beständig in der genauesten Verbindung und Uebereinstimmung stehen;" in §. 18 erkennt er zweitens: "der Nahrungsstand im Lande muß alle- zeit sowohl mit der Wohlfahrt der einzelnen Familien als dem gemeinen Besten in Verbindung stehen," und endlich erkennt er (§. 19 ff.), daß "der sittliche Zustand der Unterthanen sowohl für die einzelnen Fami- lien als für das gemeine Beste vom größten Einfluß ist." Hier erkennt man deutlich das Durchgreifen der Wolffschen Idee; es ist die Erhebung zu einer systematischen, großartig angelegten Verwaltungslehre über- haupt, die aber schon bei Justi nicht recht zu Stande kommt, weil auch ihm die unklare Vorstellung von dem "Gemeinen Besten" an die Stelle des bestimmten Begriffs vom Staat tritt, ohne den die Ver- mengung von Nationalökonomie und Verwaltungslehre unvermeidlich bleibt und selbst die merkantilistische Vorstellung vom Werthe des Gel- des und der Industrie überragt, welche jene Zeit charakterisirt. Durch alles dieß zusammengenommen kommt Deutschland zwar nicht in seiner staatlichen Ordnung, wohl aber in seiner Wissenschaft zu einem System der Volkswirthschaftspflege, wie es theoretisch kein ander Volk aufzu- weisen hat. Die praktische Durchführung der Ideen des Merkanti- lismus jedoch konnte nur in den einzelnen Staaten versucht werden. Und hier traten wie immer die beiden deutschen Großmächte, Oesterreich und Preußen, an die Spitze; Oesterreich wesentlich auf literarischem Gebiet durch Becher und namentlich durch W. J. Horneck: Oesterreich über alles, wenn es nur will (1654), ein Mann, der es bewies, daß es Deutschland nicht an einem Colbert, sondern nur an einem Reiche fehlte, das ihn verstanden hätte. Die übrigen deutschen Staaten waren damals wie jetzt für große Gedanken zu klein. Die Geschichte dieser Zeit und ihrer Erscheinungen ist noch zu schreiben; erst wenn die deutschen Kulturhistoriker die Kraft haben werden, Männer wie Horneck so meisterhaft zu individualisiren, wie es Roscher in Hildebrands Jahrbüchern gethan, wird man wissen, was Leo geahnt, daß die Hälfte des innern Lebens auch dieser Epoche in der nach den Grundsätzen des Merkantilsystems vorschreitenden Volkswirthschaftspflege bestanden hat. Hier können wir es nur andeuten.
Faßt man nun den Einfluß des Merkantilsystems auf Europa und speciell in Beziehung auf die wirthschaftliche Verwaltung und die Nationalökonomie auf, so ergibt sich folgendes Resultat. Das Merkantilsystem ist nie und nirgends zu einem System der National- ökonomie geworden, wohl aber ist es dasjenige System, welches die Bedeutung der Volkswirthschaft für das Gesammtleben zuerst zum öffentlichen Bewußtsein gebracht hat. Es hat dadurch die wirthschaft- lichen Lebensverhältnisse des Volkes zuerst in das Gebiet der Verwaltung
beſtändig in der genaueſten Verbindung und Uebereinſtimmung ſtehen;“ in §. 18 erkennt er zweitens: „der Nahrungsſtand im Lande muß alle- zeit ſowohl mit der Wohlfahrt der einzelnen Familien als dem gemeinen Beſten in Verbindung ſtehen,“ und endlich erkennt er (§. 19 ff.), daß „der ſittliche Zuſtand der Unterthanen ſowohl für die einzelnen Fami- lien als für das gemeine Beſte vom größten Einfluß iſt.“ Hier erkennt man deutlich das Durchgreifen der Wolffſchen Idee; es iſt die Erhebung zu einer ſyſtematiſchen, großartig angelegten Verwaltungslehre über- haupt, die aber ſchon bei Juſti nicht recht zu Stande kommt, weil auch ihm die unklare Vorſtellung von dem „Gemeinen Beſten“ an die Stelle des beſtimmten Begriffs vom Staat tritt, ohne den die Ver- mengung von Nationalökonomie und Verwaltungslehre unvermeidlich bleibt und ſelbſt die merkantiliſtiſche Vorſtellung vom Werthe des Gel- des und der Induſtrie überragt, welche jene Zeit charakteriſirt. Durch alles dieß zuſammengenommen kommt Deutſchland zwar nicht in ſeiner ſtaatlichen Ordnung, wohl aber in ſeiner Wiſſenſchaft zu einem Syſtem der Volkswirthſchaftspflege, wie es theoretiſch kein ander Volk aufzu- weiſen hat. Die praktiſche Durchführung der Ideen des Merkanti- lismus jedoch konnte nur in den einzelnen Staaten verſucht werden. Und hier traten wie immer die beiden deutſchen Großmächte, Oeſterreich und Preußen, an die Spitze; Oeſterreich weſentlich auf literariſchem Gebiet durch Becher und namentlich durch W. J. Horneck: Oeſterreich über alles, wenn es nur will (1654), ein Mann, der es bewies, daß es Deutſchland nicht an einem Colbert, ſondern nur an einem Reiche fehlte, das ihn verſtanden hätte. Die übrigen deutſchen Staaten waren damals wie jetzt für große Gedanken zu klein. Die Geſchichte dieſer Zeit und ihrer Erſcheinungen iſt noch zu ſchreiben; erſt wenn die deutſchen Kulturhiſtoriker die Kraft haben werden, Männer wie Horneck ſo meiſterhaft zu individualiſiren, wie es Roſcher in Hildebrands Jahrbüchern gethan, wird man wiſſen, was Leo geahnt, daß die Hälfte des innern Lebens auch dieſer Epoche in der nach den Grundſätzen des Merkantilſyſtems vorſchreitenden Volkswirthſchaftspflege beſtanden hat. Hier können wir es nur andeuten.
