"Eseti?" "Eseti?" "Wie heisst das?" rief die ganze Gesellschaft unisono und alle plagten sich redlich, die portugiesischen Wörter nachzusprechen. Der Eine oder Andere flüsterte oft, während die Unterhaltung weiter ging, das Wort noch lange vor sich hin. Zwei Konsonanten hintereinander vermochten sie nicht auszusprechen. Gelang es aber hier und da, ein geeignetes Wort gut wiederzugeben, war die Freude gross, und ich hatte den Eindruck, als ob ihnen nun der Gegenstand selbst auch vertrauter erscheine. Als Name für mein Schreibbuch war "papera", von dem portugiesischen papel, Papier, in Aufnahme gebracht worden, und während sie im Anfang das unbegreifliche Ding nicht genug hatten betrachten und betasten können, wussten sie sich nun rasch damit abzufinden: es war eben einfach "papera".
Ueberall in der Welt, wo man einer fremden Sprache gegenübertritt, will man recht bald wissen, was "ein hübsches Mädchen" heisst. Ihr "pekoto iwaku" oder das lieblichere "pekoto iwakulukulu" konnte ich ihnen mit den Worten, die sie gut nachzusprechen im Stande waren, "moca bonita" übersetzen und das wurde nun mit Entzücken geübt. Ich hatte zuerst Eva mein "moca bonita" vorgesagt, sie lachte, errötete und sprach es zierlich und deutlich aus. Sie lachte weiter, stiess ihren Gatten Kulekule in die Rippen -- genau so wie eine kräftige Person bei uns thun würde, die sich über einen guten Einfall freut -- die beiden tuschelten zusammen, und ich wurde gebeten zu sagen, was nun "ein hübscher Mann" heisse. Als ich Tumayaua's portugiesische Versuche, die in der That, ob- wohl er Häuptling war, nicht sehr glücklich ausfielen, einmal nachahmte, lachte der ganze Chorus in einer Weise, dass sie vor Lachen nicht mehr reden konnten, sie jodelten förmlich vor Ausgelassenheit.
Das waren die düstern und verschlossenen Indianer. Wurde es ihnen mit dem Geplauder des Guten zu viel, so gähnte Alles aufrichtig und ohne die Hand vor den Mund zu halten. Dass der wohlthuende Reflex auch hier ansteckte, liess sich nicht verkennen. Dann stand Einer nach dem Andern auf, und ich blieb allein mit meinem Dujour.
Die verschiedenen Abkommandirten waren von sehr verschiedener Brauch- barkeit für meine Zwecke. Einige ermüdeten zu rasch, andere waren zu unstät. Der dicke bäurische Yapü z. B. gähnte nach wenigen Minuten und sein Gesicht schien zu sagen: "Herr, Sie fragen zu viel", und Luchu, der eitle Fant, wollte sich nur amüsieren. Von den Jüngeren nützte mir nur der merkwürdige Kule- kule. Dieser war in der That schweigsam und zurückhaltend, aber er kam offenbar gern, lachte still für sich hin, und wenn er dann den Mund zum Reden aufthat, antwortete er besser als die Uebrigen. Er hatte für einen Topf von mir Perlen bekommen, sie aber abliefern müssen; ich schenkte ihm neue und nahm einen andern Topf, den er brachte, nicht an. Darüber war er glücklich, gab mir eine Schale des faden Pogugetränkes und setzte sich, den Kopf zutraulich an meine Schulter gelehnt, zu mir. Mein getreuester Hüter war Paleko; mit seinem langen graumelierten Haar, seinem feinen alten Antlitz hätte er sehr gut
»Eséti?« »Eséti?« »Wie heisst das?« rief die ganze Gesellschaft unisono und alle plagten sich redlich, die portugiesischen Wörter nachzusprechen. Der Eine oder Andere flüsterte oft, während die Unterhaltung weiter ging, das Wort noch lange vor sich hin. Zwei Konsonanten hintereinander vermochten sie nicht auszusprechen. Gelang es aber hier und da, ein geeignetes Wort gut wiederzugeben, war die Freude gross, und ich hatte den Eindruck, als ob ihnen nun der Gegenstand selbst auch vertrauter erscheine. Als Name für mein Schreibbuch war »papéra«, von dem portugiesischen papel, Papier, in Aufnahme gebracht worden, und während sie im Anfang das unbegreifliche Ding nicht genug hatten betrachten und betasten können, wussten sie sich nun rasch damit abzufinden: es war eben einfach »papéra«.
Ueberall in der Welt, wo man einer fremden Sprache gegenübertritt, will man recht bald wissen, was »ein hübsches Mädchen« heisst. Ihr »pekóto iwáku« oder das lieblichere »pekóto iwakulukúlu« konnte ich ihnen mit den Worten, die sie gut nachzusprechen im Stande waren, »moça bonita« übersetzen und das wurde nun mit Entzücken geübt. Ich hatte zuerst Eva mein »moça bonita« vorgesagt, sie lachte, errötete und sprach es zierlich und deutlich aus. Sie lachte weiter, stiess ihren Gatten Kulekule in die Rippen — genau so wie eine kräftige Person bei uns thun würde, die sich über einen guten Einfall freut — die beiden tuschelten zusammen, und ich wurde gebeten zu sagen, was nun »ein hübscher Mann« heisse. Als ich Tumayaua’s portugiesische Versuche, die in der That, ob- wohl er Häuptling war, nicht sehr glücklich ausfielen, einmal nachahmte, lachte der ganze Chorus in einer Weise, dass sie vor Lachen nicht mehr reden konnten, sie jodelten förmlich vor Ausgelassenheit.
