sicht bestand, bei jenem Abstecher einen neuen Stamm anzutreffen. Zwar wurden wahrscheinlich die Dörfer der Trumai passiert, doch wussten wir, dass sie nach dem Kampfe mit den Suya geflohen waren und sich in unserer Nähe umhertrieben, denn vereinzelte Trumai waren bei den Auetö, den Yaulapiti und den Kamayura aufgetaucht. Wo der Kern des Stammes stecke, der allen Grund hatte, sich vor einem Zusammentreffen mit uns zu fürchten, war uns unbekannt. Man musste auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die wenig vertrauens- würdigen Suya sich noch irgendwo in der Nähe der Kulisehumündung aufhielten und noch nicht nach Hause zurückgekehrt waren.
Um allen Interessen und zugleich der nötigen Vorsicht zu genügen, wurde beschlossen, dass Vogel nach dem Auetöhafen gehe und sich von dort in zwei Kanus mit Perrot, Antonio, zwei Soldaten und ein paar Indianern nach Koblenz einschiffe, dass wir dagegen die Zeit bis zu seiner Rückkehr mit unseren Untersuchungen ausfüllten. So ging Vogel am 23. Oktober von den Kamayura weg und machte sich den 25. verabredetermassen vom Auetöhafen zur Kuluenemündung auf.
Wir Anderen verliessen unsere lieben Kamayura den 25. Oktober früh Morgens. Von Takuni und seinem Gelüst nach der Cuyabareise hörten wir nichts mehr. Doch wurden wir von einigen Indianern, die unsere Sammlung trugen, den Weg durch die unvergesslichen Mangavenhaine und den Wald bis zum zweiten Yaulapitidorf begleitet. Hier hatten wir wieder die Strecke mit Hinder- nissen vor uns: über die nördliche Lagune und durch ein Stück Kanal zum ersten Yaulapitidorf -- dann neue Einschiffung und Fahrt über die südliche Lagune -- hierauf Landweg zum Ende oder, von uns aus gerechnet, zum Anfang des Auetö- kanals, wo sich die Pflanzungen und Schutzhütten der Auetö befanden -- dort endlich wieder Einschiffung und Fahrt nach dem Auetödorf.
Das Unangenehme war, dass für diese drei Fahrten immer nur ein Kanu zur Verfügung stand, und dass es obendrein sehr leicht geschehen konnte, dass dieses Kanu sich gerade unterwegs befand und nicht zur Stelle war, wenn man es gebrauchte.
Von dem zweiten Yaulapitidorf fuhren in dem einen Kanu, das dort lag, zunächst Ehrenreich und ich ab, während Wilhelm und Carlos bei glühender Sonnenhitze über drei Stunden im schattenlosen Sumpf sitzen mussten, bis auch sie abgeholt wurden. Wir beiden gelangten zum ersten Yaulapitidorf und hatten viele Mühe, hier ein Kanu zu erhalten und wegzukommen; die Leute wollten uns durchaus länger bei sich sehen, um mehr Perlen und Messer zu bekommen. Der Häuptling schien aber doch auch einen anderen Grund zu haben, unsere Abreise zu verzögern. Erst als er sah, dass wir darauf bestanden, gab er uns ein Kanu und erzählte nun mit ängstlichem Gesicht, die Trumai seien bei den Auetö. Er war in grosser Besorgnis, dass wir ihnen Böses anthun wollten. Er drang inständigst in mich, davon abzustehen, und fragte mich beim Abschied noch einmal allen Ernstes mit einer sehr ausdrucksvollen Pantomime, ob ich nicht allen Trumai den Hals abschneiden werde?
sicht bestand, bei jenem Abstecher einen neuen Stamm anzutreffen. Zwar wurden wahrscheinlich die Dörfer der Trumaí passiert, doch wussten wir, dass sie nach dem Kampfe mit den Suyá geflohen waren und sich in unserer Nähe umhertrieben, denn vereinzelte Trumaí waren bei den Auetö́, den Yaulapiti und den Kamayurá aufgetaucht. Wo der Kern des Stammes stecke, der allen Grund hatte, sich vor einem Zusammentreffen mit uns zu fürchten, war uns unbekannt. Man musste auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die wenig vertrauens- würdigen Suyá sich noch irgendwo in der Nähe der Kulisehumündung aufhielten und noch nicht nach Hause zurückgekehrt waren.
Um allen Interessen und zugleich der nötigen Vorsicht zu genügen, wurde beschlossen, dass Vogel nach dem Auetö́hafen gehe und sich von dort in zwei Kanus mit Perrot, Antonio, zwei Soldaten und ein paar Indianern nach Koblenz einschiffe, dass wir dagegen die Zeit bis zu seiner Rückkehr mit unseren Untersuchungen ausfüllten. So ging Vogel am 23. Oktober von den Kamayurá weg und machte sich den 25. verabredetermassen vom Auetö́hafen zur Kuluënemündung auf.
Wir Anderen verliessen unsere lieben Kamayurá den 25. Oktober früh Morgens. Von Takuni und seinem Gelüst nach der Cuyabáreise hörten wir nichts mehr. Doch wurden wir von einigen Indianern, die unsere Sammlung trugen, den Weg durch die unvergesslichen Mangavenhaine und den Wald bis zum zweiten Yaulapitidorf begleitet. Hier hatten wir wieder die Strecke mit Hinder- nissen vor uns: über die nördliche Lagune und durch ein Stück Kanal zum ersten Yaulapitidorf — dann neue Einschiffung und Fahrt über die südliche Lagune — hierauf Landweg zum Ende oder, von uns aus gerechnet, zum Anfang des Auetö́- kanals, wo sich die Pflanzungen und Schutzhütten der Auetö́ befanden — dort endlich wieder Einschiffung und Fahrt nach dem Auetö́dorf.
