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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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schiedenen Formen vorkommende Vermischung beider Arten der Grund-
herren, des Gutsherrn und der Gemeinde. Auch hier handelt es sich
stets um die Herstellung des Einzeleigenthums an der Stelle der be-
stimmten Form des Gesammtgutes, die in einem gemeinsamen Gebrauche
besteht. Die Entschädigung tritt ein, aber sie hat verschiedene Gestalt;
es ist eine dritte Art der Entwährung, die wir als die Ablösungen
bezeichnen.

Dieses sind die drei Arten der Entwährung, welche das staats-
bürgerliche Recht gegenüber dem Geschlechterrecht erzeugt. Wesentlich
anders dagegen verhält sich das erstere gegenüber der Ständeordnung.

Die Ständeordnung entwickelt nämlich für das Einzelrecht zwei
Grundformen, welche mit dem Princip der staatsbürgerlichen Gesell-
schaftsordnung im Widerspruche stehen, und daher von ihr aufgehoben
werden. Aber keine derselben begründet die Möglichkeit einer Entschä-
digung; beide gehören daher der Geschichte, aber beide gehören nicht
der Entwährung
. Demnach ist es nothwendig, sie hier zu bezeichnen.

Die Ständeordnung erzeugt nämlich zuerst den ständischen Besitz,
den man gewöhnlich mit dem Geschlechterbesitz verwechselt, indem man
den letzteren fälschlich den ständischen Besitz nennt. In der That aber
ist der ständische Besitz nur derjenige, der der ständischen Berufs-
körperschaft
gehört, und daher den Begriff des Einzeleigenthums
und Rechts ausschließt. Diese Berufskörperschaften sind die Geistlichkeit,
die Bildungsanstalten und die gewerblichen Körperschaften der Zünfte
und Innungen. Die Aufhebung des ausschließlichen Berufsrechts hat
zur Folge, daß die Körperschaften als selbständige Corporationen ihre
Funktionen aufgeben, und diese Funktionen als Aufgabe der innern
Verwaltung erscheinen. In dieser aber tritt das staatsbürgerliche Princip
des Einzeleigenthums in der Gestalt des staatlichen Gehalts auf; der
körperschaftliche Besitz wird daher aufgehoben und entweder zur Fun-
dirung des Gehaltes oder zu andern Verwaltungszwecken verwendet,
und diese Form des Besitzes verschwindet daher, ohne daß ein Einzel-
eigenthum aus demselben hervorgeht. Das Hauptbeispiel dafür sind
bekanntlich die Säcularisationen. Es ist dem Obigen gemäß nun aller-
dings kein Zweifel, daß auch diese Maßregeln der obigen Rechtsbildung
der staatsbürgerlichen Gesellschaft angehören; allein es ist klar, daß
sie keine Entwährung enthalten, weil hier keine Entschädigung statt-
findet. Es tritt daher hier so wenig wie in dem folgenden Falle ein
specielles Verfahren der Verwaltung ein, sondern die einfache Gesetz-
gebung genügt; und wenn es daher erklärlich ist, wie Einige, z. B.
Bischof, die Säcularisationen dem Entwährungsrecht wegen des allge-
meinen Princips hinzurechnen, so ist es andererseits wohl klar, daß sie

ſchiedenen Formen vorkommende Vermiſchung beider Arten der Grund-
herren, des Gutsherrn und der Gemeinde. Auch hier handelt es ſich
ſtets um die Herſtellung des Einzeleigenthums an der Stelle der be-
ſtimmten Form des Geſammtgutes, die in einem gemeinſamen Gebrauche
beſteht. Die Entſchädigung tritt ein, aber ſie hat verſchiedene Geſtalt;
es iſt eine dritte Art der Entwährung, die wir als die Ablöſungen
bezeichnen.

Dieſes ſind die drei Arten der Entwährung, welche das ſtaats-
bürgerliche Recht gegenüber dem Geſchlechterrecht erzeugt. Weſentlich
anders dagegen verhält ſich das erſtere gegenüber der Ständeordnung.

Die Ständeordnung entwickelt nämlich für das Einzelrecht zwei
Grundformen, welche mit dem Princip der ſtaatsbürgerlichen Geſell-
ſchaftsordnung im Widerſpruche ſtehen, und daher von ihr aufgehoben
werden. Aber keine derſelben begründet die Möglichkeit einer Entſchä-
digung; beide gehören daher der Geſchichte, aber beide gehören nicht
der Entwährung
. Demnach iſt es nothwendig, ſie hier zu bezeichnen.

