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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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Freiheit der Presse überhaupt nie an der Frage nach dem eigentlichen
Straf- und Polizeirecht, das ein ganz nothwendiges Complement des
Verwaltungsrechts ist, entstehen können, sondern nur an dem Versuche,
eben jenen Geist der Presse statt der einzelnen Aeußerungen derselben
zu bekämpfen. Und in diesem Gebiete liegt daher auch die Geschichte
des Preßrechts seit dem Entstehen der Buchdruckerei.


Nach der ganzen bisherigen Darstellung ist es offenbar eine ganz
entscheidende Frage, wie und ob man den Begriff der "Preßfreiheit"
nicht bloß als abstrakte Forderung aussprechen, sondern den Inhalt
derselben juristisch formuliren soll. Wir behaupten, daß diese For-
mulirung das Kriterium der Auffassung eines jeden Schriftstellers über
das Preßrecht ist; und es wird deßhalb leicht verständlich sein, wenn
wir hinzufügen, daß zwar Wort und Princip der Preßfreiheit tausende
von malen ausgesprochen sind, daß aber eine genaue Bestimmung von
demjenigen, was man sich darunter denkt, nirgends angetroffen wird.
Wir unserseits müssen, bis wir widerlegt werden, dabei stehen bleiben,
daß es gar keine Formulirung und objektive Bestimmtheit des Begriffes
der "Preßfreiheit" geben kann, so lange man nicht den Geist oder die
Tendenz der Presse als selbständige Thatsache von den einzelnen Aeuße-
rungen trennt. Gerade in dieser Beziehung ist die Geschichte der Literatur
höchst belehrend. Der Begriff und das Wort der "Preßfreiheit" findet
sich, so viel wir sehen bis zum Jahre 1790 in der deutschen juristischen
Literatur nicht; bis dahin "Bücherregal" "Aufsicht" u. s. w. (s. Pütter,
Literatur deutschen Strafrechts, Bd. III. §. 94). Es scheint überhaupt
erst seit der Declaration des droits (1789) entstanden (Art. 11): "La
libre communication des pensees et des opinions est un des droits
les plus precieux de l'homme; tout citoyen peut donc parler, ecrire,
imprimer librement, sauf a repondre de l'abus de cette liberte dans
les cas determines par la loi."
Die deutsche Literatur machte daraus
ein "Naturrecht;" doch war man sich gleich anfangs einig, daß diese
Preßfreiheit eine beschränkte sein müsse, und in diesem Suchen nach der
Beschränkung des Begriffs ging das Streben ihn selbst zu bestimmen,
verloren. Im Großen und Ganzen ist in der Auffassung der Juristen
zu Ende des vorigen Jahrhunderts und des gegenwärtigen nur ein
sehr geringer Unterschied. Der juristische Ausgangspunkt war der
Satz: "Im Staate ist das Recht, seine Gedanken Andern mitzutheilen,
dem Staatszweck untergeordnet. Der Staat darf daher auch die Gegen-
stände bestimmen, an welchen man sich vorzüglich durch Mißbrauch der
Preßfreiheit vergehen kann." (Berg, Polizeirecht Bd. II. S. 336.) So die

Freiheit der Preſſe überhaupt nie an der Frage nach dem eigentlichen
Straf- und Polizeirecht, das ein ganz nothwendiges Complement des
Verwaltungsrechts iſt, entſtehen können, ſondern nur an dem Verſuche,
eben jenen Geiſt der Preſſe ſtatt der einzelnen Aeußerungen derſelben
zu bekämpfen. Und in dieſem Gebiete liegt daher auch die Geſchichte
des Preßrechts ſeit dem Entſtehen der Buchdruckerei.


