Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.Continent bei sich aufgenommen und in seiner Weise verarbeitet hat, so Es ist nun wohl schwer zu sagen, ob es der ungeheure Aufschwung Hält man nämlich an der Unterscheidung des Rechts der eigent- Continent bei ſich aufgenommen und in ſeiner Weiſe verarbeitet hat, ſo Es iſt nun wohl ſchwer zu ſagen, ob es der ungeheure Aufſchwung Hält man nämlich an der Unterſcheidung des Rechts der eigent- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0328" n="310"/> Continent bei ſich aufgenommen und in ſeiner Weiſe verarbeitet hat, ſo<lb/> hat es auch die Grundſätze der Enteignung, noch dazu in faſt ganz<lb/> gleicher Form bei ſich recipirt, wie die Geſetzgebung des Continents.<lb/> Nur muß man dabei von der Stellung des Parlaments ausgehen. Wir<lb/> haben in der vollziehenden Gewalt bereits auf das Weſen und die<lb/> Function des engliſchen Parlaments als oberſten Organes <hi rendition="#g">zugleich</hi> der<lb/> Verwaltung und Geſetzgebung hingewieſen, und bemerkt, daß die Be-<lb/> ſchlüſſe deſſelben bei den <hi rendition="#aq">Private Bills</hi> das Weſen von Geſetz und Ver-<lb/> ordnung ſo innig vermiſchen, daß es unmöglich iſt zu ſagen, ob ſie<lb/> das eine oder das andere ſind. Man <hi rendition="#g">kann</hi> deßhalb ſagen, daß <hi rendition="#g">in<lb/> England</hi> jede <hi rendition="#aq">Private Bill</hi> eine Special-Geſetzgebung iſt; man kann<lb/> aber auch ſagen, daß ſie eine Verordnung der geſetzgebenden Gewalt<lb/> iſt, wie früher die Verordnungen der abſoluten Monarchie. Doch iſt<lb/> ein ſolcher Streit werthlos. Gewiß iſt gagegen, daß bis zum Jahre<lb/> 1845 <hi rendition="#g">gar kein</hi> allgemeines Geſetz über die Enteignung in England<lb/> beſtand. Allerdings hatte niemals eines der engliſchen Grundgeſetze „die<lb/> Heiligkeit des Eigenthums“ ausgeſprochen, allein daſſelbe ward ohnehin<lb/> aufrecht gehalten, und das Parlament, das, wie wir oben geſehen, es<lb/> erſt ſpäter als ſelbſt die Deutſchen zu einer Entlaſtungsgeſetzgebung<lb/> gebracht, gelangte daher auch nicht zu der Anerkennung oder Ausführung<lb/> der Enteignung. Im Gegentheil mußten alle Unternehmungen ſich die<lb/> erforderlichen Grundſtücke ſelbſt kaufen, und in den meiſten Fällen war<lb/> es für die Erzielung einer <hi rendition="#aq">Private Bill</hi> ſogar Grundſatz, daß der bereits<lb/> geſchehene Erwerb ſchon nachgewieſen werden mußte, um nur die Con-<lb/> ceſſion vom Parlamente zu erhalten. So hatte England bis auf die<lb/> neueſte Zeit nicht einmal das allgemeine Princip der Enteignung an-<lb/> erkannt, geſchweige denn ein Specialgeſetz für Enteignung oder gar ein<lb/> allgemeines Enteignungsgeſetz.</p><lb/> <p>Es iſt nun wohl ſchwer zu ſagen, ob es der ungeheure Aufſchwung<lb/> des Eiſenbahnweſens, oder auch hier das von England faſt eben ſo<lb/> oft ſtillſchweigend als von Deutſchland laut präconiſirt nachgeahmte<lb/> glänzende Beiſpiel Frankreichs war, vermöge deſſen England den erſten,<lb/> allerdings höchſt vorſichtigen Schritt aus ſeiner beſchränkten Auffaſſung<lb/> heraus that und ſich eine Enteignungsgeſetzgebung erſchuf. Das war<lb/> die <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Lands Clauses Act</hi></hi> von 1845, <hi rendition="#i">8. <hi rendition="#aq">Vict. c.</hi> 18.</hi> Nur war auch dieſe<lb/> wieder eine halbe, und die Einſeitigkeit derſelben hängt auf das Engſte<lb/> mit der Stellung des engliſchen Parlaments zuſammen.</p><lb/> <p>Hält man nämlich an der Unterſcheidung des Rechts der eigent-<lb/> lichen Enteignung als Aufhebung des Eigenthums und des Rechts der<lb/> Entſchädigung feſt, ſo iſt der Zuſtand des engliſchen Enteignungsrechts<lb/> in Folge dieſer <hi rendition="#aq">Land Clauses Act</hi> folgender.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [310/0328]
Continent bei ſich aufgenommen und in ſeiner Weiſe verarbeitet hat, ſo
hat es auch die Grundſätze der Enteignung, noch dazu in faſt ganz
gleicher Form bei ſich recipirt, wie die Geſetzgebung des Continents.
