englischen Processe, alle Betheiligten lieber die ganze Almend ganz un- bebaut liegen ließen, als daß sie unter Cultur genommen wäre. Damit erklärt sich, daß bis zum 18. Jahrhundert für das ganze Gebiet der alten Almende nichts geschah, und England mit ungeheuren Länder- strecken, bis vor die Thore Londons, bedeckt war, die noch am Ende des vorigen Jahrhunderts von dem Parlamentscommittee für die ersten Versuche zur Verkoppelung auf nicht weniger als 7,800,000 Acres an- geschlagen wurden (Thaer, Englische Landwirthschaft 11. Bd. 2. Abth. S. 355). Unterdessen stieg die Bevölkerung, namentlich in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, und die Theuerung ward um so größer, als die englische Korngesetzgebung durch das in den Händen der Lords befindliche Unterhaus an dem Kornschutzzoll rücksichtslos fest- hielt (Kurze Geschichte dieser Gesetzgebung bei Thaer a. a. O. S. 114 bis 252). Diese Hartnäckigkeit hatte das Gute, daß man begann, den Grund des Uebels da zu suchen, wo er wirklich lag, nämlich eben in jener joint tenancy, in dem alten Gemeindegut. Schottland war in dieser Beziehung mit einem glänzenden Beispiele vorangegangen. Hier war bereits 1665 das erste Theilungsgesetz Europas erlassen, das die Theilung "auf den Willen eines jeden Interessenten" zuließ, für die Vornahme derselben eine "Commission" anordnete, und jedem einen Antheil "nach Verhältniß seines bisherigen Eigenthums" zuwies (das Gesetz bei Thaer S. 349). Das Gesetz hat die Wirkung gehabt, daß am Ende des 18. Jahrhunderts alle Gemeinheiten in Schottland (nach Thaer) wirklich aufgetheilt waren. Dieß Beispiel Schottlands begann nun im Laufe des 18. Jahrhunderts auch in England Nach- ahmung zu finden. In einzelnen Gegenden verständigten sich die Be- rechtigten über die, bald gänzliche, bald theilweise Auftheilung der Gemeinden freiwillig und nach Mac Culloch (Statist. Accounts. I. 556), wurden unter Anna 1439, unter Georg I. 17,660, unter Georg II. 318,778 Acres, unter Georg III. bis 1797 endlich 2,804,000 Acres wirklich getheilt. Die durch diese Theilungen entstehenden Einzel- besitze hießen dann im Gegensatz zu der offenen, ungetheilten Gemein- weide (open fields) die "inclosures," was Thaer mit "Verkoppelung" übersetzt. Allerdings nun war das Ergebniß dieser inclosures ein außer- ordentlich günstiges, obgleich die Kosten der Einhegung nach Thaer (S. 352) sehr groß waren; allein die wahre Schwierigkeit der Sache bestand denn doch in zwei andern Elementen, das eine war das Recht jedes einzelnen Betheiligten, sich der Auftheilung zu widersetzen, ein Recht, das noch immer durch kein Auftheilungsgesetz beseitigt war; das zweite aber war dagegen die Nothwendigkeit, den ganzen Wirthschaftsplan der englischen Landwirthschaft gründlich zu ändern, und statt der Dreifelderwirthschaft,
engliſchen Proceſſe, alle Betheiligten lieber die ganze Almend ganz un- bebaut liegen ließen, als daß ſie unter Cultur genommen wäre. Damit erklärt ſich, daß bis zum 18. Jahrhundert für das ganze Gebiet der alten Almende nichts geſchah, und England mit ungeheuren Länder- ſtrecken, bis vor die Thore Londons, bedeckt war, die noch am Ende des vorigen Jahrhunderts von dem Parlamentscommittee für die erſten Verſuche zur Verkoppelung auf nicht weniger als 7,800,000 Acres an- geſchlagen wurden (Thaer, Engliſche Landwirthſchaft 11. Bd. 2. Abth. S. 355). Unterdeſſen ſtieg die Bevölkerung, namentlich in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, und die Theuerung ward um ſo größer, als die engliſche Korngeſetzgebung durch das in den Händen der Lords befindliche Unterhaus an dem Kornſchutzzoll rückſichtslos feſt- hielt (Kurze Geſchichte dieſer Geſetzgebung bei Thaer a. a. O. S. 114 bis 252). Dieſe Hartnäckigkeit hatte das Gute, daß man begann, den Grund des Uebels da zu ſuchen, wo er wirklich lag, nämlich eben in jener joint tenancy, in dem alten Gemeindegut. Schottland war in dieſer Beziehung mit einem glänzenden Beiſpiele vorangegangen. Hier war bereits 1665 das erſte Theilungsgeſetz Europas erlaſſen, das die Theilung „auf den Willen eines jeden Intereſſenten“ zuließ, für die Vornahme derſelben eine „Commiſſion“ anordnete, und jedem einen Antheil „nach Verhältniß ſeines bisherigen Eigenthums“ zuwies (das