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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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Theile, und die Wissenschaft der Begriffe und Gesetze, auf welchen er
beruht, die Volkswirthschaftslehre.

Die Volkswirthschaftslehre hat drei Hauptgebiete: die Güterlehre,
Wirthschaftslehre und die Volkswirthschaftslehre.

a) Die Güterlehre beruht ihrem höheren, ethischen Standpunkte
nach darauf, daß die Erfüllung des Lebens der Persönlichkeit nicht
bloß in dem physischen Dasein der Person und nicht bloß in der geistigen
Welt liegt, sondern daß sich dieselbe auch das rein natürliche Dasein
unterwirft und ihren Zwecken dienstbar macht. In der Güterlehre
sehen wir daher eine zweite Welt, eine zweite Ordnung der Dinge,
sich über die rein natürliche ausbreiten. Es ist der Mensch, der dem
natürlichen Dasein den Stempel seines Daseins aufdrückt. Er reißt
mit seiner Arbeit die Dinge aus dem Kreise ihrer natürlichen Existenz
heraus; er ändert und gestaltet sie; er trennt das natürlich Verbundene
und verbindet das Getrennte; er gibt ihnen einen neuen Zweck, der nicht
in ihrem natürlichen Dasein liegt, und indem er sie so in dem Leben der
Natur erfaßt und in das der Persönlichkeit aufnimmt, macht er aus dem
natürlichen Dasein ein Gut. Der gewaltige, die ganze Welt umfassende
Proceß, mit welchem alle die Millionen Menschen auf diese Weise die
natürliche Welt dem menschlichen Willen unterwerfen und sie zu einem
Theile und Inhalt der menschlichen Bestimmung erheben, indem sie aus
den Dingen und Wesen Güter erzeugen, nennen wir das Güterleben.
Das Güterleben hat seine Grundbegriffe, seinen Organismus, seine
Gesetze zunächst für sich. Diese darzustellen ist die Aufgabe des ersten
Theiles der Wissenschaft der Nationalökonomie, des Güterlebens.

Diese nun kann allerdings in verschiedener Weise aufgefaßt werden.
Allein wie immer man sich dieselbe denken mag, stets wird dieß Güter-
leben eine der großen Bedingungen der persönlichen Entwicklung, das
Gut eine, durch das Wesen der Persönlichkeit selbst geforderte und
unmittelbar erzeugte Erfüllung der letzteren sein. Es ist dasselbe mit
allen seinen Momenten ein organisches Element des persönlichen Lebens;
die in ihm gegebene Herrschaft über das natürliche Dasein ist zugleich
eine Voraussetzung und ein Maß für die Verwirklichung der Idee
der Persönlichkeit. Es ist kein Zweifel, daß in diesem Leben der Güter
auf diese Weise zugleich ein sehr praktisches und ein hohes ethisches
Moment liegt. Das Verständniß des letzteren ist es, welches das erstere
über die Linie einer mechanischen Ordnung und äußeren Zweckmäßigkeit
erhebt. Die innere und formelle Verbindung beider ist es, welche die
Grundbegriffe und Gesetze, die dieß Leben der Güter bilden und be-
herrschen, zur Wissenschaft der Güter, zur Nationalökonomie im
höheren Sinne des Wortes macht.


Theile, und die Wiſſenſchaft der Begriffe und Geſetze, auf welchen er
beruht, die Volkswirthſchaftslehre.

Die Volkswirthſchaftslehre hat drei Hauptgebiete: die Güterlehre,
Wirthſchaftslehre und die Volkswirthſchaftslehre.

a) Die Güterlehre beruht ihrem höheren, ethiſchen Standpunkte
nach darauf, daß die Erfüllung des Lebens der Perſönlichkeit nicht
bloß in dem phyſiſchen Daſein der Perſon und nicht bloß in der geiſtigen
Welt liegt, ſondern daß ſich dieſelbe auch das rein natürliche Daſein
unterwirft und ihren Zwecken dienſtbar macht. In der Güterlehre
ſehen wir daher eine zweite Welt, eine zweite Ordnung der Dinge,
ſich über die rein natürliche ausbreiten. Es iſt der Menſch, der dem
natürlichen Daſein den Stempel ſeines Daſeins aufdrückt. Er reißt
mit ſeiner Arbeit die Dinge aus dem Kreiſe ihrer natürlichen Exiſtenz
heraus; er ändert und geſtaltet ſie; er trennt das natürlich Verbundene
und verbindet das Getrennte; er gibt ihnen einen neuen Zweck, der nicht
in ihrem natürlichen Daſein liegt, und indem er ſie ſo in dem Leben der
Natur erfaßt und in das der Perſönlichkeit aufnimmt, macht er aus dem
natürlichen Daſein ein Gut. Der gewaltige, die ganze Welt umfaſſende
Proceß, mit welchem alle die Millionen Menſchen auf dieſe Weiſe die
natürliche Welt dem menſchlichen Willen unterwerfen und ſie zu einem
Theile und Inhalt der menſchlichen Beſtimmung erheben, indem ſie aus
den Dingen und Weſen Güter erzeugen, nennen wir das Güterleben.
Das Güterleben hat ſeine Grundbegriffe, ſeinen Organismus, ſeine
Geſetze zunächſt für ſich. Dieſe darzuſtellen iſt die Aufgabe des erſten
Theiles der Wiſſenſchaft der Nationalökonomie, des Güterlebens.

