Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

Kategorien abgibt. Der Grundherr konnte nämlich die Person unfrei
machen und den Besitz frei lassen; er konnte aber auch den Besitz unfrei
machen, während die Person frei blieb; er konnte endlich beides zugleich
unfrei machen. Es gab daher je nach der inneren Bildungsgeschichte
dieser kleinen Grundherrlichkeiten in denselben theils freie Personen,
theils unfreie, und andererseits theils freie Grundstücke, theils un-
freie
. Ferner war es klar, daß das Maß und die Art der Unfrei-
heit, der Umfang der Leistungen, die sie mit sich brachte, und die
Symbole und den Namen, mit denen sie anerkannt ward, eine fast un-
endliche Verschiedenheit zuließen. Dabei nun trat alsbald das Gesetz
ein, das auch hier über die Gesellschaftsbildung entscheidet. Die Unter-
schiede in der Freiheit der Personen wurden alsbald überragt durch die
Unterschiede in der Freiheit des Besitzes, und wenn man daher diese
letzten in feste Kategorien gebracht hat, so darf man sagen, daß man
die Grundlagen des inneren Rechtszustandes der Grundherrlichkeiten
gewonnen hat.

Diese Kategorien sind folgende.

Die bisher freien Geschlechterhufen erkennen den Grundherrn als
den Nachfolger des Königthums im Lehnrecht an, und stellen sich
unter sein Obereigenthum.

Oder der Grundherr gibt dem persönlich Freien ein Theil seines
eigenen Grundes und Bodens, bald mit dem Rechte der Erbpacht,
bald mit dem der Zeitpacht.

Oder der Grundherr besitzt den Unfreien auf unfreiem Boden, als
eine ihm somit unbedingt persönlich und wirthschaftlich unterworfene
Persönlichkeit.

Natürlich nun hat jede dieser Kategorien auch ihre eigenthümlichen
Leistungen, deren Charakter und Name für die Zukunft von entschei-
dender Bedeutung wird.

Die Kategorie der persönlich freien Lehnsbauern gibt nur irgend
eine symbolische Leistung, durch welche die Lehnsherrlichkeit anerkannt wird.

Die Kategorie der Bauern auf überlassenem Grunde muß natür-
lich Leistungen nach Maßgabe des Ueberlassungsvertrages leisten. Diese
Leistungen heißen Frohnden und (die grundherrlichen) Zehnten.
Sie sind ursprünglich bestimmt von beiden Seiten, und heißen daher
die gemessenen Frohnden.

Die Kategorie der Unfreien auf unfreiem Grunde hat weder ein
persönliches noch ein wirthschaftliches Recht. Der Herr bestimmt ein-
seitig ihre Leistungen. Und so entstehen die ungemessenen Frohnden,
und anstatt der gemessenen Zehnten die unbegränzte Abgabenpflicht des
Leibeigenen (taillable de haut en bas).


Kategorien abgibt. Der Grundherr konnte nämlich die Perſon unfrei
machen und den Beſitz frei laſſen; er konnte aber auch den Beſitz unfrei
machen, während die Perſon frei blieb; er konnte endlich beides zugleich
unfrei machen. Es gab daher je nach der inneren Bildungsgeſchichte
dieſer kleinen Grundherrlichkeiten in denſelben theils freie Perſonen,
theils unfreie, und andererſeits theils freie Grundſtücke, theils un-
freie
. Ferner war es klar, daß das Maß und die Art der Unfrei-
heit, der Umfang der Leiſtungen, die ſie mit ſich brachte, und die
Symbole und den Namen, mit denen ſie anerkannt ward, eine faſt un-
endliche Verſchiedenheit zuließen. Dabei nun trat alsbald das Geſetz
ein, das auch hier über die Geſellſchaftsbildung entſcheidet. Die Unter-
ſchiede in der Freiheit der Perſonen wurden alsbald überragt durch die
Unterſchiede in der Freiheit des Beſitzes, und wenn man daher dieſe
letzten in feſte Kategorien gebracht hat, ſo darf man ſagen, daß man
die Grundlagen des inneren Rechtszuſtandes der Grundherrlichkeiten
gewonnen hat.

Dieſe Kategorien ſind folgende.

Die bisher freien Geſchlechterhufen erkennen den Grundherrn als
den Nachfolger des Königthums im Lehnrecht an, und ſtellen ſich
unter ſein Obereigenthum.

Oder der Grundherr gibt dem perſönlich Freien ein Theil ſeines
eigenen Grundes und Bodens, bald mit dem Rechte der Erbpacht,
bald mit dem der Zeitpacht.