Geſetz bei Thaer S. 349). Das Geſetz hat die Wirkung gehabt, daß am Ende des 18. Jahrhunderts alle Gemeinheiten in Schottland (nach Thaer) wirklich aufgetheilt waren. Dieß Beiſpiel Schottlands begann nun im Laufe des 18. Jahrhunderts auch in England Nach- ahmung zu finden. In einzelnen Gegenden verſtändigten ſich die Be- rechtigten über die, bald gänzliche, bald theilweiſe Auftheilung der Gemeinden freiwillig und nach Mac Culloch (Statist. Accounts. I. 556), wurden unter Anna 1439, unter Georg I. 17,660, unter Georg II. 318,778 Acres, unter Georg III. bis 1797 endlich 2,804,000 Acres wirklich getheilt. Die durch dieſe Theilungen entſtehenden Einzel- beſitze hießen dann im Gegenſatz zu der offenen, ungetheilten Gemein- weide (open fields) die „inclosures,“ was Thaer mit „Verkoppelung“ überſetzt. Allerdings nun war das Ergebniß dieſer inclosures ein außer- ordentlich günſtiges, obgleich die Koſten der Einhegung nach Thaer (S. 352) ſehr groß waren; allein die wahre Schwierigkeit der Sache beſtand denn doch in zwei andern Elementen, das eine war das Recht jedes einzelnen Betheiligten, ſich der Auftheilung zu widerſetzen, ein Recht, das noch immer durch kein Auftheilungsgeſetz beſeitigt war; das zweite aber war dagegen die Nothwendigkeit, den ganzen Wirthſchaftsplan der engliſchen Landwirthſchaft gründlich zu ändern, und ſtatt der Dreifelderwirthſchaft,
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erklärt ſich, daß bis zum 18. Jahrhundert für das ganze Gebiet der
alten Almende nichts geſchah, und England mit ungeheuren Länder-
ſtrecken, bis vor die Thore Londons, bedeckt war, die noch am Ende
des vorigen Jahrhunderts von dem Parlamentscommittee für die erſten
Verſuche zur Verkoppelung auf nicht weniger als 7,800,000 Acres an-
geſchlagen wurden (Thaer, Engliſche Landwirthſchaft 11. Bd. 2. Abth.
S. 355). Unterdeſſen ſtieg die Bevölkerung, namentlich in der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts, und die Theuerung ward um ſo
größer, als die engliſche Korngeſetzgebung durch das in den Händen
der Lords befindliche Unterhaus an dem Kornſchutzzoll rückſichtslos feſt-
hielt (Kurze Geſchichte dieſer Geſetzgebung bei Thaer a. a. O. S. 114
bis 252). Dieſe Hartnäckigkeit hatte das Gute, daß man begann, den
Grund des Uebels da zu ſuchen, wo er wirklich lag, nämlich eben in
jener joint tenancy, in dem alten Gemeindegut. Schottland war
in dieſer Beziehung mit einem glänzenden Beiſpiele vorangegangen.
Hier war bereits 1665 das erſte Theilungsgeſetz Europas erlaſſen,
das die Theilung „auf den Willen eines jeden Intereſſenten“ zuließ,
für die Vornahme derſelben eine „Commiſſion“ anordnete, und jedem
einen Antheil „nach Verhältniß ſeines bisherigen Eigenthums“ zuwies
(das Geſetz bei Thaer S. 349). Das Geſetz hat die Wirkung gehabt,
daß am Ende des 18. Jahrhunderts alle Gemeinheiten in Schottland
(nach Thaer) wirklich aufgetheilt waren. Dieß Beiſpiel Schottlands
begann nun im Laufe des 18. Jahrhunderts auch in England Nach-
ahmung zu finden. In einzelnen Gegenden verſtändigten ſich die Be-
rechtigten über die, bald gänzliche, bald theilweiſe Auftheilung der
Gemeinden freiwillig und nach Mac Culloch (Statist. Accounts.
I. 556), wurden unter Anna 1439, unter Georg I. 17,660, unter
Georg II. 318,778 Acres, unter Georg III. bis 1797 endlich 2,804,000
Acres wirklich getheilt. Die durch dieſe Theilungen entſtehenden Einzel-
beſitze hießen dann im Gegenſatz zu der offenen, ungetheilten Gemein-
weide (open fields) die „inclosures,“ was Thaer mit „Verkoppelung“
überſetzt. Allerdings nun war das Ergebniß dieſer inclosures ein außer-
ordentlich günſtiges, obgleich die Koſten der Einhegung nach Thaer (S. 352)
ſehr groß waren; allein die wahre Schwierigkeit der Sache beſtand denn
doch in zwei andern Elementen, das eine war das Recht jedes einzelnen
Betheiligten, ſich der Auftheilung zu widerſetzen, ein Recht, das noch
immer durch kein Auftheilungsgeſetz beſeitigt war; das zweite aber war
dagegen die Nothwendigkeit, den ganzen Wirthſchaftsplan der engliſchen
Landwirthſchaft gründlich zu ändern, und ſtatt der Dreifelderwirthſchaft,
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/285>, abgerufen am 22.11.2024.
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