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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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sagt, daß gegen jedes Druckwerk entweder die Privatanklage (indict-
ment
) oder die Staatsanklage (information) als Ganzes erhoben wer-
den könne und daß die Jury berechtigt sei, "wegen der ganzen zur
Entscheidung vorgelegten Klagsache (matter in issue) ihren Wahrspruch
zu erlassen," wobei ihr das Recht bleibt, auch über die einzelnen
Ausdrücke neben dem Generalverdikt auch noch ein Specialverdikt zu
geben (sect. III). Das heißt, sie kann mit ihrem Wahrspruch über den
Geist des Druckwerkes im Sinne der Blackstone'schen Grundsätze und
über die in den Einzelausdrücken enthaltenen Rechtsverletzungen Strafen
aussprechen, denen auch die beiden Formen der Klage (action of the
case
und information) entsprechen. Ueber diese juristische strafrechtliche
Verantwortung der hier zuerst von den Einzelausdrücken geschiedenen
Tendenz des Druckwerkes sind die Engländer selbst so wenig zweifelhaft,
daß der bedeutendste Preßrechtsautor Holt (The law of the libel 1816
und öfter) geradezu sagt, "es sei eigentlich nicht mehr der Mühe werth,
sich mit dieser Frage in Bezug auf die Libelle zu beschäftigen," denn
das Objekt bei er Libellklage ist wesentlich der einzelne Ausdruck und
unterliegt seinen eigenen Gesetzen (s. unten; Lorbeer S. 149). Noch im
Jahre 1830 hat Starkie (A treatise on the law of Slander and
Libel 2, Edict 1830, I. p.
105 ff. bei Glaser) denselben Gedanken
wiederholt. -- "Solche strafbaren Handlungen gestatten in Wahrheit
keine andere wirksame Beschränkung als in Rücksicht auf die Wirkun-
gen
, die sie hervorbringen;" wird die Regierung unter dem Vorwand
angegriffen, daß man ihre Fehler darlegen oder ihre Irrthümer rügen
wolle, in Wahrheit aber, um der Verwaltung der öffentlichen Ange-
legenheiten Hindernisse zu bereiten (?) und sie ins Stocken zu brin-
gen -- oder "für Aufruhr und Revolution den Weg durch Lockerung
der Bande der Unterthanentreue und Loyalität zu bahnen" (!) so ist
ein solches Druckwerk "der Gesellschaft schädlich und nachtheilig und da-
her verbrecherisch." Härtere Grundsätze gegen den Geist hat der
ganze Continent nicht aufzuweisen, selbst Frankreich nicht, und der
Bundesbeschluß von 1854 ist gar nichts anderes, als die gesetzliche
Formulirung dieser allgemeinen Grundsätze. Das System war aller-
dings gemildert durch die Gültigkeit der Geschworenengerichte und "durch
den Geist der englischen Constitution, zuweilen (?) über Gegenstände, die
vom höchsten Interesse für die öffentliche Stimmung sind, stärkere Aus-
drücke zu gestatten" (Lorbeer S. 144). Allein in der Sache war
Englands Preßrecht kein freies Preßrecht.

Das Gefühl dieses auch von den englischen Schriftstellern nicht klar
verstandenen Verhältnisses ist es nun, welches den zweiten Theil des
englischen Repressivsystems, das eigentliche Preßstrafrecht, zu einer

ſagt, daß gegen jedes Druckwerk entweder die Privatanklage (indict-
ment
) oder die Staatsanklage (information) als Ganzes erhoben wer-
den könne und daß die Jury berechtigt ſei, „wegen der ganzen zur
Entſcheidung vorgelegten Klagſache (matter in issue) ihren Wahrſpruch
zu erlaſſen,“ wobei ihr das Recht bleibt, auch über die einzelnen
Ausdrücke neben dem Generalverdikt auch noch ein Specialverdikt zu
geben (sect. III). Das heißt, ſie kann mit ihrem Wahrſpruch über den
Geiſt des Druckwerkes im Sinne der Blackſtone’ſchen Grundſätze und
über die in den Einzelausdrücken enthaltenen Rechtsverletzungen Strafen
ausſprechen, denen auch die beiden Formen der Klage (action of the
case
und information) entſprechen. Ueber dieſe juriſtiſche ſtrafrechtliche
Verantwortung der hier zuerſt von den Einzelausdrücken geſchiedenen
Tendenz des Druckwerkes ſind die Engländer ſelbſt ſo wenig zweifelhaft,
daß der bedeutendſte Preßrechtsautor Holt (The law of the libel 1816
und öfter) geradezu ſagt, „es ſei eigentlich nicht mehr der Mühe werth,
ſich mit dieſer Frage in Bezug auf die Libelle zu beſchäftigen,“ denn
das Objekt bei er Libellklage iſt weſentlich der einzelne Ausdruck und
unterliegt ſeinen eigenen Geſetzen (ſ. unten; Lorbeer S. 149). Noch im
Jahre 1830 hat Starkie (A treatise on the law of Slander and
Libel 2, Edict 1830, I. p.
105 ff. bei Glaſer) denſelben Gedanken
wiederholt. — „Solche ſtrafbaren Handlungen geſtatten in Wahrheit
keine andere wirkſame Beſchränkung als in Rückſicht auf die Wirkun-
gen
, die ſie hervorbringen;“ wird die Regierung unter dem Vorwand
angegriffen, daß man ihre Fehler darlegen oder ihre Irrthümer rügen
wolle, in Wahrheit aber, um der Verwaltung der öffentlichen Ange-
legenheiten Hinderniſſe zu bereiten (?) und ſie ins Stocken zu brin-
gen — oder „für Aufruhr und Revolution den Weg durch Lockerung
der Bande der Unterthanentreue und Loyalität zu bahnen“ (!) ſo iſt
ein ſolches Druckwerk „der Geſellſchaft ſchädlich und nachtheilig und da-
her verbrecheriſch.“ Härtere Grundſätze gegen den Geiſt hat der
ganze Continent nicht aufzuweiſen, ſelbſt Frankreich nicht, und der
Bundesbeſchluß von 1854 iſt gar nichts anderes, als die geſetzliche
Formulirung dieſer allgemeinen Grundſätze. Das Syſtem war aller-
dings gemildert durch die Gültigkeit der Geſchworenengerichte und „durch
den Geiſt der engliſchen Conſtitution, zuweilen (?) über Gegenſtände, die
vom höchſten Intereſſe für die öffentliche Stimmung ſind, ſtärkere Aus-
drücke zu geſtatten“ (Lorbeer S. 144). Allein in der Sache war
Englands Preßrecht kein freies Preßrecht.