Dieſe nun kann allerdings in verſchiedener Weiſe aufgefaßt werden.
Allein wie immer man ſich dieſelbe denken mag, ſtets wird dieß Güter-
leben eine der großen Bedingungen der perſönlichen Entwicklung, das
Gut eine, durch das Weſen der Perſönlichkeit ſelbſt geforderte und
unmittelbar erzeugte Erfüllung der letzteren ſein. Es iſt daſſelbe mit
allen ſeinen Momenten ein organiſches Element des perſönlichen Lebens;
die in ihm gegebene Herrſchaft über das natürliche Daſein iſt zugleich
eine Vorausſetzung und ein Maß für die Verwirklichung der Idee
der Perſönlichkeit. Es iſt kein Zweifel, daß in dieſem Leben der Güter
auf dieſe Weiſe zugleich ein ſehr praktiſches und ein hohes ethiſches
Moment liegt. Das Verſtändniß des letzteren iſt es, welches das erſtere
über die Linie einer mechaniſchen Ordnung und äußeren Zweckmäßigkeit
erhebt. Die innere und formelle Verbindung beider iſt es, welche die
Grundbegriffe und Geſetze, die dieß Leben der Güter bilden und be-
herrſchen, zur Wiſſenſchaft der Güter, zur Nationalökonomie im
höheren Sinne des Wortes macht.


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[6/0024] Theile, und die Wiſſenſchaft der Begriffe und Geſetze, auf welchen er beruht, die Volkswirthſchaftslehre. Die Volkswirthſchaftslehre hat drei Hauptgebiete: die Güterlehre, Wirthſchaftslehre und die Volkswirthſchaftslehre. a) Die Güterlehre beruht ihrem höheren, ethiſchen Standpunkte nach darauf, daß die Erfüllung des Lebens der Perſönlichkeit nicht bloß in dem phyſiſchen Daſein der Perſon und nicht bloß in der geiſtigen Welt liegt, ſondern daß ſich dieſelbe auch das rein natürliche Daſein unterwirft und ihren Zwecken dienſtbar macht. In der Güterlehre ſehen wir daher eine zweite Welt, eine zweite Ordnung der Dinge, ſich über die rein natürliche ausbreiten. Es iſt der Menſch, der dem natürlichen Daſein den Stempel ſeines Daſeins aufdrückt. Er reißt mit ſeiner Arbeit die Dinge aus dem Kreiſe ihrer natürlichen Exiſtenz heraus; er ändert und geſtaltet ſie; er trennt das natürlich Verbundene und verbindet das Getrennte; er gibt ihnen einen neuen Zweck, der nicht in ihrem natürlichen Daſein liegt, und indem er ſie ſo in dem Leben der Natur erfaßt und in das der Perſönlichkeit aufnimmt, macht er aus dem natürlichen Daſein ein Gut. Der gewaltige, die ganze Welt umfaſſende Proceß, mit welchem alle die Millionen Menſchen auf dieſe Weiſe die natürliche Welt dem menſchlichen Willen unterwerfen und ſie zu einem Theile und Inhalt der menſchlichen Beſtimmung erheben, indem ſie aus den Dingen und Weſen Güter erzeugen, nennen wir das Güterleben. Das Güterleben hat ſeine Grundbegriffe, ſeinen Organismus, ſeine Geſetze zunächſt für ſich. Dieſe darzuſtellen iſt die Aufgabe des erſten Theiles der Wiſſenſchaft der Nationalökonomie, des Güterlebens. Dieſe nun kann allerdings in verſchiedener Weiſe aufgefaßt werden. Allein wie immer man ſich dieſelbe denken mag, ſtets wird dieß Güter- leben eine der großen Bedingungen der perſönlichen Entwicklung, das Gut eine, durch das Weſen der Perſönlichkeit ſelbſt geforderte und unmittelbar erzeugte Erfüllung der letzteren ſein. Es iſt daſſelbe mit allen ſeinen Momenten ein organiſches Element des perſönlichen Lebens; die in ihm gegebene Herrſchaft über das natürliche Daſein iſt zugleich eine Vorausſetzung und ein Maß für die Verwirklichung der Idee der Perſönlichkeit. Es iſt kein Zweifel, daß in dieſem Leben der Güter auf dieſe Weiſe zugleich ein ſehr praktiſches und ein hohes ethiſches Moment liegt. Das Verſtändniß des letzteren iſt es, welches das erſtere über die Linie einer mechaniſchen Ordnung und äußeren Zweckmäßigkeit erhebt. Die innere und formelle Verbindung beider iſt es, welche die Grundbegriffe und Geſetze, die dieß Leben der Güter bilden und be- herrſchen, zur Wiſſenſchaft der Güter, zur Nationalökonomie im höheren Sinne des Wortes macht.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/24>, abgerufen am 23.04.2024.