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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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schon bemerkt, die Gemeinde vielmehr, alles Eigenthum der Gemeinden
unter genaues Inventar zu nehmen, und für die möglichst große Er-
tragsfähigkeit zu sorgen (§. 73); die Veräußerung ist grundsätzlich unter-
sagt (§. 74), und darf nur ausnahmsweise von der Statthalterei
bewilligt werden (vgl. Stubenrauch a. a. O. §. 447). Die Gemeinde-
wälder sind ebenso für untheilbar erklärt, und unter die gleiche Ober-
aufsicht der Landesstelle gesetzt (Forstgesetz vom 3. December 1852. §. 21.
Ueber die frühere Zeit Schopf, die österreichische Forstverfassung 1835.
Stubenrauch §. 455). Diese Bestimmungen gelten auch grundsätzlich
noch nach den neuen Gemeindeordnungen. Das was hier nun mangelt,
ist demnach nicht mehr das Princip, sondern irgend eine bestimmte Regel
für die Ausführung; denn die Berechnung des Ertrages und die Mo-
dalitäten der Verwendung der Gemeindeflur sind wesentlich den einzelnen
Gemeinden selbst überlassen. Das Mittel der Abhilfe und das Element
des Fortschrittes liegt hier jedoch nicht in der Gesetzgebung, sondern
vielmehr in der praktischen Thätigkeit der Landesausschüsse, die in der
Vollziehungsgewalt ihre Stelle finden.

In Preußen erschien die große, noch jetzt im Wesentlichen gel-
tende Gemeinheitstheilungs-Ordnung vom 7. Juni 1821, nebst
Ausführungsgesetz von demselben Datum, und Ausdehnung des ganzen
Gesetzes auf die einzelnen Gesammtservituten, die durch jenes Gesetz
nicht begriffen waren, durch Gesetz vom 2. März 1850. Dieselbe hat
jedoch im Großen und Ganzen nur die Grundsätze des allgemeinen
Landrechts (s. oben) zur weiteren Entwicklung gebracht. Auch nach
diesem Gesetze soll die Gemeinschaft "möglichst" aufgehoben, oder doch
möglichst unschädlich gemacht werden, wo sie besteht, und zwar ohne Rück-
sicht darauf, ob die Gerechtsame auf einem gemeinschaftlichen Eigenthum
oder auf einseitigen oder wechselseitigen Dienstbarkeiten beruhe. Grundsatz
ist, daß jeder Einzelne das Recht hat, auf die Theilung anzutragen --
hier griff der römische Begriff durch; wenn jedoch mit der wirklichen
Theilung ein Umtausch der Ländereien verbunden ist, so soll sie erst
Platz greifen, wenn die Besitzer des vierten Theiles der Ländereien,
welche durch den Umtausch betroffen werden, einverstanden sind. Dieß
System der Vertheilung hat nun allerdings die wesentliche Beschränkung,
daß bei einseitigen Dienstbarkeiten die Berechtigten sich jede Art der
Entschädigung gefallen lassen müssen (Art. 86. 96). Werden die Berech-
tigten nun über die Theilung nicht einig, oder fordern sie dieselbe gar
nicht, so soll wenigstens jeder Verpflichtete das Recht haben, auf eine
möglichst strenge Beschränkung der Gemeinheiten und ihrer Benützung
anzutragen (Gesetz von 1821, Abschnitt II.). Ist eine Entschädigung
dabei an Land nicht möglich, so kann sie auch in Renten oder Geld

Stein, die Verwaltungslehre. VII. 19

ſchon bemerkt, die Gemeinde vielmehr, alles Eigenthum der Gemeinden
unter genaues Inventar zu nehmen, und für die möglichſt große Er-
tragsfähigkeit zu ſorgen (§. 73); die Veräußerung iſt grundſätzlich unter-
ſagt (§. 74), und darf nur ausnahmsweiſe von der Statthalterei
bewilligt werden (vgl. Stubenrauch a. a. O. §. 447). Die Gemeinde-
wälder ſind ebenſo für untheilbar erklärt, und unter die gleiche Ober-
aufſicht der Landesſtelle geſetzt (Forſtgeſetz vom 3. December 1852. §. 21.
Ueber die frühere Zeit Schopf, die öſterreichiſche Forſtverfaſſung 1835.
Stubenrauch §. 455). Dieſe Beſtimmungen gelten auch grundſätzlich
noch nach den neuen Gemeindeordnungen. Das was hier nun mangelt,
iſt demnach nicht mehr das Princip, ſondern irgend eine beſtimmte Regel
für die Ausführung; denn die Berechnung des Ertrages und die Mo-
dalitäten der Verwendung der Gemeindeflur ſind weſentlich den einzelnen
Gemeinden ſelbſt überlaſſen. Das Mittel der Abhilfe und das Element
des Fortſchrittes liegt hier jedoch nicht in der Geſetzgebung, ſondern
vielmehr in der praktiſchen Thätigkeit der Landesausſchüſſe, die in der
Vollziehungsgewalt ihre Stelle finden.

