überrascht, machten wir Halt, brachten die Sammlung und die Apparate unter das Kanu und sahen mit Ueberraschung, dass die Indianer entsetzlich froren und am ganzen Körper zitterten wie zarte Damen nach einem Ball im Schneewetter. Einzelne klapperten mit den Zähnen im schönsten Schüttelfrost. Es goss freilich eimerweise und das Sturzbad, empfindlich kalt, hatte kaum mehr als 15°. Unsere guten Mehinaku waren unglücklich, dass wir nicht ihrem Beispiel folgten und gegen die himmlischen Schleusen pusteten, sie bauten sich in der Eile, wohl mehr um sich zu beschäftigen, ein Schutzdach und jammerten ohn' Ende "uläpe, uläpe!"
Im Hafen der Mehinaku erwarben wir noch ein Kanu; die Auetö, die uns bis hierher begleitet hatten, waren mittlerweile spurlos verschwunden. Auch Vogels Hirschfänger fehlte.
Das Nahuquadorf stand unter dem Zeichen der Pikiernte. Wie die Kugeln im Arsenal lagen die Piki in Haufen draussen und drinnen. Gestelle in den Häusern waren zum Trocknen der Kerne aufgestellt, die Weiber beschäftigt, die Früchte zu schälen, zu kochen und die Kerne abzukratzen, Menschen und Geräte buttergelb -- Caryocar butyrosum. Kein Pogu, sondern Pikibrühe; die Pikikerne von mandelartigem Geschmack, eine Latwerge "Pikikraut" gar nicht übel in be- scheidener Dosis. Viele krank in den Hängematten, Magen und Haut verdorben, ein alter Glatzkopf Gesicht und Schädel mit Geschwüren bedeckt. Tumayaua erhielt Piki zum Abschied auf den Weg. Nur ein Neugeborenes, das uns die Mutter brachte, damit wir es anbliesen, schien noch nichts von Piki zu wissen.
Im Bakairidorf III, das die uns begleitenden Nahuqua übrigens nicht be- treten wollten, war die alte Festhütte abgebrannt und man zeigte sich sehr ängstlich gegenüber den früher so bewunderten Streichhölzern. Dafür fanden wir prächtige Vogel- und Fisch-Masken. Von zwei bestellten Kanus war das eine noch nicht fertig und das andere verunglückt.
Bakairidorf II war wie ausgestorben. Die Bewohner waren zum Teil, es blieb unklar, weshalb, abwesend, auch hatten wir offenbar das erste Mal fremde Gäste gesehen und mitgerechnet. Doch war Häuptling Aramöke liebenswürdig wie immer und liess uns Beijus vorsetzen, die wir daheim in der feinsten Thee- gesellschaft hätten anbieten dürfen. Nur mit grosser Mühe fanden wir einige Männer, um einen Teil der Sammlung ein Stück Weges über Land zu schaffen. Immer hiess es, sie müssten bei den Kindern bleiben. Dann lag eine Frau mit Brandwunden am Arm im Häuptlingshause, die auch der Gesellschaft bedurfte. Ein Kollege mit sehr sachverständigem Gesicht sass bei ihr und bekam zuweilen einen therapeutischen Anfall, während dessen er gottserbärmlich ächzend Wolken von Tabaksdampf über die Kranke blies oder auch der Wand zugewandt ent- setzlich stöhnte. Der "Droschkenkutscher", der uns mit Tumayaua bis zu den Auetö begleitet hatte und der ein grosser Zauberarzt war, trennte sich hier von uns. Er musste sich durchaus an der Behandlung beteiligen und war nicht zu bewegen, den Fall dem doch äusserst tüchtig blasenden Kollegen allein zu über- lassen. Zum Lohn für dieses zivilisierte Verhalten verschafften wir ihm auch ein
überrascht, machten wir Halt, brachten die Sammlung und die Apparate unter das Kanu und sahen mit Ueberraschung, dass die Indianer entsetzlich froren und am ganzen Körper zitterten wie zarte Damen nach einem Ball im Schneewetter. Einzelne klapperten mit den Zähnen im schönsten Schüttelfrost. Es goss freilich eimerweise und das Sturzbad, empfindlich kalt, hatte kaum mehr als 15°. Unsere guten Mehinakú waren unglücklich, dass wir nicht ihrem Beispiel folgten und gegen die himmlischen Schleusen pusteten, sie bauten sich in der Eile, wohl mehr um sich zu beschäftigen, ein Schutzdach und jammerten ohn’ Ende „uläpe, uläpe!“
Im Hafen der Mehinakú erwarben wir noch ein Kanu; die Auetö́, die uns bis hierher begleitet hatten, waren mittlerweile spurlos verschwunden. Auch Vogels Hirschfänger fehlte.
Das Nahuquádorf stand unter dem Zeichen der Pikíernte. Wie die Kugeln im Arsenal lagen die Pikí in Haufen draussen und drinnen. Gestelle in den Häusern waren zum Trocknen der Kerne aufgestellt, die Weiber beschäftigt, die Früchte zu schälen, zu kochen und die Kerne abzukratzen, Menschen und Geräte buttergelb — Caryocar butyrosum. Kein Pogu, sondern Pikíbrühe; die Pikíkerne von mandelartigem Geschmack, eine Latwerge »Pikíkraut« gar nicht übel in be- scheidener Dosis. Viele krank in den Hängematten, Magen und Haut verdorben, ein alter Glatzkopf Gesicht und Schädel mit Geschwüren bedeckt. Tumayaua erhielt Pikí zum Abschied auf den Weg. Nur ein Neugeborenes, das uns die Mutter brachte, damit wir es anbliesen, schien noch nichts von Pikí zu wissen.
