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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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des Staats anzuwenden, enthält dagegen die wirthschaftliche
Verwaltung diejenigen Aufgaben des Staats, welche durch das Wesen
desselben für das wirthschaftliche Leben
gegeben sind. Daraus
ergeben sich die entscheidenden Elemente für die Gestalt und Geschichte
der letztern.

IV. Es folgt nämlich zuerst, daß ein Volk und eine Literatur,
die keinen Begriff vom Staate haben, auch niemals zu einer Lehre von
der Verwaltung überhaupt, oder im besondern zur Volkswirthschafts-
pflege gelangen können. Es wird vielmehr ein ganz anderer Proceß,
und damit auch eine ganz andere Gestalt jener Wissenschaften eintreten.
Da nämlich der Staat die Verwaltung überhaupt, und mithin auch
die volkswirthschaftliche Verwaltung im besondern seiner Natur nach
pflegen muß, so wird er stets ein bestimmtes Recht der Volkswirth-
schaftspflege, eine positive volkswirthschaftliche Gesetzgebung und Ver-
waltung erzeugen, seinerseits ganz gleichgültig dagegen, ob die Wissen-
schaft Volkswirthschaftslehre und -Pflege zu unterscheiden versteht. So
wie das geschehen ist, wird sich nun allerdings die Wissenschaft dieses
positiven Rechts bemächtigen, und es wird dieselbe im Anschluß an die
Bestimmungen desselben eine Gesetzes- und Rechtskunde der wirth-
schaftlichen Verwaltung
des Staats werden. Dieß ist wieder
theils systematisch der Fall, wie in Frankreich als droit administratif,
oder in Deutschland als die sog. "Verwaltungsrechte" oder "Gesetzkunden";
theils aber auch stückweise für einzelne Gesetze, was sich in allen Län-
dern wiederholt. Von einem allgemeinen, aus dem Wesen des Staats
fließenden, den ganzen Stoff beherrschenden und erleuchtenden Princip
ist dabei natürlich keine Rede; eine Wissenschaft kann man das wohl
kaum nennen. Daneben aber wird die Vermengung der volkswirth-
schaftlichen und verwaltungsrechtlichen Begriffe und Gesetze einfach in
hundert verschiedenen Formen fortdauern, manche im Einzelnen nützliche
Anregung erzeugen, aber unvermeidlich anstatt einer ihrer selbst gewissen
Wissenschaft, wie die Logik, oder Rechtswissenschaft, oder Heilkunde
u. s. w. eine unabsehbare Verwirrung hervorbringen. Denn diese Be-
handlungsweise wird und muß eine gänzlich systemlose sein, da ihre
beiden verschmolzenen Elemente, Volkswirthschaft und Verwaltung eben
zwei wesentlich verschiedene Systeme enthalten. Es wird daher bei
viel Trefflichem im Einzelnen und Ganzen weder eine Volkswirthschaft,
noch eine Verwaltung erscheinen. Und das ist in der That der gegen-
wärtige Zustand.

Daran knüpft sich dann eine weitere Folge, welche man in jenem
chaotischen Zustande bequemer Behandlung gar nicht zu erkennen vermag.

V. Da nämlich, wie gesagt, trotzdem der Staat seine wirthschaft-

des Staats anzuwenden, enthält dagegen die wirthſchaftliche
Verwaltung diejenigen Aufgaben des Staats, welche durch das Weſen
deſſelben für das wirthſchaftliche Leben
gegeben ſind. Daraus
ergeben ſich die entſcheidenden Elemente für die Geſtalt und Geſchichte
der letztern.

IV. Es folgt nämlich zuerſt, daß ein Volk und eine Literatur,
die keinen Begriff vom Staate haben, auch niemals zu einer Lehre von
der Verwaltung überhaupt, oder im beſondern zur Volkswirthſchafts-
pflege gelangen können. Es wird vielmehr ein ganz anderer Proceß,
und damit auch eine ganz andere Geſtalt jener Wiſſenſchaften eintreten.
Da nämlich der Staat die Verwaltung überhaupt, und mithin auch
die volkswirthſchaftliche Verwaltung im beſondern ſeiner Natur nach
pflegen muß, ſo wird er ſtets ein beſtimmtes Recht der Volkswirth-
ſchaftspflege, eine poſitive volkswirthſchaftliche Geſetzgebung und Ver-
waltung erzeugen, ſeinerſeits ganz gleichgültig dagegen, ob die Wiſſen-
ſchaft Volkswirthſchaftslehre und -Pflege zu unterſcheiden verſteht. So
wie das geſchehen iſt, wird ſich nun allerdings die Wiſſenſchaft dieſes
poſitiven Rechts bemächtigen, und es wird dieſelbe im Anſchluß an die
Beſtimmungen deſſelben eine Geſetzes- und Rechtskunde der wirth-
ſchaftlichen Verwaltung
des Staats werden. Dieß iſt wieder
theils ſyſtematiſch der Fall, wie in Frankreich als droit administratif,
oder in Deutſchland als die ſog. „Verwaltungsrechte“ oder „Geſetzkunden“;
theils aber auch ſtückweiſe für einzelne Geſetze, was ſich in allen Län-
dern wiederholt. Von einem allgemeinen, aus dem Weſen des Staats
fließenden, den ganzen Stoff beherrſchenden und erleuchtenden Princip
iſt dabei natürlich keine Rede; eine Wiſſenſchaft kann man das wohl
kaum nennen. Daneben aber wird die Vermengung der volkswirth-
ſchaftlichen und verwaltungsrechtlichen Begriffe und Geſetze einfach in
hundert verſchiedenen Formen fortdauern, manche im Einzelnen nützliche
Anregung erzeugen, aber unvermeidlich anſtatt einer ihrer ſelbſt gewiſſen
Wiſſenſchaft, wie die Logik, oder Rechtswiſſenſchaft, oder Heilkunde
u. ſ. w. eine unabſehbare Verwirrung hervorbringen. Denn dieſe Be-
handlungsweiſe wird und muß eine gänzlich ſyſtemloſe ſein, da ihre
beiden verſchmolzenen Elemente, Volkswirthſchaft und Verwaltung eben
zwei weſentlich verſchiedene Syſteme enthalten. Es wird daher bei
viel Trefflichem im Einzelnen und Ganzen weder eine Volkswirthſchaft,
noch eine Verwaltung erſcheinen. Und das iſt in der That der gegen-
wärtige Zuſtand.

