die Enteignung läßt ihn später diesen Zusammenhang wieder ver- lieren, und während der historische Theil daher die ersten Anklänge des Verständnisses der Entwährung enthält, ist der dogmatische eine fleißige und sehr tüchtige Bearbeitung des Enteignungsrechts. Ueber seine principielle Lösung der Frage wollen wir hier nicht rechten. Es gibt eben keine solche Lösung, die nicht zugleich die Entlastung, die Ablösungen u. s. w. umfaßte, kurz, es gibt keine Lösung der Enteignungsfrage für sich, sondern nur eine Lösung der Entwährungsfrage. Daß er als guter Deutscher das römische Recht sehr gründlich, und die lebendige Welt des deutschen Rechts- lebens im 17. und 18. Jahrhundert, namentlich das dominium eminens sehr kurz und ungründlich behandelt, liegt wohl mehr in unsrer allgemeinen verkehrten Bildung auf den deutschen Universi- täten, als an ihm selber. Eben so ist es bezeichnend, daß er viel genauer die deutsche Literatur als die Gesetzgebung kennt; der §. 7 ist wohl der schwächste Theil des Buches, während der dogmatische Theil mit großer Gründlichkeit und Umsicht ausgearbeitet ist. Die Frage nach dem, für das Enteignungsverfahren competenten Organe ist bei ihm leider in der Frage nach dem zur Bestimmung der Entschädigung geeigneten Behörden einigermaßen untergegangen; was er S. 318 ff. sagt, ist nicht mit voller Klarheit über die Sache geschrieben. Das französische Recht ist keineswegs genug gewürdigt; daß er das englische Recht nicht weiter kannte, als Cox und May, die gar nicht davon sprechen, und Gneist und Thiel, denen die Hinweisung auf die Lands Clauses entgangen ist, ist wohl sehr zu entschuldigen (S. 331). Vom Staatsnothrecht geschieht gar keine Erwähnung. Im Ganzen ist jedoch das Werk als ein höchst werth- voller Beitrag zur Lehre von der Entwährung anzuerkennen.
Die gründliche Umarbeitung meiner ersten Auflage der voll- ziehenden Gewalt, für deren freundliche Aufnahme ich schon hier meinen Dank aussprechen darf, wird die Fortsetzung der wirthschaft- lichen Verwaltung, zunächst die Behandtung des Wasser-, Feuer- und Versicherungswesens, wohl einige Zeit hinausschieben.
Wien, Anfang Juni 1868.
L. Stein.
die Enteignung läßt ihn ſpäter dieſen Zuſammenhang wieder ver- lieren, und während der hiſtoriſche Theil daher die erſten Anklänge des Verſtändniſſes der Entwährung enthält, iſt der dogmatiſche eine fleißige und ſehr tüchtige Bearbeitung des Enteignungsrechts. Ueber ſeine principielle Löſung der Frage wollen wir hier nicht rechten. Es gibt eben keine ſolche Löſung, die nicht zugleich die Entlaſtung, die Ablöſungen u. ſ. w. umfaßte, kurz, es gibt keine Löſung der Enteignungsfrage für ſich, ſondern nur eine Löſung der Entwährungsfrage. Daß er als guter Deutſcher das römiſche Recht ſehr gründlich, und die lebendige Welt des deutſchen Rechts- lebens im 17. und 18. Jahrhundert, namentlich das dominium eminens ſehr kurz und ungründlich behandelt, liegt wohl mehr in unſrer allgemeinen verkehrten Bildung auf den deutſchen Univerſi- täten, als an ihm ſelber. Eben ſo iſt es bezeichnend, daß er viel genauer die deutſche Literatur als die Geſetzgebung kennt; der §. 7 iſt wohl der ſchwächſte Theil des Buches, während der dogmatiſche Theil mit großer Gründlichkeit und Umſicht ausgearbeitet iſt. Die Frage nach dem, für das Enteignungsverfahren competenten Organe iſt bei ihm leider in der Frage nach dem zur Beſtimmung der Entſchädigung geeigneten Behörden einigermaßen untergegangen; was er S. 318 ff. ſagt, iſt nicht mit voller Klarheit über die Sache geſchrieben. Das franzöſiſche Recht iſt keineswegs genug gewürdigt; daß er das engliſche Recht nicht weiter kannte, als Cox und May, die gar nicht davon ſprechen, und Gneiſt und Thiel, denen die Hinweiſung auf die Lands Clauses entgangen iſt, iſt wohl ſehr zu entſchuldigen (S. 331). Vom Staatsnothrecht geſchieht gar keine Erwähnung. Im Ganzen iſt jedoch das Werk als ein höchſt werth- voller Beitrag zur Lehre von der Entwährung anzuerkennen.