Nach der ganzen bisherigen Darſtellung iſt es offenbar eine ganz
entſcheidende Frage, wie und ob man den Begriff der „Preßfreiheit“
nicht bloß als abſtrakte Forderung ausſprechen, ſondern den Inhalt
derſelben juriſtiſch formuliren ſoll. Wir behaupten, daß dieſe For-
mulirung das Kriterium der Auffaſſung eines jeden Schriftſtellers über
das Preßrecht iſt; und es wird deßhalb leicht verſtändlich ſein, wenn
wir hinzufügen, daß zwar Wort und Princip der Preßfreiheit tauſende
von malen ausgeſprochen ſind, daß aber eine genaue Beſtimmung von
demjenigen, was man ſich darunter denkt, nirgends angetroffen wird.
Wir unſerſeits müſſen, bis wir widerlegt werden, dabei ſtehen bleiben,
daß es gar keine Formulirung und objektive Beſtimmtheit des Begriffes
der „Preßfreiheit“ geben kann, ſo lange man nicht den Geiſt oder die
Tendenz der Preſſe als ſelbſtändige Thatſache von den einzelnen Aeuße-
rungen trennt. Gerade in dieſer Beziehung iſt die Geſchichte der Literatur
höchſt belehrend. Der Begriff und das Wort der „Preßfreiheit“ findet
ſich, ſo viel wir ſehen bis zum Jahre 1790 in der deutſchen juriſtiſchen
Literatur nicht; bis dahin „Bücherregal“ „Aufſicht“ u. ſ. w. (ſ. Pütter,
Literatur deutſchen Strafrechts, Bd. III. §. 94). Es ſcheint überhaupt
erſt ſeit der Déclaration des droits (1789) entſtanden (Art. 11): „La
libre communication des pensées et des opinions est un des droits
les plus précieux de l’homme; tout citoyen peut donc parler, écrire,
imprimer librement, sauf à repondre de l’abus de cette liberté dans
les cas determinés par la loi.“
Die deutſche Literatur machte daraus
ein „Naturrecht;“ doch war man ſich gleich anfangs einig, daß dieſe
Preßfreiheit eine beſchränkte ſein müſſe, und in dieſem Suchen nach der
Beſchränkung des Begriffs ging das Streben ihn ſelbſt zu beſtimmen,
verloren. Im Großen und Ganzen iſt in der Auffaſſung der Juriſten
zu Ende des vorigen Jahrhunderts und des gegenwärtigen nur ein
ſehr geringer Unterſchied. Der juriſtiſche Ausgangspunkt war der
Satz: „Im Staate iſt das Recht, ſeine Gedanken Andern mitzutheilen,
dem Staatszweck untergeordnet. Der Staat darf daher auch die Gegen-
ſtände beſtimmen, an welchen man ſich vorzüglich durch Mißbrauch der
Preßfreiheit vergehen kann.“ (Berg, Polizeirecht Bd. II. S. 336.) So die

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[79/0095] Freiheit der Preſſe überhaupt nie an der Frage nach dem eigentlichen Straf- und Polizeirecht, das ein ganz nothwendiges Complement des Verwaltungsrechts iſt, entſtehen können, ſondern nur an dem Verſuche, eben jenen Geiſt der Preſſe ſtatt der einzelnen Aeußerungen derſelben zu bekämpfen. Und in dieſem Gebiete liegt daher auch die Geſchichte des Preßrechts ſeit dem Entſtehen der Buchdruckerei. Nach der ganzen bisherigen Darſtellung iſt es offenbar eine ganz entſcheidende Frage, wie und ob man den Begriff der „Preßfreiheit“ nicht bloß als abſtrakte Forderung ausſprechen, ſondern den Inhalt derſelben juriſtiſch formuliren ſoll. Wir behaupten, daß dieſe For- mulirung das Kriterium der Auffaſſung eines jeden Schriftſtellers über das Preßrecht iſt; und es wird deßhalb leicht verſtändlich ſein, wenn wir hinzufügen, daß zwar Wort und Princip der Preßfreiheit tauſende von malen ausgeſprochen ſind, daß aber eine genaue Beſtimmung von demjenigen, was man ſich darunter denkt, nirgends angetroffen wird. Wir unſerſeits müſſen, bis wir widerlegt werden, dabei ſtehen bleiben, daß es gar keine Formulirung und objektive Beſtimmtheit des Begriffes der „Preßfreiheit“ geben kann, ſo lange man nicht den Geiſt oder die Tendenz der Preſſe als ſelbſtändige Thatſache von den einzelnen Aeuße- rungen trennt. Gerade in dieſer Beziehung iſt die Geſchichte der Literatur höchſt belehrend. Der Begriff und das Wort der „Preßfreiheit“ findet ſich, ſo viel wir ſehen bis zum Jahre 1790 in der deutſchen juriſtiſchen Literatur nicht; bis dahin „Bücherregal“ „Aufſicht“ u. ſ. w. (ſ. Pütter, Literatur deutſchen Strafrechts, Bd. III. §. 94). Es ſcheint überhaupt erſt ſeit der Déclaration des droits (1789) entſtanden (Art. 11): „La libre communication des pensées et des opinions est un des droits les plus précieux de l’homme; tout citoyen peut donc parler, écrire, imprimer librement, sauf à repondre de l’abus de cette liberté dans les cas determinés par la loi.“ Die deutſche Literatur machte daraus ein „Naturrecht;“ doch war man ſich gleich anfangs einig, daß dieſe Preßfreiheit eine beſchränkte ſein müſſe, und in dieſem Suchen nach der Beſchränkung des Begriffs ging das Streben ihn ſelbſt zu beſtimmen, verloren. Im Großen und Ganzen iſt in der Auffaſſung der Juriſten zu Ende des vorigen Jahrhunderts und des gegenwärtigen nur ein ſehr geringer Unterſchied. Der juriſtiſche Ausgangspunkt war der Satz: „Im Staate iſt das Recht, ſeine Gedanken Andern mitzutheilen, dem Staatszweck untergeordnet. Der Staat darf daher auch die Gegen- ſtände beſtimmen, an welchen man ſich vorzüglich durch Mißbrauch der Preßfreiheit vergehen kann.“ (Berg, Polizeirecht Bd. II. S. 336.) So die

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/95>, abgerufen am 23.11.2024.