Oder der Grundherr beſitzt den Unfreien auf unfreiem Boden, als
eine ihm ſomit unbedingt perſönlich und wirthſchaftlich unterworfene
Perſönlichkeit.

Natürlich nun hat jede dieſer Kategorien auch ihre eigenthümlichen
Leiſtungen, deren Charakter und Name für die Zukunft von entſchei-
dender Bedeutung wird.

Die Kategorie der perſönlich freien Lehnsbauern gibt nur irgend
eine ſymboliſche Leiſtung, durch welche die Lehnsherrlichkeit anerkannt wird.

Die Kategorie der Bauern auf überlaſſenem Grunde muß natür-
lich Leiſtungen nach Maßgabe des Ueberlaſſungsvertrages leiſten. Dieſe
Leiſtungen heißen Frohnden und (die grundherrlichen) Zehnten.
Sie ſind urſprünglich beſtimmt von beiden Seiten, und heißen daher
die gemeſſenen Frohnden.

Die Kategorie der Unfreien auf unfreiem Grunde hat weder ein
perſönliches noch ein wirthſchaftliches Recht. Der Herr beſtimmt ein-
ſeitig ihre Leiſtungen. Und ſo entſtehen die ungemeſſenen Frohnden,
und anſtatt der gemeſſenen Zehnten die unbegränzte Abgabenpflicht des
Leibeigenen (taillable de haut en bas).