Die gründliche Umarbeitung meiner erſten Auflage der voll- ziehenden Gewalt, für deren freundliche Aufnahme ich ſchon hier meinen Dank ausſprechen darf, wird die Fortſetzung der wirthſchaft- lichen Verwaltung, zunächſt die Behandtung des Waſſer-, Feuer- und Verſicherungsweſens, wohl einige Zeit hinausſchieben.
Wien, Anfang Juni 1868.
L. Stein.
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[VIII/0014]
die Enteignung läßt ihn ſpäter dieſen Zuſammenhang wieder ver-
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des Verſtändniſſes der Entwährung enthält, iſt der dogmatiſche
eine fleißige und ſehr tüchtige Bearbeitung des Enteignungsrechts.
Ueber ſeine principielle Löſung der Frage wollen wir hier nicht
rechten. Es gibt eben keine ſolche Löſung, die nicht zugleich die
Entlaſtung, die Ablöſungen u. ſ. w. umfaßte, kurz, es gibt keine
Löſung der Enteignungsfrage für ſich, ſondern nur eine Löſung
der Entwährungsfrage. Daß er als guter Deutſcher das römiſche
Recht ſehr gründlich, und die lebendige Welt des deutſchen Rechts-
lebens im 17. und 18. Jahrhundert, namentlich das dominium
eminens ſehr kurz und ungründlich behandelt, liegt wohl mehr in
unſrer allgemeinen verkehrten Bildung auf den deutſchen Univerſi-
täten, als an ihm ſelber. Eben ſo iſt es bezeichnend, daß er viel
genauer die deutſche Literatur als die Geſetzgebung kennt; der §. 7
iſt wohl der ſchwächſte Theil des Buches, während der dogmatiſche
Theil mit großer Gründlichkeit und Umſicht ausgearbeitet iſt. Die
Frage nach dem, für das Enteignungsverfahren competenten Organe
iſt bei ihm leider in der Frage nach dem zur Beſtimmung der
Entſchädigung geeigneten Behörden einigermaßen untergegangen;
was er S. 318 ff. ſagt, iſt nicht mit voller Klarheit über die Sache
geſchrieben. Das franzöſiſche Recht iſt keineswegs genug gewürdigt;
daß er das engliſche Recht nicht weiter kannte, als Cox und May,
die gar nicht davon ſprechen, und Gneiſt und Thiel, denen die
Hinweiſung auf die Lands Clauses entgangen iſt, iſt wohl ſehr zu
entſchuldigen (S. 331). Vom Staatsnothrecht geſchieht gar keine
Erwähnung. Im Ganzen iſt jedoch das Werk als ein höchſt werth-
voller Beitrag zur Lehre von der Entwährung anzuerkennen.
Die gründliche Umarbeitung meiner erſten Auflage der voll-
ziehenden Gewalt, für deren freundliche Aufnahme ich ſchon hier
meinen Dank ausſprechen darf, wird die Fortſetzung der wirthſchaft-
lichen Verwaltung, zunächſt die Behandtung des Waſſer-, Feuer-
und Verſicherungsweſens, wohl einige Zeit hinausſchieben.
Wien, Anfang Juni 1868.
L. Stein.
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/14>, abgerufen am 01.02.2025.
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