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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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einweisung ferner zu verhindern, so wie aus der Fortdauer des Besitzes
dem Enteigneten auch gar kein Vortheil erwächst. Constatiren kann
das Gericht den amtlichen Spruch nicht; ändern kann es ihn auch
nicht; ihn aufhalten, heißt nur den Gang der Sache verzögern;
untersuchen, ob das Amt die Entschädigung gesichert hat, ist mit
dem Wesen des Amts, das den Staat vertritt, im Widerspruch. Was
also das französische gerichtliche Erkenntniß eigentlich soll, ist in der
That nicht abzusehen. Es hat dagegen den positiven Uebelstand, daß
es Beschwerde und Klage über Unregelmäßigkeiten in dem Verfahren
des Amts vor weg nimmt, ohne daß die Betheiligten Zeit gehabt
hätten, sich selbst über den amtlichen Gang des Geschäfts zu informiren.
Dagegen ist es richtig, daß den Betheiligten ein Rechtsmittel gegen
jenen Enteignungsspruch der (untern) Behörde zustehen muß. Und
daraus nun ergeben sich folgende einfache Grundsätze.

Die Betheiligten haben das Recht, sich nach geschehenem Enteig-
nungsspruch mit Beschwerde an die höhere Stelle zu wenden, wo
keine Verletzung des Gesetzes vorliegt, sondern da, wo sie das Ergeb-
niß
des Verfahrens, den Inhalt des Spruches, angreifen. Wo es sich
dagegen um die Verletzung der gesetzlich vorgeschriebenen Formen des
Verfahrens handelt, da haben dieselben das Recht der Klage bei dem
Gericht, welches natürlich auch auf Nichtigkeit des ganzen Verfahrens
erkennen kann. Zu dem Ende muß für den Enteignungsspruch eine
Frist zur Gewinnung der Rechtskraft gegeben werden; und zwar
in der Weise, daß bei der Beschwerde die Eingabe keinen Suspensiv-
effect hat, sondern die volle Enteignung mit ihren Folgen sofort ein-
tritt, während die Behörde für den aus ihrem Verfahren entstehenden
Schaden haftet. Die Klage dagegen muß Suspensiveffekt haben. Nach
Ablauf der Frist muß der Enteignungsspruch volle Rechtskraft haben
und Besitz und Eigenthum müssen sofort übergehen. Die Entschädigungs-
frage ist dann als völlig unabhängig anzusehen und geht ihren Weg
unter Haftung der amtlichen Stelle. Darin liegt die einzig richtige
Betheiligung der gerichtlichen Aufgabe an der Enteignung; nur der
Mangel an ausreichenden Enteignungsgesetzen kann das Verlangen nach
größerer Theilnahme der Gerichte motiviren.

Endlich folgt aus dem ganzen Wesen des Enteignungsverfahrens,
daß das für den Enteigner auf diese Weise gewonnene Recht zugleich
einer bestimmten, der Enteignung speciell zukommenden Verjährung
unterworfen sein muß, wohl zu unterscheiden von der Verjährung der
Ansprüche auf Entschädigung. Denn die Grundlage der Enteignung
ist doch der in der Unternehmung bezweckte öffentliche Nutzen; wird er
nicht hergestellt, und unterbleibt die Unternehmung, so verliert der

einweiſung ferner zu verhindern, ſo wie aus der Fortdauer des Beſitzes
dem Enteigneten auch gar kein Vortheil erwächst. Conſtatiren kann
das Gericht den amtlichen Spruch nicht; ändern kann es ihn auch
nicht; ihn aufhalten, heißt nur den Gang der Sache verzögern;
unterſuchen, ob das Amt die Entſchädigung geſichert hat, iſt mit
dem Weſen des Amts, das den Staat vertritt, im Widerſpruch. Was
alſo das franzöſiſche gerichtliche Erkenntniß eigentlich ſoll, iſt in der
That nicht abzuſehen. Es hat dagegen den poſitiven Uebelſtand, daß
es Beſchwerde und Klage über Unregelmäßigkeiten in dem Verfahren
des Amts vor weg nimmt, ohne daß die Betheiligten Zeit gehabt
hätten, ſich ſelbſt über den amtlichen Gang des Geſchäfts zu informiren.
Dagegen iſt es richtig, daß den Betheiligten ein Rechtsmittel gegen
jenen Enteignungsſpruch der (untern) Behörde zuſtehen muß. Und
daraus nun ergeben ſich folgende einfache Grundſätze.