Daran knüpft ſich dann eine weitere Folge, welche man in jenem
chaotiſchen Zuſtande bequemer Behandlung gar nicht zu erkennen vermag.

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[15/0033] des Staats anzuwenden, enthält dagegen die wirthſchaftliche Verwaltung diejenigen Aufgaben des Staats, welche durch das Weſen deſſelben für das wirthſchaftliche Leben gegeben ſind. Daraus ergeben ſich die entſcheidenden Elemente für die Geſtalt und Geſchichte der letztern. IV. Es folgt nämlich zuerſt, daß ein Volk und eine Literatur, die keinen Begriff vom Staate haben, auch niemals zu einer Lehre von der Verwaltung überhaupt, oder im beſondern zur Volkswirthſchafts- pflege gelangen können. Es wird vielmehr ein ganz anderer Proceß, und damit auch eine ganz andere Geſtalt jener Wiſſenſchaften eintreten. Da nämlich der Staat die Verwaltung überhaupt, und mithin auch die volkswirthſchaftliche Verwaltung im beſondern ſeiner Natur nach pflegen muß, ſo wird er ſtets ein beſtimmtes Recht der Volkswirth- ſchaftspflege, eine poſitive volkswirthſchaftliche Geſetzgebung und Ver- waltung erzeugen, ſeinerſeits ganz gleichgültig dagegen, ob die Wiſſen- ſchaft Volkswirthſchaftslehre und -Pflege zu unterſcheiden verſteht. So wie das geſchehen iſt, wird ſich nun allerdings die Wiſſenſchaft dieſes poſitiven Rechts bemächtigen, und es wird dieſelbe im Anſchluß an die Beſtimmungen deſſelben eine Geſetzes- und Rechtskunde der wirth- ſchaftlichen Verwaltung des Staats werden. Dieß iſt wieder theils ſyſtematiſch der Fall, wie in Frankreich als droit administratif, oder in Deutſchland als die ſog. „Verwaltungsrechte“ oder „Geſetzkunden“; theils aber auch ſtückweiſe für einzelne Geſetze, was ſich in allen Län- dern wiederholt. Von einem allgemeinen, aus dem Weſen des Staats fließenden, den ganzen Stoff beherrſchenden und erleuchtenden Princip iſt dabei natürlich keine Rede; eine Wiſſenſchaft kann man das wohl kaum nennen. Daneben aber wird die Vermengung der volkswirth- ſchaftlichen und verwaltungsrechtlichen Begriffe und Geſetze einfach in hundert verſchiedenen Formen fortdauern, manche im Einzelnen nützliche Anregung erzeugen, aber unvermeidlich anſtatt einer ihrer ſelbſt gewiſſen Wiſſenſchaft, wie die Logik, oder Rechtswiſſenſchaft, oder Heilkunde u. ſ. w. eine unabſehbare Verwirrung hervorbringen. Denn dieſe Be- handlungsweiſe wird und muß eine gänzlich ſyſtemloſe ſein, da ihre beiden verſchmolzenen Elemente, Volkswirthſchaft und Verwaltung eben zwei weſentlich verſchiedene Syſteme enthalten. Es wird daher bei viel Trefflichem im Einzelnen und Ganzen weder eine Volkswirthſchaft, noch eine Verwaltung erſcheinen. Und das iſt in der That der gegen- wärtige Zuſtand. Daran knüpft ſich dann eine weitere Folge, welche man in jenem chaotiſchen Zuſtande bequemer Behandlung gar nicht zu erkennen vermag. V. Da nämlich, wie geſagt, trotzdem der Staat ſeine wirthſchaft-

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/33>, abgerufen am 29.03.2024.