Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.die Aufgabe der Gemeinde als solcher noch gar nicht zum Bewußtsein, Indessen hat es in Deutschland nicht bloß diese, aus der staats- die Aufgabe der Gemeinde als ſolcher noch gar nicht zum Bewußtſein, Indeſſen hat es in Deutſchland nicht bloß dieſe, aus der ſtaats- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0304" n="286"/> die Aufgabe der Gemeinde als ſolcher noch gar nicht zum Bewußtſein,<lb/> da es bei der zum Theil noch beſtehenden Leibeigenſchaft und der all-<lb/> gemein beſtehenden Grundherrlichkeit mit Patrimonialjurisdiktion, wie<lb/> oben gezeigt, eben <hi rendition="#g">noch keine Landgemeinde gab</hi>. Daß die wahre<lb/> Frage der Gemeinheitstheilung erſt nach der <hi rendition="#g">vollzogenen Ent-<lb/> laſtung</hi> eintreten könne, wurde weder von der Geſetzgebung noch von<lb/> der Theorie erkannt. Und ſo läßt ſich jetzt der weſentliche Inhalt aller<lb/> jener den Befreiungskriegen folgenden Geſetzgebungen im einfachen An-<lb/> ſchluß an die obige hiſtoriſche Entwicklung leicht dahin beſtimmen, daß<lb/> ſie geſetzlich <hi rendition="#g">zuerſt</hi> die Form feſtſtellten, unter der jenes Intereſſe der<lb/> Gemeinde ſeinen Geſammtausdruck finden ſolle, und <hi rendition="#g">zweitens</hi> den<lb/> Modus der wirklichen Theilung, wenn die Gemeinde zum Beſchluß der-<lb/> ſelben in ihrem Intereſſe gelangt iſt.</p><lb/> <p>Indeſſen hat es in Deutſchland nicht bloß dieſe, aus der ſtaats-<lb/> bürgerlichen Geſellſchaftsordnung hervorgehende rein negative Richtung<lb/> gegeben. Neben jener Geſetzgebung ſtehen zu gleicher Zeit Männer,<lb/> welche mit klarem Blick in die Zukunft die großen Bedenken der Thei-<lb/> lung feſt ins Auge faßten und ſich nachdrücklich gegen dieſelbe erklärten.<lb/> An der Spitze derſelben ſtehen Fr. <hi rendition="#g">Liſt</hi> und <hi rendition="#g">Knaus</hi>, welche die<lb/> landläufige Nationalökonomie vergeſſen zu haben ſcheint. <hi rendition="#g">Liſt</hi> hat<lb/> allerdings nicht die Gemeinde in ſeinen Geſichtskreis gezogen, wohl<lb/> aber die große landwirthſchaftliche Frage nach den Bedenken gegen die<lb/> Verkleinerung der Grundbeſitze und ihren ernſten volkswirthſchaftlichen<lb/> Folgen in ſeiner trefflichen Abhandlung „Die Ackerverfaſſung, die Zwerg-<lb/> wirthſchaft und die Auswanderung“ (1842. In den geſammelten Schrif-<lb/> ten von Häuſſer Bd. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 150, namentlich S. 195 ff.) Dagegen iſt<lb/><hi rendition="#g">Knaus</hi>, ſo viel wir ſehen, der Einzige, der die Frage zugleich vom<lb/> wirthſchaftlichen, adminiſtrativen und ſocialen Standpunkt gründlich be-<lb/> handelt: „Die politiſche Landgemeinde als Grundeigenthümerin“ (Tüb.<lb/> Vierteljahrſchrift 1844 S. 441) und zu dem nach allen Seiten hin<lb/> wohlerwogenen Reſultate gelangt, daß die Auftheilung an und für ſich<lb/><hi rendition="#g">nicht</hi> wünſchenswerth und <hi rendition="#g">nicht</hi> nützlich, ſondern daß im Gegentheil<lb/> der Gemeindegrund ein weſentliches Element für die ganze Zukunft des<lb/> Gemeindeweſens ſei. Es iſt das eine der vortrefflichſten Arbeiten auf<lb/> dieſem ganzen Gebiet; und namentlich machen wir auf Punkt 5 auf-<lb/> merkſam, wo der Beweis geführt wird, „daß Gemeindegrundeigenthum<lb/> durch eine kluge Verwaltung und Verwandlung gegen die <hi rendition="#g">Gefahr des<lb/> Unbeſchäftigtſeins des ärmeren Theiles der Gemeinde-<lb/> genoſſen ſchütze</hi>“ (S. 474 ff.). <hi rendition="#g">Knaus</hi> blieb mit ſeinen Darſtel-<lb/> lungen allein; noch umſchwebte den Gemeindegrund die Vorſtellung<lb/> einer feudalen Genoſſenſchaft; wie ganz anders würde ein ſolches Werk<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [286/0304]
