feierlichem Schweigen. Neben uns lag durch einen Zaun von niedrigen Pfosten, die man mit Flechtwerk verbunden hatte, im Geviert abgesteckt, eine Grabstätte (vgl. Tafel 15); Einzelne sassen gemütlich auf den Pfosten. Nun trat der Häuptling Auayato aus einer dem Flötenhause gegenüberliegenden Hütte hervor, Pfeil und Bogen in den Händen, den Hals mit einer Kette von Jaguarkrallen und den Kopf mit einem Diadem aus Jaguarfell geschmückt. Ziemlich fern von uns, in der Mitte des Platzes, setzte er sich auf den Boden und hielt mit lauter Stimme eine lange Festrede. Wir antworteten eifrig: katu, kura u. s. w., u. s. w. Dann stand er
[Abbildung]
[Abbildung]
Abb. 5.
Auetö-Häuptling Auayato.
auf, kam herbei, setzte sich dicht vor mich hin und hielt dieselbe Rede noch einmal. Auch wir sagten alles, was uns einfiel; ich überreichte ihm ein schönes Messer, und wir alle waren ein Herz und eine Seele. Sie machten sich nicht wenig über die Mehinaku lustig, deren Weiber davongelaufen seien, und schienen eine besondere Genugthuung darin zu finden, dass ihre Nachbarn ungeschickt ge- wesen und von mir zurecht gewiesen seien. Auch sie drückten den lebhaften Wunsch aus, Perlen zu bekommen, benahmen sich dabei aber höfllich und anständig.
Die Auetö standen noch unter dem tiefen Eindruck des Kampfes zwischen den Suya und Trumai. Es wurde uns dies später noch verständlicher, als wir
feierlichem Schweigen. Neben uns lag durch einen Zaun von niedrigen Pfosten, die man mit Flechtwerk verbunden hatte, im Geviert abgesteckt, eine Grabstätte (vgl. Tafel 15); Einzelne sassen gemütlich auf den Pfosten. Nun trat der Häuptling Auayato aus einer dem Flötenhause gegenüberliegenden Hütte hervor, Pfeil und Bogen in den Händen, den Hals mit einer Kette von Jaguarkrallen und den Kopf mit einem Diadem aus Jaguarfell geschmückt. Ziemlich fern von uns, in der Mitte des Platzes, setzte er sich auf den Boden und hielt mit lauter Stimme eine lange Festrede. Wir antworteten eifrig: katú, kúra u. s. w., u. s. w. Dann stand er
[Abbildung]
[Abbildung]
Abb. 5.
Auetö́-Häuptling Auayato.
auf, kam herbei, setzte sich dicht vor mich hin und hielt dieselbe Rede noch einmal. Auch wir sagten alles, was uns einfiel; ich überreichte ihm ein schönes Messer, und wir alle waren ein Herz und eine Seele. Sie machten sich nicht wenig über die Mehinakú lustig, deren Weiber davongelaufen seien, und schienen eine besondere Genugthuung darin zu finden, dass ihre Nachbarn ungeschickt ge- wesen und von mir zurecht gewiesen seien. Auch sie drückten den lebhaften Wunsch aus, Perlen zu bekommen, benahmen sich dabei aber höfllich und anständig.
Die Auetö́ standen noch unter dem tiefen Eindruck des Kampfes zwischen den Suyá und Trumaí. Es wurde uns dies später noch verständlicher, als wir
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0142"n="108"/>
feierlichem Schweigen. Neben uns lag durch einen Zaun von niedrigen Pfosten,<lb/>
die man mit Flechtwerk verbunden hatte, im Geviert abgesteckt, eine Grabstätte<lb/>
(vgl. Tafel 15); Einzelne sassen gemütlich auf den Pfosten. Nun trat der Häuptling<lb/><hirendition="#g">Auayato</hi> aus einer dem Flötenhause gegenüberliegenden Hütte hervor, Pfeil und<lb/>
Bogen in den Händen, den Hals mit einer Kette von Jaguarkrallen und den Kopf<lb/>
mit einem Diadem aus Jaguarfell geschmückt. Ziemlich fern von uns, in der Mitte<lb/>
des Platzes, setzte er sich auf den Boden und hielt mit lauter Stimme eine lange<lb/>
Festrede. Wir antworteten eifrig: <hirendition="#i">katú</hi>, <hirendition="#i">kúra</hi> u. s. w., u. s. w. Dann stand er<lb/><figure/><figure><head>Abb. 5. </head><p><hirendition="#g">Auetö́-Häuptling Auayato</hi>.</p></figure><lb/>
auf, kam herbei, setzte sich dicht vor mich hin und hielt dieselbe Rede noch<lb/>
einmal. Auch wir sagten alles, was uns einfiel; ich überreichte ihm ein schönes<lb/>
Messer, und wir alle waren ein Herz und eine Seele. Sie machten sich nicht<lb/>
wenig über die Mehinakú lustig, deren Weiber davongelaufen seien, und schienen<lb/>
eine besondere Genugthuung darin zu finden, dass ihre Nachbarn ungeschickt ge-<lb/>
wesen und von mir zurecht gewiesen seien. Auch sie drückten den lebhaften Wunsch<lb/>
aus, Perlen zu bekommen, benahmen sich dabei aber höfllich und anständig.</p><lb/><p>Die Auetö́ standen noch unter dem tiefen Eindruck des Kampfes zwischen<lb/>
den Suyá und Trumaí. Es wurde uns dies später noch verständlicher, als wir<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[108/0142]
feierlichem Schweigen. Neben uns lag durch einen Zaun von niedrigen Pfosten,
die man mit Flechtwerk verbunden hatte, im Geviert abgesteckt, eine Grabstätte
(vgl. Tafel 15); Einzelne sassen gemütlich auf den Pfosten. Nun trat der Häuptling
Auayato aus einer dem Flötenhause gegenüberliegenden Hütte hervor, Pfeil und
Bogen in den Händen, den Hals mit einer Kette von Jaguarkrallen und den Kopf
mit einem Diadem aus Jaguarfell geschmückt. Ziemlich fern von uns, in der Mitte
des Platzes, setzte er sich auf den Boden und hielt mit lauter Stimme eine lange
Festrede. Wir antworteten eifrig: katú, kúra u. s. w., u. s. w. Dann stand er
[Abbildung]
[Abbildung Abb. 5. Auetö́-Häuptling Auayato.]
auf, kam herbei, setzte sich dicht vor mich hin und hielt dieselbe Rede noch
einmal. Auch wir sagten alles, was uns einfiel; ich überreichte ihm ein schönes
Messer, und wir alle waren ein Herz und eine Seele. Sie machten sich nicht
wenig über die Mehinakú lustig, deren Weiber davongelaufen seien, und schienen
eine besondere Genugthuung darin zu finden, dass ihre Nachbarn ungeschickt ge-
wesen und von mir zurecht gewiesen seien. Auch sie drückten den lebhaften Wunsch
aus, Perlen zu bekommen, benahmen sich dabei aber höfllich und anständig.
Die Auetö́ standen noch unter dem tiefen Eindruck des Kampfes zwischen
den Suyá und Trumaí. Es wurde uns dies später noch verständlicher, als wir
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/142>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.