Das waren die düstern und verschlossenen Indianer. Wurde es ihnen mit dem Geplauder des Guten zu viel, so gähnte Alles aufrichtig und ohne die Hand vor den Mund zu halten. Dass der wohlthuende Reflex auch hier ansteckte, liess sich nicht verkennen. Dann stand Einer nach dem Andern auf, und ich blieb allein mit meinem Dujour.
Die verschiedenen Abkommandirten waren von sehr verschiedener Brauch- barkeit für meine Zwecke. Einige ermüdeten zu rasch, andere waren zu unstät. Der dicke bäurische Yapü z. B. gähnte nach wenigen Minuten und sein Gesicht schien zu sagen: »Herr, Sie fragen zu viel«, und Luchu, der eitle Fant, wollte sich nur amüsieren. Von den Jüngeren nützte mir nur der merkwürdige Kule- kule. Dieser war in der That schweigsam und zurückhaltend, aber er kam offenbar gern, lachte still für sich hin, und wenn er dann den Mund zum Reden aufthat, antwortete er besser als die Uebrigen. Er hatte für einen Topf von mir Perlen bekommen, sie aber abliefern müssen; ich schenkte ihm neue und nahm einen andern Topf, den er brachte, nicht an. Darüber war er glücklich, gab mir eine Schale des faden Pogugetränkes und setzte sich, den Kopf zutraulich an meine Schulter gelehnt, zu mir. Mein getreuester Hüter war Paleko; mit seinem langen graumelierten Haar, seinem feinen alten Antlitz hätte er sehr gut
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»Eséti?« »Eséti?« »Wie heisst das?« rief die ganze Gesellschaft unisono und alle
plagten sich redlich, die portugiesischen Wörter nachzusprechen. Der Eine oder
Andere flüsterte oft, während die Unterhaltung weiter ging, das Wort noch lange
vor sich hin. Zwei Konsonanten hintereinander vermochten sie nicht auszusprechen.
Gelang es aber hier und da, ein geeignetes Wort gut wiederzugeben, war die
Freude gross, und ich hatte den Eindruck, als ob ihnen nun der Gegenstand
selbst auch vertrauter erscheine. Als Name für mein Schreibbuch war »papéra«,
von dem portugiesischen papel, Papier, in Aufnahme gebracht worden, und
während sie im Anfang das unbegreifliche Ding nicht genug hatten betrachten
und betasten können, wussten sie sich nun rasch damit abzufinden: es war eben
einfach »papéra«.
Ueberall in der Welt, wo man einer fremden Sprache gegenübertritt, will
man recht bald wissen, was »ein hübsches Mädchen« heisst. Ihr »pekóto iwáku«
oder das lieblichere »pekóto iwakulukúlu« konnte ich ihnen mit den Worten, die
sie gut nachzusprechen im Stande waren, »moça bonita« übersetzen und das
wurde nun mit Entzücken geübt. Ich hatte zuerst Eva mein »moça bonita«
vorgesagt, sie lachte, errötete und sprach es zierlich und deutlich aus. Sie lachte
weiter, stiess ihren Gatten Kulekule in die Rippen — genau so wie eine kräftige
Person bei uns thun würde, die sich über einen guten Einfall freut — die beiden
tuschelten zusammen, und ich wurde gebeten zu sagen, was nun »ein hübscher
Mann« heisse. Als ich Tumayaua’s portugiesische Versuche, die in der That, ob-
wohl er Häuptling war, nicht sehr glücklich ausfielen, einmal nachahmte, lachte der
ganze Chorus in einer Weise, dass sie vor Lachen nicht mehr reden konnten, sie
jodelten förmlich vor Ausgelassenheit.
Das waren die düstern und verschlossenen Indianer. Wurde es ihnen mit
dem Geplauder des Guten zu viel, so gähnte Alles aufrichtig und ohne die Hand
vor den Mund zu halten. Dass der wohlthuende Reflex auch hier ansteckte,
liess sich nicht verkennen. Dann stand Einer nach dem Andern auf, und ich
blieb allein mit meinem Dujour.
Die verschiedenen Abkommandirten waren von sehr verschiedener Brauch-
barkeit für meine Zwecke. Einige ermüdeten zu rasch, andere waren zu unstät.
Der dicke bäurische Yapü z. B. gähnte nach wenigen Minuten und sein Gesicht
schien zu sagen: »Herr, Sie fragen zu viel«, und Luchu, der eitle Fant, wollte
sich nur amüsieren. Von den Jüngeren nützte mir nur der merkwürdige Kule-
kule. Dieser war in der That schweigsam und zurückhaltend, aber er kam
offenbar gern, lachte still für sich hin, und wenn er dann den Mund zum Reden
aufthat, antwortete er besser als die Uebrigen. Er hatte für einen Topf von
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nahm einen andern Topf, den er brachte, nicht an. Darüber war er glücklich,
gab mir eine Schale des faden Pogugetränkes und setzte sich, den Kopf zutraulich
an meine Schulter gelehnt, zu mir. Mein getreuester Hüter war Paleko; mit
seinem langen graumelierten Haar, seinem feinen alten Antlitz hätte er sehr gut
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/107>, abgerufen am 23.11.2024.
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