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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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hat, vernichtete alle diese Anläufe zu einer Reichsverwaltung. Das
Rechtsprincip, das er für Deutschland zur Geltung bringt, ist die
Souveränetät der Reichsstände. Die kleinen Reichsstände aber sind Ge-
schlechterherrschaften. Damit wird die Alleinherrschaft der herrschenden
Geschlechter besiegelt, und von jetzt an empfängt die Unfreiheit der Unter-
worfenen den Charakter, den wir bezeichnet haben, den Charakter eines
"geheiligten Privatrechts" der Herren an ihren Unterthanen. Mit diesem
Resultat beginnt die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts.

Indessen waren einige von den neuen Staatenbildungen groß genug,
um neben dem Begriff des Eigenthums als Basis ihres Rechts dem der
staatlichen Gewalt, bald imperium, bald Landeshoheit genannt (s. oben),
Raum zu geben. Das Loslösen von Kaiser und Reich hatte für diese
Territorien wenigstens das Gute, daß sie sich auf sich selber stellten
und daher jene Idee der Landeshoheit zu einem förmlichen System der
Regierungsgewalt zu entwickeln begannen. Damit trat diese Gewalt
an die Stelle des alten Reiches, und nun geschah allmählig das, was
den Ausgangspunkt der folgenden Geschichte bildet. Die großen Landes-
herren stellten für ihre Territorien Centralbehörden auf, welche alsbald
für sich das Recht der Reichsinstitutionen, die Oberaufsicht über
alle öffentlichen Verhältnisse in Anspruch nahmen, "sintemahl solchen
falls weder einem noch andern insonderheit wie mächtig und Reich er
auch wäre -- dergleichen Oberste Herrschaft und Regierung im Land
zukommt, sondern sie sind gegen den Landes-Herrn insgesammt und
insonderheit für Unterthanen zu achten" (Seckendorf, Teutscher Fürsten-
staat, II. Thl. Cap. 1. 1660), denn "es ist die Lands Fürstliche Regierung
in denen Teutschen Landen -- nichts anderes, als die Oberste und
höchste Bottmäßigkeit
des ordentlich regierenden Fürsten oder Herrn
über die Stände und Unterthanen -- zu Erhaltung und Behauptung des
gemeinen Nutzens und Wolwesens" (ebend.). Um diese Idee zu verwirk-
lichen, beginnt nun eine förmliche systematische Eintheilung des Landes;
die alte Vogtei wird zum "Amt," der Amtmann wird Diener des
Landesherrn, und wie wir es in der französischen Rechtsgeschichte (Das
organische Königthum S. 402--499) für Frankreich nachgewiesen haben,
beginnen nun diese landesherrlichen Amtleute ihre Competenz alsbald
auch über die örtliche Verwaltung der Grundherrlichkeiten "zur Erhal-
tung und Behauptung des allgemeinen Nutzens und Wolwesens" aus-
zudehnen.

Hier nun kommen sie natürlich sofort in Conflict mit der Grund-
herrlichkeit und ihrem öffentlichen Rechte, und dieser Conflict war gleich
anfangs nicht der eines einfachen Competenzstreites, sondern in ihm be-
rührten sich zuerst die beiden großen Principien, deren Schicksal das

Stein, die Verwaltungslehre. VII. 13

hat, vernichtete alle dieſe Anläufe zu einer Reichsverwaltung. Das
Rechtsprincip, das er für Deutſchland zur Geltung bringt, iſt die
Souveränetät der Reichsſtände. Die kleinen Reichsſtände aber ſind Ge-
ſchlechterherrſchaften. Damit wird die Alleinherrſchaft der herrſchenden
Geſchlechter beſiegelt, und von jetzt an empfängt die Unfreiheit der Unter-
worfenen den Charakter, den wir bezeichnet haben, den Charakter eines
„geheiligten Privatrechts“ der Herren an ihren Unterthanen. Mit dieſem
Reſultat beginnt die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts.

