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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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in den Kürbisschalen war leider nicht der wohlschmeckende Püserego enthalten,
sondern nur der gewöhnliche Pogu-Mandiokakleister. Sie liessen uns einige Piki-
früchte, die im allgemeinen noch nicht reif waren, als Delikatessen probieren; ein
kleines Stückchen mit Beiju schmeckte auch gar nicht so übel, doch wurde uns
der fettige Geschmack bald zu stark und erregte Widerwillen.

Die Nahuqua waren kräftige, etwas plumpe Gestalten, an denen uns die
viereckigen Gesichter besonders auffielen. Viele von ihnen hatten ein Doppel-
kinn. Bei mehreren bemerkten wir Bemalung auf der Brust mit runden
Klexen, Dreiecken und dergl.; einer trug eine Schlangenlinie über den Ober-
schenkel. Zum Ausdruck der Bewunderung oder gewaltigen Erstaunens drückten
sie eine Hand fest vor Mund und Nase und liessen dahinter allerlei Töne, hö hö
, hören, wie wir deren zuweilen beim Kopfschütteln machen. Es wurden uns
riesige Zigarren von 40 cm Länge angeboten; anscheinend stand dieses Format
im graden Verhältnis zur grossen Angst der Geber.

Nachdem die Empfangsfeierlichkeit beendet war, krochen wir in das Flöten-
haus, um unsere Sachen dort niederzulegen. Die Beijuladungen und Getränke
schleppte man uns eilfertig nach. In dem Haus der Männer, das sehr geräumig
und sehr sorgfältig gebaut war, sah es trostlos leer aus. Ein öder Raum, nur
hie und da ein paar Strohreste von Tanzkostümen auf dem Boden. Wir be-
suchten einzelne Hütten: sie waren ausgeräumt, hie und da hing eine einsame
Hängematte, aber die sonst überall vorhandene Menge des Hausrats von Körben,
Kalabassen, Töpfen fehlte; es fehlten an den Wänden die Steinbeile, die Bogen,
die Pfeile. Besonders schmerzlich aber vermissten wir die Krone der Schöpfung.
Nur ein paar alte Weiber von abscheulicher Hässlichkeit -- abschreckend mager,
die Haut am ganzen Körper verrunzelt, wirres mehlbestreutes Haar, trippelnder
Gang mit eingeknickten Beinen -- liessen sich erblicken; sie grinsten uns freundlich
an und waren gute thätige Geschöpfe, denen wir auch unsere Beijus zu verdanken
hatten. Die schönere Jugend war weit in den Wald entflohen.

Ueberall trat uns starkes Misstrauen entgegen; zu jedem Gang schloss sich
starke Geleitschaft an, und sie versicherten so leidenschaftlich und häufig ihr
"atötö atötö atötö", was dem "kura" der Bakairi entspricht, dass man sich schwer
verhehlen konnte, ihre Zunge spreche das Gegenteil aus von dem, was das Herz
empfand. Was wir nur von Kleinigkeiten fanden, erhandelten wir und gaben
unverhältnismässig grosse Gegengeschenke, um ihre Habgier ein wenig anzuregen.
Perrot blies als Medizinmann Mehrere mit Tabakrauch an und rieb sie mit
Vaselin ein. Ein Alter schleppte seinen Sohn von einem zum andern und beruhigte
sich nicht eher, als bis jeder ihn angepustet hatte.

Wir hielten es für gut, unsere Zahl zu verringern; zuerst kehrten Antonio
und Tumayaua, später Perrot und Vogel nach dem Hafen zurück, zumal letzterer
dort eine Breitenbestimmung machen wollte. Ehrenreich, mein Vetter und ich
blieben mit den Bakairi vom dritten Dorfe zurück und wollten unter allen Um-
ständen bei unseren Gastfreunden schlafen, so missfällig dieser Entschluss auch

v. d. Steinen, Zentral-Brasilien. 7

in den Kürbisschalen war leider nicht der wohlschmeckende Püserego enthalten,
sondern nur der gewöhnliche Pogu-Mandiokakleister. Sie liessen uns einige Pikí-
früchte, die im allgemeinen noch nicht reif waren, als Delikatessen probieren; ein
kleines Stückchen mit Beijú schmeckte auch gar nicht so übel, doch wurde uns
der fettige Geschmack bald zu stark und erregte Widerwillen.