die Aufgabe der Gemeinde als ſolcher noch gar nicht zum Bewußtſein,
da es bei der zum Theil noch beſtehenden Leibeigenſchaft und der all-
gemein beſtehenden Grundherrlichkeit mit Patrimonialjurisdiktion, wie
oben gezeigt, eben noch keine Landgemeinde gab. Daß die wahre
Frage der Gemeinheitstheilung erſt nach der vollzogenen Ent-
laſtung eintreten könne, wurde weder von der Geſetzgebung noch von
der Theorie erkannt. Und ſo läßt ſich jetzt der weſentliche Inhalt aller
jener den Befreiungskriegen folgenden Geſetzgebungen im einfachen An-
ſchluß an die obige hiſtoriſche Entwicklung leicht dahin beſtimmen, daß
ſie geſetzlich zuerſt die Form feſtſtellten, unter der jenes Intereſſe der
Gemeinde ſeinen Geſammtausdruck finden ſolle, und zweitens den
Modus der wirklichen Theilung, wenn die Gemeinde zum Beſchluß der-
ſelben in ihrem Intereſſe gelangt iſt.
Indeſſen hat es in Deutſchland nicht bloß dieſe, aus der ſtaats-
bürgerlichen Geſellſchaftsordnung hervorgehende rein negative Richtung
gegeben. Neben jener Geſetzgebung ſtehen zu gleicher Zeit Männer,
welche mit klarem Blick in die Zukunft die großen Bedenken der Thei-
lung feſt ins Auge faßten und ſich nachdrücklich gegen dieſelbe erklärten.
An der Spitze derſelben ſtehen Fr. Liſt und Knaus, welche die
landläufige Nationalökonomie vergeſſen zu haben ſcheint. Liſt hat
allerdings nicht die Gemeinde in ſeinen Geſichtskreis gezogen, wohl
aber die große landwirthſchaftliche Frage nach den Bedenken gegen die
Verkleinerung der Grundbeſitze und ihren ernſten volkswirthſchaftlichen
Folgen in ſeiner trefflichen Abhandlung „Die Ackerverfaſſung, die Zwerg-
wirthſchaft und die Auswanderung“ (1842. In den geſammelten Schrif-
ten von Häuſſer Bd. II. S. 150, namentlich S. 195 ff.) Dagegen iſt
Knaus, ſo viel wir ſehen, der Einzige, der die Frage zugleich vom
wirthſchaftlichen, adminiſtrativen und ſocialen Standpunkt gründlich be-
handelt: „Die politiſche Landgemeinde als Grundeigenthümerin“ (Tüb.
Vierteljahrſchrift 1844 S. 441) und zu dem nach allen Seiten hin
wohlerwogenen Reſultate gelangt, daß die Auftheilung an und für ſich
nicht wünſchenswerth und nicht nützlich, ſondern daß im Gegentheil
der Gemeindegrund ein weſentliches Element für die ganze Zukunft des
Gemeindeweſens ſei. Es iſt das eine der vortrefflichſten Arbeiten auf
dieſem ganzen Gebiet; und namentlich machen wir auf Punkt 5 auf-
merkſam, wo der Beweis geführt wird, „daß Gemeindegrundeigenthum
durch eine kluge Verwaltung und Verwandlung gegen die Gefahr des
Unbeſchäftigtſeins des ärmeren Theiles der Gemeinde-
genoſſen ſchütze“ (S. 474 ff.). Knaus blieb mit ſeinen Darſtel-
lungen allein; noch umſchwebte den Gemeindegrund die Vorſtellung
einer feudalen Genoſſenſchaft; wie ganz anders würde ein ſolches Werk
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