In Preußen erſchien die große, noch jetzt im Weſentlichen gel-
tende Gemeinheitstheilungs-Ordnung vom 7. Juni 1821, nebſt
Ausführungsgeſetz von demſelben Datum, und Ausdehnung des ganzen
Geſetzes auf die einzelnen Geſammtſervituten, die durch jenes Geſetz
nicht begriffen waren, durch Geſetz vom 2. März 1850. Dieſelbe hat
jedoch im Großen und Ganzen nur die Grundſätze des allgemeinen
Landrechts (ſ. oben) zur weiteren Entwicklung gebracht. Auch nach
dieſem Geſetze ſoll die Gemeinſchaft „möglichſt“ aufgehoben, oder doch
möglichſt unſchädlich gemacht werden, wo ſie beſteht, und zwar ohne Rück-
ſicht darauf, ob die Gerechtſame auf einem gemeinſchaftlichen Eigenthum
oder auf einſeitigen oder wechſelſeitigen Dienſtbarkeiten beruhe. Grundſatz
iſt, daß jeder Einzelne das Recht hat, auf die Theilung anzutragen —
hier griff der römiſche Begriff durch; wenn jedoch mit der wirklichen
Theilung ein Umtauſch der Ländereien verbunden iſt, ſo ſoll ſie erſt
Platz greifen, wenn die Beſitzer des vierten Theiles der Ländereien,
welche durch den Umtauſch betroffen werden, einverſtanden ſind. Dieß
Syſtem der Vertheilung hat nun allerdings die weſentliche Beſchränkung,
daß bei einſeitigen Dienſtbarkeiten die Berechtigten ſich jede Art der
Entſchädigung gefallen laſſen müſſen (Art. 86. 96). Werden die Berech-
tigten nun über die Theilung nicht einig, oder fordern ſie dieſelbe gar
nicht, ſo ſoll wenigſtens jeder Verpflichtete das Recht haben, auf eine
möglichſt ſtrenge Beſchränkung der Gemeinheiten und ihrer Benützung
anzutragen (Geſetz von 1821, Abſchnitt II.). Iſt eine Entſchädigung
dabei an Land nicht möglich, ſo kann ſie auch in Renten oder Geld

Stein, die Verwaltungslehre. VII. 19
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[289/0307] ſchon bemerkt, die Gemeinde vielmehr, alles Eigenthum der Gemeinden unter genaues Inventar zu nehmen, und für die möglichſt große Er- tragsfähigkeit zu ſorgen (§. 73); die Veräußerung iſt grundſätzlich unter- ſagt (§. 74), und darf nur ausnahmsweiſe von der Statthalterei bewilligt werden (vgl. Stubenrauch a. a. O. §. 447). Die Gemeinde- wälder ſind ebenſo für untheilbar erklärt, und unter die gleiche Ober- aufſicht der Landesſtelle geſetzt (Forſtgeſetz vom 3. December 1852. §. 21. Ueber die frühere Zeit Schopf, die öſterreichiſche Forſtverfaſſung 1835. Stubenrauch §. 455). Dieſe Beſtimmungen gelten auch grundſätzlich noch nach den neuen Gemeindeordnungen. Das was hier nun mangelt, iſt demnach nicht mehr das Princip, ſondern irgend eine beſtimmte Regel für die Ausführung; denn die Berechnung des Ertrages und die Mo- dalitäten der Verwendung der Gemeindeflur ſind weſentlich den einzelnen Gemeinden ſelbſt überlaſſen. Das Mittel der Abhilfe und das Element des Fortſchrittes liegt hier jedoch nicht in der Geſetzgebung, ſondern vielmehr in der praktiſchen Thätigkeit der Landesausſchüſſe, die in der Vollziehungsgewalt ihre Stelle finden. In Preußen erſchien die große, noch jetzt im Weſentlichen gel- tende Gemeinheitstheilungs-Ordnung vom 7. Juni 1821, nebſt Ausführungsgeſetz von demſelben Datum, und Ausdehnung des ganzen Geſetzes auf die einzelnen Geſammtſervituten, die durch jenes Geſetz nicht begriffen waren, durch Geſetz vom 2. März 1850. Dieſelbe hat jedoch im Großen und Ganzen nur die Grundſätze des allgemeinen Landrechts (ſ. oben) zur weiteren Entwicklung gebracht. Auch nach dieſem Geſetze ſoll die Gemeinſchaft „möglichſt“ aufgehoben, oder doch möglichſt unſchädlich gemacht werden, wo ſie beſteht, und zwar ohne Rück- ſicht darauf, ob die Gerechtſame auf einem gemeinſchaftlichen Eigenthum oder auf einſeitigen oder wechſelſeitigen Dienſtbarkeiten beruhe. Grundſatz iſt, daß jeder Einzelne das Recht hat, auf die Theilung anzutragen — hier griff der römiſche Begriff durch; wenn jedoch mit der wirklichen Theilung ein Umtauſch der Ländereien verbunden iſt, ſo ſoll ſie erſt Platz greifen, wenn die Beſitzer des vierten Theiles der Ländereien, welche durch den Umtauſch betroffen werden, einverſtanden ſind. Dieß Syſtem der Vertheilung hat nun allerdings die weſentliche Beſchränkung, daß bei einſeitigen Dienſtbarkeiten die Berechtigten ſich jede Art der Entſchädigung gefallen laſſen müſſen (Art. 86. 96). Werden die Berech- tigten nun über die Theilung nicht einig, oder fordern ſie dieſelbe gar nicht, ſo ſoll wenigſtens jeder Verpflichtete das Recht haben, auf eine möglichſt ſtrenge Beſchränkung der Gemeinheiten und ihrer Benützung anzutragen (Geſetz von 1821, Abſchnitt II.). Iſt eine Entſchädigung dabei an Land nicht möglich, ſo kann ſie auch in Renten oder Geld Stein, die Verwaltungslehre. VII. 19

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/307>, abgerufen am 22.11.2024.