Faßt man nun den Einfluß des Merkantilſyſtems auf Europa und ſpeciell in Beziehung auf die wirthſchaftliche Verwaltung und die Nationalökonomie auf, ſo ergibt ſich folgendes Reſultat. Das Merkantilſyſtem iſt nie und nirgends zu einem Syſtem der National- ökonomie geworden, wohl aber iſt es dasjenige Syſtem, welches die Bedeutung der Volkswirthſchaft für das Geſammtleben zuerſt zum öffentlichen Bewußtſein gebracht hat. Es hat dadurch die wirthſchaft- lichen Lebensverhältniſſe des Volkes zuerſt in das Gebiet der Verwaltung
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beſtändig in der genaueſten Verbindung und Uebereinſtimmung ſtehen;“
in §. 18 erkennt er zweitens: „der Nahrungsſtand im Lande muß alle-
zeit ſowohl mit der Wohlfahrt der einzelnen Familien als dem gemeinen
Beſten in Verbindung ſtehen,“ und endlich erkennt er (§. 19 ff.), daß
„der ſittliche Zuſtand der Unterthanen ſowohl für die einzelnen Fami-
lien als für das gemeine Beſte vom größten Einfluß iſt.“ Hier erkennt
man deutlich das Durchgreifen der Wolffſchen Idee; es iſt die Erhebung
zu einer ſyſtematiſchen, großartig angelegten Verwaltungslehre über-
haupt, die aber ſchon bei Juſti nicht recht zu Stande kommt, weil
auch ihm die unklare Vorſtellung von dem „Gemeinen Beſten“ an die
Stelle des beſtimmten Begriffs vom Staat tritt, ohne den die Ver-
mengung von Nationalökonomie und Verwaltungslehre unvermeidlich
bleibt und ſelbſt die merkantiliſtiſche Vorſtellung vom Werthe des Gel-
des und der Induſtrie überragt, welche jene Zeit charakteriſirt. Durch
alles dieß zuſammengenommen kommt Deutſchland zwar nicht in ſeiner
ſtaatlichen Ordnung, wohl aber in ſeiner Wiſſenſchaft zu einem Syſtem
der Volkswirthſchaftspflege, wie es theoretiſch kein ander Volk aufzu-
weiſen hat. Die praktiſche Durchführung der Ideen des Merkanti-
lismus jedoch konnte nur in den einzelnen Staaten verſucht werden.
Und hier traten wie immer die beiden deutſchen Großmächte, Oeſterreich
und Preußen, an die Spitze; Oeſterreich weſentlich auf literariſchem
Gebiet durch Becher und namentlich durch W. J. Horneck: Oeſterreich
über alles, wenn es nur will (1654), ein Mann, der es bewies, daß
es Deutſchland nicht an einem Colbert, ſondern nur an einem Reiche
fehlte, das ihn verſtanden hätte. Die übrigen deutſchen Staaten waren
damals wie jetzt für große Gedanken zu klein. Die Geſchichte dieſer
Zeit und ihrer Erſcheinungen iſt noch zu ſchreiben; erſt wenn die
deutſchen Kulturhiſtoriker die Kraft haben werden, Männer wie Horneck
ſo meiſterhaft zu individualiſiren, wie es Roſcher in Hildebrands
Jahrbüchern gethan, wird man wiſſen, was Leo geahnt, daß die Hälfte
des innern Lebens auch dieſer Epoche in der nach den Grundſätzen des
Merkantilſyſtems vorſchreitenden Volkswirthſchaftspflege beſtanden hat.
Hier können wir es nur andeuten.
Faßt man nun den Einfluß des Merkantilſyſtems auf Europa
und ſpeciell in Beziehung auf die wirthſchaftliche Verwaltung und
die Nationalökonomie auf, ſo ergibt ſich folgendes Reſultat. Das
Merkantilſyſtem iſt nie und nirgends zu einem Syſtem der National-
ökonomie geworden, wohl aber iſt es dasjenige Syſtem, welches die
Bedeutung der Volkswirthſchaft für das Geſammtleben zuerſt zum
öffentlichen Bewußtſein gebracht hat. Es hat dadurch die wirthſchaft-
lichen Lebensverhältniſſe des Volkes zuerſt in das Gebiet der Verwaltung
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/47>, abgerufen am 09.11.2024.
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