Die Nahuquá waren kräftige, etwas plumpe Gestalten, an denen uns die
viereckigen Gesichter besonders auffielen. Viele von ihnen hatten ein Doppel-
kinn. Bei mehreren bemerkten wir Bemalung auf der Brust mit runden
Klexen, Dreiecken und dergl.; einer trug eine Schlangenlinie über den Ober-
schenkel. Zum Ausdruck der Bewunderung oder gewaltigen Erstaunens drückten
sie eine Hand fest vor Mund und Nase und liessen dahinter allerlei Töne, hö hö
, hören, wie wir deren zuweilen beim Kopfschütteln machen. Es wurden uns
riesige Zigarren von 40 cm Länge angeboten; anscheinend stand dieses Format
im graden Verhältnis zur grossen Angst der Geber.

Nachdem die Empfangsfeierlichkeit beendet war, krochen wir in das Flöten-
haus, um unsere Sachen dort niederzulegen. Die Beijúladungen und Getränke
schleppte man uns eilfertig nach. In dem Haus der Männer, das sehr geräumig
und sehr sorgfältig gebaut war, sah es trostlos leer aus. Ein öder Raum, nur
hie und da ein paar Strohreste von Tanzkostümen auf dem Boden. Wir be-
suchten einzelne Hütten: sie waren ausgeräumt, hie und da hing eine einsame
Hängematte, aber die sonst überall vorhandene Menge des Hausrats von Körben,
Kalabassen, Töpfen fehlte; es fehlten an den Wänden die Steinbeile, die Bogen,
die Pfeile. Besonders schmerzlich aber vermissten wir die Krone der Schöpfung.
Nur ein paar alte Weiber von abscheulicher Hässlichkeit — abschreckend mager,
die Haut am ganzen Körper verrunzelt, wirres mehlbestreutes Haar, trippelnder
Gang mit eingeknickten Beinen — liessen sich erblicken; sie grinsten uns freundlich
an und waren gute thätige Geschöpfe, denen wir auch unsere Beijús zu verdanken
hatten. Die schönere Jugend war weit in den Wald entflohen.

Ueberall trat uns starkes Misstrauen entgegen; zu jedem Gang schloss sich
starke Geleitschaft an, und sie versicherten so leidenschaftlich und häufig ihr
atötö atötö atötö“, was dem „kura“ der Bakaïrí entspricht, dass man sich schwer
verhehlen konnte, ihre Zunge spreche das Gegenteil aus von dem, was das Herz
empfand. Was wir nur von Kleinigkeiten fanden, erhandelten wir und gaben
unverhältnismässig grosse Gegengeschenke, um ihre Habgier ein wenig anzuregen.
Perrot blies als Medizinmann Mehrere mit Tabakrauch an und rieb sie mit
Vaselin ein. Ein Alter schleppte seinen Sohn von einem zum andern und beruhigte
sich nicht eher, als bis jeder ihn angepustet hatte.

Wir hielten es für gut, unsere Zahl zu verringern; zuerst kehrten Antonio
und Tumayaua, später Perrot und Vogel nach dem Hafen zurück, zumal letzterer
dort eine Breitenbestimmung machen wollte. Ehrenreich, mein Vetter und ich
blieben mit den Bakaïrí vom dritten Dorfe zurück und wollten unter allen Um-
ständen bei unseren Gastfreunden schlafen, so missfällig dieser Entschluss auch

v. d. Steinen, Zentral-Brasilien. 7
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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/129>, abgerufen am 23.11.2024.