Die Aufgabe des nunmehr folgenden besonderen Theiles ist es nun, den großen Bildungsproceß selbst, der durch das Leben jedes ein- zelnen Volkes hindurch geht, und seine im öffentlichen Rechte des Bildungswesens der einzelnen Staaten gegebene concrete, zur objektiv geltenden Ordnung durch das Gesetz erhobene Gestalt in seine einzelnen Gebiete und Theile aufzulösen, und das für jeden dieser Theile Geltende selbständig darzustellen.
Dabei haben wir und jeder, der das Gleiche unternimmt, eine zweifache Aufgabe; und bei dem geradezu unerschöpflichen Reichthum an Einzelheiten in diesen Gebieten ist es unerläßlich, sich darüber Rechenschaft abzulegen.
Einerseits kommt es natürlich zuerst darauf an, das Bestehende zu sammeln. Das ist bei dem gegenwärtigen Zustande der Wissenschaft nur noch bis zu einem gewissen, keineswegs hohen Grade möglich. Es ist außerdem unmöglich, alles Gesammelte mitzutheilen, da eine solche Arbeit jeden der Verwaltungslehre entsprechenden Umfang weit über- schreiten würde. Für diesen Theil der Aufgabe muß daher die Ver- waltungslehre theils auf reine Gesetzsammlungen, theils auf Mono- graphien verweisen. Und es ist daher in der Natur der Sache begründet, daß die allgemeine Verwaltungslehre hier formell unvollständig ist und bleiben wird.
Andererseits aber ist es von nicht geringerer Wichtigkeit, das ganze öffentliche Bildungsrecht als ein organisches und einheitliches System zu erkennen und den Inhalt dieses Systems als den äußeren Maß- stab an die Ausbildung der geistigen Verwaltung in jedem Lande anzulegen. Die Aufstellung eines solchen Systems enthält eine große Zumuthung an jeden, der sich mit dieser Frage beschäftigt. Es enthält die Forderung, dasselbe entweder als die feste, organische Grund- lage, den Knochenbau des Bildungswesens anzuerkennen, oder ein
Beſonderer Theil. Syſtem.
Die Aufgabe des nunmehr folgenden beſonderen Theiles iſt es nun, den großen Bildungsproceß ſelbſt, der durch das Leben jedes ein- zelnen Volkes hindurch geht, und ſeine im öffentlichen Rechte des Bildungsweſens der einzelnen Staaten gegebene concrete, zur objektiv geltenden Ordnung durch das Geſetz erhobene Geſtalt in ſeine einzelnen Gebiete und Theile aufzulöſen, und das für jeden dieſer Theile Geltende ſelbſtändig darzuſtellen.
Dabei haben wir und jeder, der das Gleiche unternimmt, eine zweifache Aufgabe; und bei dem geradezu unerſchöpflichen Reichthum an Einzelheiten in dieſen Gebieten iſt es unerläßlich, ſich darüber Rechenſchaft abzulegen.
Einerſeits kommt es natürlich zuerſt darauf an, das Beſtehende zu ſammeln. Das iſt bei dem gegenwärtigen Zuſtande der Wiſſenſchaft nur noch bis zu einem gewiſſen, keineswegs hohen Grade möglich. Es iſt außerdem unmöglich, alles Geſammelte mitzutheilen, da eine ſolche Arbeit jeden der Verwaltungslehre entſprechenden Umfang weit über- ſchreiten würde. Für dieſen Theil der Aufgabe muß daher die Ver- waltungslehre theils auf reine Geſetzſammlungen, theils auf Mono- graphien verweiſen. Und es iſt daher in der Natur der Sache begründet, daß die allgemeine Verwaltungslehre hier formell unvollſtändig iſt und bleiben wird.
Andererſeits aber iſt es von nicht geringerer Wichtigkeit, das ganze öffentliche Bildungsrecht als ein organiſches und einheitliches Syſtem zu erkennen und den Inhalt dieſes Syſtems als den äußeren Maß- ſtab an die Ausbildung der geiſtigen Verwaltung in jedem Lande anzulegen. Die Aufſtellung eines ſolchen Syſtems enthält eine große Zumuthung an jeden, der ſich mit dieſer Frage beſchäftigt. Es enthält die Forderung, daſſelbe entweder als die feſte, organiſche Grund- lage, den Knochenbau des Bildungsweſens anzuerkennen, oder ein
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Beſonderer Theil.
Syſtem.
Die Aufgabe des nunmehr folgenden beſonderen Theiles iſt es
nun, den großen Bildungsproceß ſelbſt, der durch das Leben jedes ein-
zelnen Volkes hindurch geht, und ſeine im öffentlichen Rechte des
Bildungsweſens der einzelnen Staaten gegebene concrete, zur objektiv
geltenden Ordnung durch das Geſetz erhobene Geſtalt in ſeine einzelnen
Gebiete und Theile aufzulöſen, und das für jeden dieſer Theile
Geltende ſelbſtändig darzuſtellen.
Dabei haben wir und jeder, der das Gleiche unternimmt, eine
zweifache Aufgabe; und bei dem geradezu unerſchöpflichen Reichthum
an Einzelheiten in dieſen Gebieten iſt es unerläßlich, ſich darüber
Rechenſchaft abzulegen.
Einerſeits kommt es natürlich zuerſt darauf an, das Beſtehende
zu ſammeln. Das iſt bei dem gegenwärtigen Zuſtande der Wiſſenſchaft
nur noch bis zu einem gewiſſen, keineswegs hohen Grade möglich. Es
iſt außerdem unmöglich, alles Geſammelte mitzutheilen, da eine ſolche
Arbeit jeden der Verwaltungslehre entſprechenden Umfang weit über-
ſchreiten würde. Für dieſen Theil der Aufgabe muß daher die Ver-
waltungslehre theils auf reine Geſetzſammlungen, theils auf Mono-
graphien verweiſen. Und es iſt daher in der Natur der Sache begründet,
daß die allgemeine Verwaltungslehre hier formell unvollſtändig iſt und
bleiben wird.
Andererſeits aber iſt es von nicht geringerer Wichtigkeit, das ganze
öffentliche Bildungsrecht als ein organiſches und einheitliches Syſtem
zu erkennen und den Inhalt dieſes Syſtems als den äußeren Maß-
ſtab an die Ausbildung der geiſtigen Verwaltung in jedem
Lande anzulegen. Die Aufſtellung eines ſolchen Syſtems enthält eine
große Zumuthung an jeden, der ſich mit dieſer Frage beſchäftigt. Es
enthält die Forderung, daſſelbe entweder als die feſte, organiſche Grund-
lage, den Knochenbau des Bildungsweſens anzuerkennen, oder ein
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. [67]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/95>, abgerufen am 16.02.2025.
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