Indeſſen waren einige von den neuen Staatenbildungen groß genug,
um neben dem Begriff des Eigenthums als Baſis ihres Rechts dem der
ſtaatlichen Gewalt, bald imperium, bald Landeshoheit genannt (ſ. oben),
Raum zu geben. Das Loslöſen von Kaiſer und Reich hatte für dieſe
Territorien wenigſtens das Gute, daß ſie ſich auf ſich ſelber ſtellten
und daher jene Idee der Landeshoheit zu einem förmlichen Syſtem der
Regierungsgewalt zu entwickeln begannen. Damit trat dieſe Gewalt
an die Stelle des alten Reiches, und nun geſchah allmählig das, was
den Ausgangspunkt der folgenden Geſchichte bildet. Die großen Landes-
herren ſtellten für ihre Territorien Centralbehörden auf, welche alsbald
für ſich das Recht der Reichsinſtitutionen, die Oberaufſicht über
alle öffentlichen Verhältniſſe in Anſpruch nahmen, „ſintemahl ſolchen
falls weder einem noch andern inſonderheit wie mächtig und Reich er
auch wäre — dergleichen Oberſte Herrſchaft und Regierung im Land
zukommt, ſondern ſie ſind gegen den Landes-Herrn insgeſammt und
inſonderheit für Unterthanen zu achten“ (Seckendorf, Teutſcher Fürſten-
ſtaat, II. Thl. Cap. 1. 1660), denn „es iſt die Lands Fürſtliche Regierung
in denen Teutſchen Landen — nichts anderes, als die Oberſte und
höchſte Bottmäßigkeit
des ordentlich regierenden Fürſten oder Herrn
über die Stände und Unterthanen — zu Erhaltung und Behauptung des
gemeinen Nutzens und Wolweſens“ (ebend.). Um dieſe Idee zu verwirk-
lichen, beginnt nun eine förmliche ſyſtematiſche Eintheilung des Landes;
die alte Vogtei wird zum „Amt,“ der Amtmann wird Diener des
Landesherrn, und wie wir es in der franzöſiſchen Rechtsgeſchichte (Das
organiſche Königthum S. 402—499) für Frankreich nachgewieſen haben,
beginnen nun dieſe landesherrlichen Amtleute ihre Competenz alsbald
auch über die örtliche Verwaltung der Grundherrlichkeiten „zur Erhal-
tung und Behauptung des allgemeinen Nutzens und Wolweſens“ aus-
zudehnen.

Hier nun kommen ſie natürlich ſofort in Conflict mit der Grund-
herrlichkeit und ihrem öffentlichen Rechte, und dieſer Conflict war gleich
anfangs nicht der eines einfachen Competenzſtreites, ſondern in ihm be-
rührten ſich zuerſt die beiden großen Principien, deren Schickſal das

Stein, die Verwaltungslehre. VII. 13
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[193/0211] hat, vernichtete alle dieſe Anläufe zu einer Reichsverwaltung. Das Rechtsprincip, das er für Deutſchland zur Geltung bringt, iſt die Souveränetät der Reichsſtände. Die kleinen Reichsſtände aber ſind Ge- ſchlechterherrſchaften. Damit wird die Alleinherrſchaft der herrſchenden Geſchlechter beſiegelt, und von jetzt an empfängt die Unfreiheit der Unter- worfenen den Charakter, den wir bezeichnet haben, den Charakter eines „geheiligten Privatrechts“ der Herren an ihren Unterthanen. Mit dieſem Reſultat beginnt die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts. Indeſſen waren einige von den neuen Staatenbildungen groß genug, um neben dem Begriff des Eigenthums als Baſis ihres Rechts dem der ſtaatlichen Gewalt, bald imperium, bald Landeshoheit genannt (ſ. oben), Raum zu geben. Das Loslöſen von Kaiſer und Reich hatte für dieſe Territorien wenigſtens das Gute, daß ſie ſich auf ſich ſelber ſtellten und daher jene Idee der Landeshoheit zu einem förmlichen Syſtem der Regierungsgewalt zu entwickeln begannen. Damit trat dieſe Gewalt an die Stelle des alten Reiches, und nun geſchah allmählig das, was den Ausgangspunkt der folgenden Geſchichte bildet. Die großen Landes- herren ſtellten für ihre Territorien Centralbehörden auf, welche alsbald für ſich das Recht der Reichsinſtitutionen, die Oberaufſicht über alle öffentlichen Verhältniſſe in Anſpruch nahmen, „ſintemahl ſolchen falls weder einem noch andern inſonderheit wie mächtig und Reich er auch wäre — dergleichen Oberſte Herrſchaft und Regierung im Land zukommt, ſondern ſie ſind gegen den Landes-Herrn insgeſammt und inſonderheit für Unterthanen zu achten“ (Seckendorf, Teutſcher Fürſten- ſtaat, II. Thl. Cap. 1. 1660), denn „es iſt die Lands Fürſtliche Regierung in denen Teutſchen Landen — nichts anderes, als die Oberſte und höchſte Bottmäßigkeit des ordentlich regierenden Fürſten oder Herrn über die Stände und Unterthanen — zu Erhaltung und Behauptung des gemeinen Nutzens und Wolweſens“ (ebend.). Um dieſe Idee zu verwirk- lichen, beginnt nun eine förmliche ſyſtematiſche Eintheilung des Landes; die alte Vogtei wird zum „Amt,“ der Amtmann wird Diener des Landesherrn, und wie wir es in der franzöſiſchen Rechtsgeſchichte (Das organiſche Königthum S. 402—499) für Frankreich nachgewieſen haben, beginnen nun dieſe landesherrlichen Amtleute ihre Competenz alsbald auch über die örtliche Verwaltung der Grundherrlichkeiten „zur Erhal- tung und Behauptung des allgemeinen Nutzens und Wolweſens“ aus- zudehnen. Hier nun kommen ſie natürlich ſofort in Conflict mit der Grund- herrlichkeit und ihrem öffentlichen Rechte, und dieſer Conflict war gleich anfangs nicht der eines einfachen Competenzſtreites, ſondern in ihm be- rührten ſich zuerſt die beiden großen Principien, deren Schickſal das Stein, die Verwaltungslehre. VII. 13

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/211>, abgerufen am 24.11.2024.