Das Gefühl dieſes auch von den engliſchen Schriftſtellern nicht klar
verſtandenen Verhältniſſes iſt es nun, welches den zweiten Theil des
engliſchen Repreſſivſyſtems, das eigentliche Preßſtrafrecht, zu einer

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[128/0144] ſagt, daß gegen jedes Druckwerk entweder die Privatanklage (indict- ment) oder die Staatsanklage (information) als Ganzes erhoben wer- den könne und daß die Jury berechtigt ſei, „wegen der ganzen zur Entſcheidung vorgelegten Klagſache (matter in issue) ihren Wahrſpruch zu erlaſſen,“ wobei ihr das Recht bleibt, auch über die einzelnen Ausdrücke neben dem Generalverdikt auch noch ein Specialverdikt zu geben (sect. III). Das heißt, ſie kann mit ihrem Wahrſpruch über den Geiſt des Druckwerkes im Sinne der Blackſtone’ſchen Grundſätze und über die in den Einzelausdrücken enthaltenen Rechtsverletzungen Strafen ausſprechen, denen auch die beiden Formen der Klage (action of the case und information) entſprechen. Ueber dieſe juriſtiſche ſtrafrechtliche Verantwortung der hier zuerſt von den Einzelausdrücken geſchiedenen Tendenz des Druckwerkes ſind die Engländer ſelbſt ſo wenig zweifelhaft, daß der bedeutendſte Preßrechtsautor Holt (The law of the libel 1816 und öfter) geradezu ſagt, „es ſei eigentlich nicht mehr der Mühe werth, ſich mit dieſer Frage in Bezug auf die Libelle zu beſchäftigen,“ denn das Objekt bei er Libellklage iſt weſentlich der einzelne Ausdruck und unterliegt ſeinen eigenen Geſetzen (ſ. unten; Lorbeer S. 149). Noch im Jahre 1830 hat Starkie (A treatise on the law of Slander and Libel 2, Edict 1830, I. p. 105 ff. bei Glaſer) denſelben Gedanken wiederholt. — „Solche ſtrafbaren Handlungen geſtatten in Wahrheit keine andere wirkſame Beſchränkung als in Rückſicht auf die Wirkun- gen, die ſie hervorbringen;“ wird die Regierung unter dem Vorwand angegriffen, daß man ihre Fehler darlegen oder ihre Irrthümer rügen wolle, in Wahrheit aber, um der Verwaltung der öffentlichen Ange- legenheiten Hinderniſſe zu bereiten (?) und ſie ins Stocken zu brin- gen — oder „für Aufruhr und Revolution den Weg durch Lockerung der Bande der Unterthanentreue und Loyalität zu bahnen“ (!) ſo iſt ein ſolches Druckwerk „der Geſellſchaft ſchädlich und nachtheilig und da- her verbrecheriſch.“ Härtere Grundſätze gegen den Geiſt hat der ganze Continent nicht aufzuweiſen, ſelbſt Frankreich nicht, und der Bundesbeſchluß von 1854 iſt gar nichts anderes, als die geſetzliche Formulirung dieſer allgemeinen Grundſätze. Das Syſtem war aller- dings gemildert durch die Gültigkeit der Geſchworenengerichte und „durch den Geiſt der engliſchen Conſtitution, zuweilen (?) über Gegenſtände, die vom höchſten Intereſſe für die öffentliche Stimmung ſind, ſtärkere Aus- drücke zu geſtatten“ (Lorbeer S. 144). Allein in der Sache war Englands Preßrecht kein freies Preßrecht. Das Gefühl dieſes auch von den engliſchen Schriftſtellern nicht klar verſtandenen Verhältniſſes iſt es nun, welches den zweiten Theil des engliſchen Repreſſivſyſtems, das eigentliche Preßſtrafrecht, zu einer

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/144>, abgerufen am 25.11.2024.