Nur muß man dabei von der Stellung des Parlaments ausgehen. Wir
haben in der vollziehenden Gewalt bereits auf das Weſen und die
Function des engliſchen Parlaments als oberſten Organes zugleich der
Verwaltung und Geſetzgebung hingewieſen, und bemerkt, daß die Be-
ſchlüſſe deſſelben bei den Private Bills das Weſen von Geſetz und Ver-
ordnung ſo innig vermiſchen, daß es unmöglich iſt zu ſagen, ob ſie
das eine oder das andere ſind. Man kann deßhalb ſagen, daß in
England jede Private Bill eine Special-Geſetzgebung iſt; man kann
aber auch ſagen, daß ſie eine Verordnung der geſetzgebenden Gewalt
iſt, wie früher die Verordnungen der abſoluten Monarchie. Doch iſt
ein ſolcher Streit werthlos. Gewiß iſt gagegen, daß bis zum Jahre
1845 gar kein allgemeines Geſetz über die Enteignung in England
beſtand. Allerdings hatte niemals eines der engliſchen Grundgeſetze „die
Heiligkeit des Eigenthums“ ausgeſprochen, allein daſſelbe ward ohnehin
aufrecht gehalten, und das Parlament, das, wie wir oben geſehen, es
erſt ſpäter als ſelbſt die Deutſchen zu einer Entlaſtungsgeſetzgebung
gebracht, gelangte daher auch nicht zu der Anerkennung oder Ausführung
der Enteignung. Im Gegentheil mußten alle Unternehmungen ſich die
erforderlichen Grundſtücke ſelbſt kaufen, und in den meiſten Fällen war
es für die Erzielung einer Private Bill ſogar Grundſatz, daß der bereits
geſchehene Erwerb ſchon nachgewieſen werden mußte, um nur die Con-
ceſſion vom Parlamente zu erhalten. So hatte England bis auf die
neueſte Zeit nicht einmal das allgemeine Princip der Enteignung an-
erkannt, geſchweige denn ein Specialgeſetz für Enteignung oder gar ein
allgemeines Enteignungsgeſetz.
Es iſt nun wohl ſchwer zu ſagen, ob es der ungeheure Aufſchwung
des Eiſenbahnweſens, oder auch hier das von England faſt eben ſo
oft ſtillſchweigend als von Deutſchland laut präconiſirt nachgeahmte
glänzende Beiſpiel Frankreichs war, vermöge deſſen England den erſten,
allerdings höchſt vorſichtigen Schritt aus ſeiner beſchränkten Auffaſſung
heraus that und ſich eine Enteignungsgeſetzgebung erſchuf. Das war
die Lands Clauses Act von 1845, 8. Vict. c. 18. Nur war auch dieſe
wieder eine halbe, und die Einſeitigkeit derſelben hängt auf das Engſte
mit der Stellung des engliſchen Parlaments zuſammen.
Hält man nämlich an der Unterſcheidung des Rechts der eigent-
lichen Enteignung als Aufhebung des Eigenthums und des Rechts der
Entſchädigung feſt, ſo iſt der Zuſtand des engliſchen Enteignungsrechts
in Folge dieſer Land Clauses Act folgender.
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