der Typus Tafel 13 wiedergibt. Wieviel davon Natur, wieviel
Kunst war, ist schwer zu sagen. Jedenfalls hatte der alte Paleko in Maigéri, der
längst über die Eitelkeit der Jugend erhaben war, kurzes lockiges Haar. Wellig
ist das Haar der Bakaïrí auch ohne künstliche Behandlung. Zuweilen war die
Stirn bis in die Nähe der Brauen behaart.

Die Wimpern, besonders bei den Nahuquá bis auf die letzte Spur ver-
schwunden, wurden ausgerupft. Desgleichen das Barthaar. Doch trafen wir öfters
einen mässigen Schnurr- oder Kinnbart, gelegentlich auch Wangenbart, zumeist
bei den Kamayurá. Achsel- und Schamhaar wurden ebenfalls ausgerupft.

Der Gesichtstypus der einzelnen Stämme zeigte gewisse Verschiedenheiten,
die schwer zu definieren sind. Es giebt ein Bakaïrí-Gesicht, das ich mir zutrauen
würde, nicht mit einem Gesicht aus den übrigen Kulisehustämmen zu verwechseln,
das aber mit Karaiben der Guyanas die grösste Aehnlichkeit besitzt. Auch einen
von Ehrenreich photographierten karaibischen Apiaká des Tokantíns würde ich
sofort für einen Bakaïrí erklären. Andere Bakaïrí aber könnten nach ihrer Physio-
gnomie auch wieder beliebigen andern Kulisehustämmen angehören. Je mehr
Indianer man kennen lernte, desto unsicherer wurde man natürlich. Das Bakaïrí-
oder Karaibengesicht, das ich meine, hat fast europäische Bildung, die Prognathie
ist gering, Stirn nicht hoch aber gut gewölbt, die Nase hat einen etwas breiten
Rücken, kräftige Flügel, eine rundliche Spitze, breite Oberlippen, die Augen
sind schön mandelförmig geschnitten und voll. Dagegen giebt es einen zweiten
Bakaïrítypus mit starker Prognathie, einem stark zurückweichenden Kinn, niedriger
schräger Stirn und einer längeren Nase mit gebogenem Rücken, der uns besonders
an den Bakaïrí des Paranatinga auffiel. Eine sonderbare Spezialität des dritten
Bakaïrídorfes waren ausgeprägt jüdische Physiognomien. Der Lichtdruck Tafel 13

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[171/0213] Die Hautfarbe zeichnete sich in allen Abstufungen durch gelbgraue Lehm- töne aus; Sonnenbrand, Schmutz und Bemalung erschwerten die Feststellung der ursprünglichen Farbe ausserordentlich und nur unter den Baumwollbinden der Oberarme oder Unterschenkel erkannte man, wie hell die Indianer eigentlich waren. Wilhelm legte eine kleine Farbentafel an Ort und Stelle an; ihr zufolge fällt der Durchschnittston zwischen Nummer 30 und 33 der Broca’schen Tafel; dunkleren Tönen war ein entschiedenes Lila-Violett beigemischt, namentlich auf Brust und Bauch, den helleren etwas Gelb. Wir gebrauchten auch die Radde’schen Tafeln und fanden die meiste Aehnlichkeit für Stirn und Wange mit 33 m bis n oder auch 33 o, den Oberarm annähernd 33 m. Das Haupthaar war schwarz, besonders bei den Bakaïrí, Nahuquá und Auetö́ braunschwarz. Blauschwarzer Ton kam nicht vor. Dagegen sah das Haar, besonders der Bakaïríkinder, bei schräg auffallendem Licht merkwürdig hell und verschossen aus, es spielte zuweilen in einem dunkelrosafarbigen Schimmer. „Ross- haar“ haben wir niemals angetroffen. Das Kopfhaar war mässig dick und grad- linigen Verlaufs oder, namentlich bei den Bakaïrí und Nahuquá, ausgesprochen wellig. Zu unserer Ueberraschung sahen wir unter den Bakaïrí reine Lockenköpfe, wie beispielsweise der Typus Tafel 13 wiedergibt. Wieviel davon Natur, wieviel Kunst war, ist schwer zu sagen. Jedenfalls hatte der alte Paleko in Maigéri, der längst über die Eitelkeit der Jugend erhaben war, kurzes lockiges Haar. Wellig ist das Haar der Bakaïrí auch ohne künstliche Behandlung. Zuweilen war die Stirn bis in die Nähe der Brauen behaart. Die Wimpern, besonders bei den Nahuquá bis auf die letzte Spur ver- schwunden, wurden ausgerupft. Desgleichen das Barthaar. Doch trafen wir öfters einen mässigen Schnurr- oder Kinnbart, gelegentlich auch Wangenbart, zumeist bei den Kamayurá. Achsel- und Schamhaar wurden ebenfalls ausgerupft. Der Gesichtstypus der einzelnen Stämme zeigte gewisse Verschiedenheiten, die schwer zu definieren sind. Es giebt ein Bakaïrí-Gesicht, das ich mir zutrauen würde, nicht mit einem Gesicht aus den übrigen Kulisehustämmen zu verwechseln, das aber mit Karaiben der Guyanas die grösste Aehnlichkeit besitzt. Auch einen von Ehrenreich photographierten karaibischen Apiaká des Tokantíns würde ich sofort für einen Bakaïrí erklären. Andere Bakaïrí aber könnten nach ihrer Physio- gnomie auch wieder beliebigen andern Kulisehustämmen angehören. Je mehr Indianer man kennen lernte, desto unsicherer wurde man natürlich. Das Bakaïrí- oder Karaibengesicht, das ich meine, hat fast europäische Bildung, die Prognathie ist gering, Stirn nicht hoch aber gut gewölbt, die Nase hat einen etwas breiten Rücken, kräftige Flügel, eine rundliche Spitze, breite Oberlippen, die Augen sind schön mandelförmig geschnitten und voll. Dagegen giebt es einen zweiten Bakaïrítypus mit starker Prognathie, einem stark zurückweichenden Kinn, niedriger schräger Stirn und einer längeren Nase mit gebogenem Rücken, der uns besonders an den Bakaïrí des Paranatinga auffiel. Eine sonderbare Spezialität des dritten Bakaïrídorfes waren ausgeprägt jüdische Physiognomien. Der Lichtdruck Tafel 13

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/213>, abgerufen am 06.05.2024.