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0117" n="99"/>
Kategorien abgibt. Der Grundherr konnte nämlich die Per&#x017F;on unfrei<lb/>
machen und den Be&#x017F;itz frei la&#x017F;&#x017F;en; er konnte aber auch den Be&#x017F;itz unfrei<lb/>
machen, während die Per&#x017F;on frei blieb; er konnte endlich beides zugleich<lb/>
unfrei machen. Es gab daher je nach der inneren Bildungsge&#x017F;chichte<lb/>
die&#x017F;er kleinen Grundherrlichkeiten in den&#x017F;elben theils <hi rendition="#g">freie</hi> Per&#x017F;onen,<lb/>
theils <hi rendition="#g">unfreie</hi>, und anderer&#x017F;eits theils <hi rendition="#g">freie</hi> Grund&#x017F;tücke, theils <hi rendition="#g">un-<lb/>
freie</hi>. Ferner war es klar, daß das Maß und die Art der Unfrei-<lb/>
heit, der Umfang der Lei&#x017F;tungen, die &#x017F;ie mit &#x017F;ich brachte, und die<lb/>
Symbole und den Namen, mit denen &#x017F;ie anerkannt ward, eine fa&#x017F;t un-<lb/>
endliche Ver&#x017F;chiedenheit zuließen. Dabei nun trat alsbald das Ge&#x017F;etz<lb/>
ein, das auch hier über die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaftsbildung ent&#x017F;cheidet. Die Unter-<lb/>
&#x017F;chiede in der Freiheit der Per&#x017F;onen wurden alsbald überragt durch die<lb/>
Unter&#x017F;chiede in der Freiheit des Be&#x017F;itzes, und wenn man daher die&#x017F;e<lb/>
letzten in fe&#x017F;te Kategorien gebracht hat, &#x017F;o darf man &#x017F;agen, daß man<lb/>
die Grundlagen des inneren Rechtszu&#x017F;tandes der Grundherrlichkeiten<lb/>
gewonnen hat.</p><lb/>
                  <p>Die&#x017F;e Kategorien &#x017F;ind folgende.</p><lb/>
                  <p>Die bisher freien Ge&#x017F;chlechterhufen erkennen den Grundherrn als<lb/>
den Nachfolger des Königthums im Lehnrecht an, und &#x017F;tellen &#x017F;ich<lb/>
unter &#x017F;ein Obereigenthum.</p><lb/>
                  <p>Oder der Grundherr gibt dem per&#x017F;önlich Freien ein Theil &#x017F;eines<lb/>
eigenen Grundes und Bodens, bald mit dem Rechte der Erbpacht,<lb/>
bald mit dem der Zeitpacht.</p><lb/>
                  <p>Oder der Grundherr be&#x017F;itzt den Unfreien auf unfreiem Boden, als<lb/>
eine ihm &#x017F;omit unbedingt per&#x017F;önlich und wirth&#x017F;chaftlich unterworfene<lb/>
Per&#x017F;önlichkeit.</p><lb/>
                  <p>Natürlich nun hat jede die&#x017F;er Kategorien auch ihre eigenthümlichen<lb/>
Lei&#x017F;tungen, deren Charakter und Name für die Zukunft von ent&#x017F;chei-<lb/>
dender Bedeutung wird.</p><lb/>
                  <p>Die Kategorie der per&#x017F;önlich freien Lehnsbauern gibt nur irgend<lb/>
eine &#x017F;ymboli&#x017F;che Lei&#x017F;tung, durch welche die Lehnsherrlichkeit anerkannt wird.</p><lb/>
                  <p>Die Kategorie der Bauern auf überla&#x017F;&#x017F;enem Grunde muß natür-<lb/>
lich Lei&#x017F;tungen nach Maßgabe des Ueberla&#x017F;&#x017F;ungsvertrages lei&#x017F;ten. Die&#x017F;e<lb/>
Lei&#x017F;tungen heißen <hi rendition="#g">Frohnden</hi> und (die grundherrlichen) <hi rendition="#g">Zehnten</hi>.<lb/>
Sie &#x017F;ind ur&#x017F;prünglich be&#x017F;timmt von beiden Seiten, und heißen daher<lb/>
die <hi rendition="#g">geme&#x017F;&#x017F;enen</hi> Frohnden.</p><lb/>
                  <p>Die Kategorie der Unfreien auf unfreiem Grunde hat weder ein<lb/>
per&#x017F;önliches noch ein wirth&#x017F;chaftliches Recht. Der Herr be&#x017F;timmt ein-<lb/>
&#x017F;eitig ihre Lei&#x017F;tungen. Und &#x017F;o ent&#x017F;tehen die <hi rendition="#g">ungeme&#x017F;&#x017F;enen</hi> Frohnden,<lb/>
und an&#x017F;tatt der geme&#x017F;&#x017F;enen Zehnten die unbegränzte Abgabenpflicht des<lb/>
Leibeigenen (<hi rendition="#aq">taillable de haut en bas</hi>).</p><lb/>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0117] Kategorien abgibt. Der Grundherr konnte nämlich die Perſon unfrei machen und den Beſitz frei laſſen; er konnte aber auch den Beſitz unfrei machen, während die Perſon frei blieb; er konnte endlich beides zugleich unfrei machen. Es gab daher je nach der inneren Bildungsgeſchichte dieſer kleinen Grundherrlichkeiten in denſelben theils freie Perſonen, theils unfreie, und andererſeits theils freie Grundſtücke, theils un- freie. Ferner war es klar, daß das Maß und die Art der Unfrei- heit, der Umfang der Leiſtungen, die ſie mit ſich brachte, und die Symbole und den Namen, mit denen ſie anerkannt ward, eine faſt un- endliche Verſchiedenheit zuließen. Dabei nun trat alsbald das Geſetz ein, das auch hier über die Geſellſchaftsbildung entſcheidet. Die Unter- ſchiede in der Freiheit der Perſonen wurden alsbald überragt durch die Unterſchiede in der Freiheit des Beſitzes, und wenn man daher dieſe letzten in feſte Kategorien gebracht hat, ſo darf man ſagen, daß man die Grundlagen des inneren Rechtszuſtandes der Grundherrlichkeiten gewonnen hat. Dieſe Kategorien ſind folgende. Die bisher freien Geſchlechterhufen erkennen den Grundherrn als den Nachfolger des Königthums im Lehnrecht an, und ſtellen ſich unter ſein Obereigenthum. Oder der Grundherr gibt dem perſönlich Freien ein Theil ſeines eigenen Grundes und Bodens, bald mit dem Rechte der Erbpacht, bald mit dem der Zeitpacht. Oder der Grundherr beſitzt den Unfreien auf unfreiem Boden, als eine ihm ſomit unbedingt perſönlich und wirthſchaftlich unterworfene Perſönlichkeit. Natürlich nun hat jede dieſer Kategorien auch ihre eigenthümlichen Leiſtungen, deren Charakter und Name für die Zukunft von entſchei- dender Bedeutung wird. Die Kategorie der perſönlich freien Lehnsbauern gibt nur irgend eine ſymboliſche Leiſtung, durch welche die Lehnsherrlichkeit anerkannt wird. Die Kategorie der Bauern auf überlaſſenem Grunde muß natür- lich Leiſtungen nach Maßgabe des Ueberlaſſungsvertrages leiſten. Dieſe Leiſtungen heißen Frohnden und (die grundherrlichen) Zehnten. Sie ſind urſprünglich beſtimmt von beiden Seiten, und heißen daher die gemeſſenen Frohnden. Die Kategorie der Unfreien auf unfreiem Grunde hat weder ein perſönliches noch ein wirthſchaftliches Recht. Der Herr beſtimmt ein- ſeitig ihre Leiſtungen. Und ſo entſtehen die ungemeſſenen Frohnden, und anſtatt der gemeſſenen Zehnten die unbegränzte Abgabenpflicht des Leibeigenen (taillable de haut en bas).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/117
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/117>, abgerufen am 28.04.2024.