Das Unangenehme war, dass für diese drei Fahrten immer nur ein Kanu zur Verfügung stand, und dass es obendrein sehr leicht geschehen konnte, dass dieses Kanu sich gerade unterwegs befand und nicht zur Stelle war, wenn man es gebrauchte.
Von dem zweiten Yaulapitidorf fuhren in dem einen Kanu, das dort lag, zunächst Ehrenreich und ich ab, während Wilhelm und Carlos bei glühender Sonnenhitze über drei Stunden im schattenlosen Sumpf sitzen mussten, bis auch sie abgeholt wurden. Wir beiden gelangten zum ersten Yaulapitidorf und hatten viele Mühe, hier ein Kanu zu erhalten und wegzukommen; die Leute wollten uns durchaus länger bei sich sehen, um mehr Perlen und Messer zu bekommen. Der Häuptling schien aber doch auch einen anderen Grund zu haben, unsere Abreise zu verzögern. Erst als er sah, dass wir darauf bestanden, gab er uns ein Kanu und erzählte nun mit ängstlichem Gesicht, die Trumaí seien bei den Auetö́. Er war in grosser Besorgnis, dass wir ihnen Böses anthun wollten. Er drang inständigst in mich, davon abzustehen, und fragte mich beim Abschied noch einmal allen Ernstes mit einer sehr ausdrucksvollen Pantomime, ob ich nicht allen Trumaí den Hals abschneiden werde?
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[121/0157]
sicht bestand, bei jenem Abstecher einen neuen Stamm anzutreffen. Zwar
wurden wahrscheinlich die Dörfer der Trumaí passiert, doch wussten wir, dass
sie nach dem Kampfe mit den Suyá geflohen waren und sich in unserer Nähe
umhertrieben, denn vereinzelte Trumaí waren bei den Auetö́, den Yaulapiti und
den Kamayurá aufgetaucht. Wo der Kern des Stammes stecke, der allen Grund
hatte, sich vor einem Zusammentreffen mit uns zu fürchten, war uns unbekannt.
Man musste auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die wenig vertrauens-
würdigen Suyá sich noch irgendwo in der Nähe der Kulisehumündung aufhielten
und noch nicht nach Hause zurückgekehrt waren.
Um allen Interessen und zugleich der nötigen Vorsicht zu genügen, wurde
beschlossen, dass Vogel nach dem Auetö́hafen gehe und sich von dort in zwei Kanus
mit Perrot, Antonio, zwei Soldaten und ein paar Indianern nach Koblenz einschiffe,
dass wir dagegen die Zeit bis zu seiner Rückkehr mit unseren Untersuchungen
ausfüllten. So ging Vogel am 23. Oktober von den Kamayurá weg und machte
sich den 25. verabredetermassen vom Auetö́hafen zur Kuluënemündung auf.
Wir Anderen verliessen unsere lieben Kamayurá den 25. Oktober früh
Morgens. Von Takuni und seinem Gelüst nach der Cuyabáreise hörten wir nichts
mehr. Doch wurden wir von einigen Indianern, die unsere Sammlung trugen,
den Weg durch die unvergesslichen Mangavenhaine und den Wald bis zum
zweiten Yaulapitidorf begleitet. Hier hatten wir wieder die Strecke mit Hinder-
nissen vor uns: über die nördliche Lagune und durch ein Stück Kanal zum ersten
Yaulapitidorf — dann neue Einschiffung und Fahrt über die südliche Lagune —
hierauf Landweg zum Ende oder, von uns aus gerechnet, zum Anfang des Auetö́-
kanals, wo sich die Pflanzungen und Schutzhütten der Auetö́ befanden — dort
endlich wieder Einschiffung und Fahrt nach dem Auetö́dorf.
Das Unangenehme war, dass für diese drei Fahrten immer nur ein Kanu
zur Verfügung stand, und dass es obendrein sehr leicht geschehen konnte, dass
dieses Kanu sich gerade unterwegs befand und nicht zur Stelle war, wenn man es
gebrauchte.
Von dem zweiten Yaulapitidorf fuhren in dem einen Kanu, das dort lag,
zunächst Ehrenreich und ich ab, während Wilhelm und Carlos bei glühender
Sonnenhitze über drei Stunden im schattenlosen Sumpf sitzen mussten, bis auch
sie abgeholt wurden. Wir beiden gelangten zum ersten Yaulapitidorf und hatten
viele Mühe, hier ein Kanu zu erhalten und wegzukommen; die Leute wollten uns
durchaus länger bei sich sehen, um mehr Perlen und Messer zu bekommen.
Der Häuptling schien aber doch auch einen anderen Grund zu haben, unsere
Abreise zu verzögern. Erst als er sah, dass wir darauf bestanden, gab er uns
ein Kanu und erzählte nun mit ängstlichem Gesicht, die Trumaí seien bei den
Auetö́. Er war in grosser Besorgnis, dass wir ihnen Böses anthun wollten. Er
drang inständigst in mich, davon abzustehen, und fragte mich beim Abschied noch
einmal allen Ernstes mit einer sehr ausdrucksvollen Pantomime, ob ich nicht allen
Trumaí den Hals abschneiden werde?
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/157>, abgerufen am 14.10.2024.
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