Die Ständeordnung erzeugt nämlich zuerſt den ſtändiſchen Beſitz,
den man gewöhnlich mit dem Geſchlechterbeſitz verwechſelt, indem man
den letzteren fälſchlich den ſtändiſchen Beſitz nennt. In der That aber
iſt der ſtändiſche Beſitz nur derjenige, der der ſtändiſchen Berufs-
körperſchaft
gehört, und daher den Begriff des Einzeleigenthums
und Rechts ausſchließt. Dieſe Berufskörperſchaften ſind die Geiſtlichkeit,
die Bildungsanſtalten und die gewerblichen Körperſchaften der Zünfte
und Innungen. Die Aufhebung des ausſchließlichen Berufsrechts hat
zur Folge, daß die Körperſchaften als ſelbſtändige Corporationen ihre
Funktionen aufgeben, und dieſe Funktionen als Aufgabe der innern
Verwaltung erſcheinen. In dieſer aber tritt das ſtaatsbürgerliche Princip
des Einzeleigenthums in der Geſtalt des ſtaatlichen Gehalts auf; der
körperſchaftliche Beſitz wird daher aufgehoben und entweder zur Fun-
dirung des Gehaltes oder zu andern Verwaltungszwecken verwendet,
und dieſe Form des Beſitzes verſchwindet daher, ohne daß ein Einzel-
eigenthum aus demſelben hervorgeht. Das Hauptbeiſpiel dafür ſind
bekanntlich die Säculariſationen. Es iſt dem Obigen gemäß nun aller-
dings kein Zweifel, daß auch dieſe Maßregeln der obigen Rechtsbildung
der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft angehören; allein es iſt klar, daß
ſie keine Entwährung enthalten, weil hier keine Entſchädigung ſtatt-
findet. Es tritt daher hier ſo wenig wie in dem folgenden Falle ein
ſpecielles Verfahren der Verwaltung ein, ſondern die einfache Geſetz-
gebung genügt; und wenn es daher erklärlich iſt, wie Einige, z. B.
Biſchof, die Säculariſationen dem Entwährungsrecht wegen des allge-
meinen Princips hinzurechnen, ſo iſt es andererſeits wohl klar, daß ſie

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[82/0100] ſchiedenen Formen vorkommende Vermiſchung beider Arten der Grund- herren, des Gutsherrn und der Gemeinde. Auch hier handelt es ſich ſtets um die Herſtellung des Einzeleigenthums an der Stelle der be- ſtimmten Form des Geſammtgutes, die in einem gemeinſamen Gebrauche beſteht. Die Entſchädigung tritt ein, aber ſie hat verſchiedene Geſtalt; es iſt eine dritte Art der Entwährung, die wir als die Ablöſungen bezeichnen. Dieſes ſind die drei Arten der Entwährung, welche das ſtaats- bürgerliche Recht gegenüber dem Geſchlechterrecht erzeugt. Weſentlich anders dagegen verhält ſich das erſtere gegenüber der Ständeordnung. Die Ständeordnung entwickelt nämlich für das Einzelrecht zwei Grundformen, welche mit dem Princip der ſtaatsbürgerlichen Geſell- ſchaftsordnung im Widerſpruche ſtehen, und daher von ihr aufgehoben werden. Aber keine derſelben begründet die Möglichkeit einer Entſchä- digung; beide gehören daher der Geſchichte, aber beide gehören nicht der Entwährung. Demnach iſt es nothwendig, ſie hier zu bezeichnen. Die Ständeordnung erzeugt nämlich zuerſt den ſtändiſchen Beſitz, den man gewöhnlich mit dem Geſchlechterbeſitz verwechſelt, indem man den letzteren fälſchlich den ſtändiſchen Beſitz nennt. In der That aber iſt der ſtändiſche Beſitz nur derjenige, der der ſtändiſchen Berufs- körperſchaft gehört, und daher den Begriff des Einzeleigenthums und Rechts ausſchließt. Dieſe Berufskörperſchaften ſind die Geiſtlichkeit, die Bildungsanſtalten und die gewerblichen Körperſchaften der Zünfte und Innungen. Die Aufhebung des ausſchließlichen Berufsrechts hat zur Folge, daß die Körperſchaften als ſelbſtändige Corporationen ihre Funktionen aufgeben, und dieſe Funktionen als Aufgabe der innern Verwaltung erſcheinen. In dieſer aber tritt das ſtaatsbürgerliche Princip des Einzeleigenthums in der Geſtalt des ſtaatlichen Gehalts auf; der körperſchaftliche Beſitz wird daher aufgehoben und entweder zur Fun- dirung des Gehaltes oder zu andern Verwaltungszwecken verwendet, und dieſe Form des Beſitzes verſchwindet daher, ohne daß ein Einzel- eigenthum aus demſelben hervorgeht. Das Hauptbeiſpiel dafür ſind bekanntlich die Säculariſationen. Es iſt dem Obigen gemäß nun aller- dings kein Zweifel, daß auch dieſe Maßregeln der obigen Rechtsbildung der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft angehören; allein es iſt klar, daß ſie keine Entwährung enthalten, weil hier keine Entſchädigung ſtatt- findet. Es tritt daher hier ſo wenig wie in dem folgenden Falle ein ſpecielles Verfahren der Verwaltung ein, ſondern die einfache Geſetz- gebung genügt; und wenn es daher erklärlich iſt, wie Einige, z. B. Biſchof, die Säculariſationen dem Entwährungsrecht wegen des allge- meinen Princips hinzurechnen, ſo iſt es andererſeits wohl klar, daß ſie

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/100>, abgerufen am 28.04.2024.