Die Betheiligten haben das Recht, ſich nach geſchehenem Enteig-
nungsſpruch mit Beſchwerde an die höhere Stelle zu wenden, wo
keine Verletzung des Geſetzes vorliegt, ſondern da, wo ſie das Ergeb-
niß
des Verfahrens, den Inhalt des Spruches, angreifen. Wo es ſich
dagegen um die Verletzung der geſetzlich vorgeſchriebenen Formen des
Verfahrens handelt, da haben dieſelben das Recht der Klage bei dem
Gericht, welches natürlich auch auf Nichtigkeit des ganzen Verfahrens
erkennen kann. Zu dem Ende muß für den Enteignungsſpruch eine
Friſt zur Gewinnung der Rechtskraft gegeben werden; und zwar
in der Weiſe, daß bei der Beſchwerde die Eingabe keinen Suſpenſiv-
effect hat, ſondern die volle Enteignung mit ihren Folgen ſofort ein-
tritt, während die Behörde für den aus ihrem Verfahren entſtehenden
Schaden haftet. Die Klage dagegen muß Suſpenſiveffekt haben. Nach
Ablauf der Friſt muß der Enteignungsſpruch volle Rechtskraft haben
und Beſitz und Eigenthum müſſen ſofort übergehen. Die Entſchädigungs-
frage iſt dann als völlig unabhängig anzuſehen und geht ihren Weg
unter Haftung der amtlichen Stelle. Darin liegt die einzig richtige
Betheiligung der gerichtlichen Aufgabe an der Enteignung; nur der
Mangel an ausreichenden Enteignungsgeſetzen kann das Verlangen nach
größerer Theilnahme der Gerichte motiviren.

Endlich folgt aus dem ganzen Weſen des Enteignungsverfahrens,
daß das für den Enteigner auf dieſe Weiſe gewonnene Recht zugleich
einer beſtimmten, der Enteignung ſpeciell zukommenden Verjährung
unterworfen ſein muß, wohl zu unterſcheiden von der Verjährung der
Anſprüche auf Entſchädigung. Denn die Grundlage der Enteignung
iſt doch der in der Unternehmung bezweckte öffentliche Nutzen; wird er
nicht hergeſtellt, und unterbleibt die Unternehmung, ſo verliert der

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[335/0353] einweiſung ferner zu verhindern, ſo wie aus der Fortdauer des Beſitzes dem Enteigneten auch gar kein Vortheil erwächst. Conſtatiren kann das Gericht den amtlichen Spruch nicht; ändern kann es ihn auch nicht; ihn aufhalten, heißt nur den Gang der Sache verzögern; unterſuchen, ob das Amt die Entſchädigung geſichert hat, iſt mit dem Weſen des Amts, das den Staat vertritt, im Widerſpruch. Was alſo das franzöſiſche gerichtliche Erkenntniß eigentlich ſoll, iſt in der That nicht abzuſehen. Es hat dagegen den poſitiven Uebelſtand, daß es Beſchwerde und Klage über Unregelmäßigkeiten in dem Verfahren des Amts vor weg nimmt, ohne daß die Betheiligten Zeit gehabt hätten, ſich ſelbſt über den amtlichen Gang des Geſchäfts zu informiren. Dagegen iſt es richtig, daß den Betheiligten ein Rechtsmittel gegen jenen Enteignungsſpruch der (untern) Behörde zuſtehen muß. Und daraus nun ergeben ſich folgende einfache Grundſätze. Die Betheiligten haben das Recht, ſich nach geſchehenem Enteig- nungsſpruch mit Beſchwerde an die höhere Stelle zu wenden, wo keine Verletzung des Geſetzes vorliegt, ſondern da, wo ſie das Ergeb- niß des Verfahrens, den Inhalt des Spruches, angreifen. Wo es ſich dagegen um die Verletzung der geſetzlich vorgeſchriebenen Formen des Verfahrens handelt, da haben dieſelben das Recht der Klage bei dem Gericht, welches natürlich auch auf Nichtigkeit des ganzen Verfahrens erkennen kann. Zu dem Ende muß für den Enteignungsſpruch eine Friſt zur Gewinnung der Rechtskraft gegeben werden; und zwar in der Weiſe, daß bei der Beſchwerde die Eingabe keinen Suſpenſiv- effect hat, ſondern die volle Enteignung mit ihren Folgen ſofort ein- tritt, während die Behörde für den aus ihrem Verfahren entſtehenden Schaden haftet. Die Klage dagegen muß Suſpenſiveffekt haben. Nach Ablauf der Friſt muß der Enteignungsſpruch volle Rechtskraft haben und Beſitz und Eigenthum müſſen ſofort übergehen. Die Entſchädigungs- frage iſt dann als völlig unabhängig anzuſehen und geht ihren Weg unter Haftung der amtlichen Stelle. Darin liegt die einzig richtige Betheiligung der gerichtlichen Aufgabe an der Enteignung; nur der Mangel an ausreichenden Enteignungsgeſetzen kann das Verlangen nach größerer Theilnahme der Gerichte motiviren. Endlich folgt aus dem ganzen Weſen des Enteignungsverfahrens, daß das für den Enteigner auf dieſe Weiſe gewonnene Recht zugleich einer beſtimmten, der Enteignung ſpeciell zukommenden Verjährung unterworfen ſein muß, wohl zu unterſcheiden von der Verjährung der Anſprüche auf Entſchädigung. Denn die Grundlage der Enteignung iſt doch der in der Unternehmung bezweckte öffentliche Nutzen; wird er nicht hergeſtellt, und unterbleibt die Unternehmung, ſo verliert der

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/353>, abgerufen am 21.11.2024.