Im Bakaïrídorf III, das die uns begleitenden Nahuquá übrigens nicht be- treten wollten, war die alte Festhütte abgebrannt und man zeigte sich sehr ängstlich gegenüber den früher so bewunderten Streichhölzern. Dafür fanden wir prächtige Vogel- und Fisch-Masken. Von zwei bestellten Kanus war das eine noch nicht fertig und das andere verunglückt.
Bakaïrídorf II war wie ausgestorben. Die Bewohner waren zum Teil, es blieb unklar, weshalb, abwesend, auch hatten wir offenbar das erste Mal fremde Gäste gesehen und mitgerechnet. Doch war Häuptling Aramöke liebenswürdig wie immer und liess uns Beijús vorsetzen, die wir daheim in der feinsten Thee- gesellschaft hätten anbieten dürfen. Nur mit grosser Mühe fanden wir einige Männer, um einen Teil der Sammlung ein Stück Weges über Land zu schaffen. Immer hiess es, sie müssten bei den Kindern bleiben. Dann lag eine Frau mit Brandwunden am Arm im Häuptlingshause, die auch der Gesellschaft bedurfte. Ein Kollege mit sehr sachverständigem Gesicht sass bei ihr und bekam zuweilen einen therapeutischen Anfall, während dessen er gottserbärmlich ächzend Wolken von Tabaksdampf über die Kranke blies oder auch der Wand zugewandt ent- setzlich stöhnte. Der »Droschkenkutscher«, der uns mit Tumayaua bis zu den Auetö́ begleitet hatte und der ein grosser Zauberarzt war, trennte sich hier von uns. Er musste sich durchaus an der Behandlung beteiligen und war nicht zu bewegen, den Fall dem doch äusserst tüchtig blasenden Kollegen allein zu über- lassen. Zum Lohn für dieses zivilisierte Verhalten verschafften wir ihm auch ein
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Einzelne klapperten mit den Zähnen im schönsten Schüttelfrost. Es goss freilich
eimerweise und das Sturzbad, empfindlich kalt, hatte kaum mehr als 15°. Unsere
guten Mehinakú waren unglücklich, dass wir nicht ihrem Beispiel folgten und
gegen die himmlischen Schleusen pusteten, sie bauten sich in der Eile, wohl mehr
um sich zu beschäftigen, ein Schutzdach und jammerten ohn’ Ende „uläpe, uläpe!“
Im Hafen der Mehinakú erwarben wir noch ein Kanu; die Auetö́, die uns
bis hierher begleitet hatten, waren mittlerweile spurlos verschwunden. Auch
Vogels Hirschfänger fehlte.
Das Nahuquádorf stand unter dem Zeichen der Pikíernte. Wie die Kugeln
im Arsenal lagen die Pikí in Haufen draussen und drinnen. Gestelle in den
Häusern waren zum Trocknen der Kerne aufgestellt, die Weiber beschäftigt, die
Früchte zu schälen, zu kochen und die Kerne abzukratzen, Menschen und Geräte
buttergelb — Caryocar butyrosum. Kein Pogu, sondern Pikíbrühe; die Pikíkerne
von mandelartigem Geschmack, eine Latwerge »Pikíkraut« gar nicht übel in be-
scheidener Dosis. Viele krank in den Hängematten, Magen und Haut verdorben,
ein alter Glatzkopf Gesicht und Schädel mit Geschwüren bedeckt. Tumayaua
erhielt Pikí zum Abschied auf den Weg. Nur ein Neugeborenes, das uns die Mutter
brachte, damit wir es anbliesen, schien noch nichts von Pikí zu wissen.
Im Bakaïrídorf III, das die uns begleitenden Nahuquá übrigens nicht be-
treten wollten, war die alte Festhütte abgebrannt und man zeigte sich sehr
ängstlich gegenüber den früher so bewunderten Streichhölzern. Dafür fanden wir
prächtige Vogel- und Fisch-Masken. Von zwei bestellten Kanus war das eine
noch nicht fertig und das andere verunglückt.
Bakaïrídorf II war wie ausgestorben. Die Bewohner waren zum Teil, es
blieb unklar, weshalb, abwesend, auch hatten wir offenbar das erste Mal fremde
Gäste gesehen und mitgerechnet. Doch war Häuptling Aramöke liebenswürdig
wie immer und liess uns Beijús vorsetzen, die wir daheim in der feinsten Thee-
gesellschaft hätten anbieten dürfen. Nur mit grosser Mühe fanden wir einige
Männer, um einen Teil der Sammlung ein Stück Weges über Land zu schaffen.
Immer hiess es, sie müssten bei den Kindern bleiben. Dann lag eine Frau mit
Brandwunden am Arm im Häuptlingshause, die auch der Gesellschaft bedurfte.
Ein Kollege mit sehr sachverständigem Gesicht sass bei ihr und bekam zuweilen
einen therapeutischen Anfall, während dessen er gottserbärmlich ächzend Wolken
von Tabaksdampf über die Kranke blies oder auch der Wand zugewandt ent-
setzlich stöhnte. Der »Droschkenkutscher«, der uns mit Tumayaua bis zu den
Auetö́ begleitet hatte und der ein grosser Zauberarzt war, trennte sich hier von
uns. Er musste sich durchaus an der Behandlung beteiligen und war nicht zu
bewegen, den Fall dem doch äusserst tüchtig blasenden Kollegen allein zu über-
lassen. Zum Lohn für dieses zivilisierte Verhalten verschafften wir ihm auch ein
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/168>, abgerufen am 05.10.2024.
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