die specielle Gewerbeschule dagegen ist Sache der Gewerbsgenossen- schaft und mit Recht derselben -- wenigstens zum Theil -- als eine ihrer wichtigsten Pflichten überwiesen, wobei sie ihre Unterstützung von der Gemeinde zu erwarten hat und daher unter der Oberaufsicht der Gemeinde stehen muß. Es liegt nahe, dabei dem freien Vereinswesen einen ebenso großen Antheil an diesen Anstalten zu lassen, als der Gemeinde und den Genossenschaften. Die Realschulen dagegen sind zwar zunächst auch Gemeindeanstalten, haben aber doch ihre allgemeinere Bedeutung und größeren Anspruch auf den Charakter von Staatsan- stalten; es folgt, daß der Staat berechtigt, ja verpflichtet ist, ihre An- lage zu fordern, auch wieder eben deßhalb gleichfalls verpflichtet ist, die Gemeinde bei derselben zu unterstützen. Die Realgymnasien dagegen müssen wieder als Gemeindeanstalten oder als freie Unter- nehmungen angesehen werden.
II. Das Lehrerwesen dieser Anstalten empfängt auf gleiche Weise durch den doppelten Charakter derselben seinen doppelten Inhalt. Princip muß sein, daß der Staat die Lehrerbildung als Staats- aufgabe und Anstalt anerkennt, daß dagegen die Anstellung der Lehrer den Selbstverwaltungskörpern überlassen bleibt. Aber auch in dieser Beziehung ist eine Verschiedenheit klar. Die Lehrer der Sonntags- schulen sind Volkslehrer; die der allgemeinen Fortbildungsschule, die der Realschulen und Gymnasien sind schon Fachlehrer und fordern daher eine öffentliche Lehrerbildungsanstalt, während die Lehrer der speciellen Gewerbeschulen keine fachmäßig gebildete Lehrer zu sein brauchen, sondern vielfach geradezu durch freiwillige Thätigkeit tüchtiger Meister ersetzt werden können. Die Gesetzgebung hierüber ist ziemlich einig und vollständig.
III. Die Lehrordnung ist natürlich verschieden nach den ver- schiedenen Anstalten. Es ist Sache der speciellen Fachkunde, hier auf das Einzelne einzugehen. Doch beruht auch dieß Rechtsgebiet auf be- stimmten allgemeinen Principien. Grundsatz ist, daß die Lehrordnung der Sonntagsschulen unter denselben Regeln stehen, wie die der Volksschulen. Für die übrigen Anstalten gilt dagegen der Satz, daß der Staat in allen den Fällen, wo er Unterstützung gibt, auch das Recht haben soll, die Lehrordnung zu bestätigen, welche die Ge- meinde unter Zuziehung der Fachlehrer vorzuschlagen hat. Bei den speciellen Fachschulen bedarf es auch einer solchen Bestätigung nicht. Die Oberaufsicht, durch den Organismus der Unterrichtsverwaltung ausgeübt, versteht sich von selbst. Das Klassensystem ist allenthalben wichtig, mit Ausnahme der speciellen Handwerkerschulen; nur soll es in den Sonntagsschulen von den Verhältnissen abhängen, in den allge- meinen Fortbildungsschulen sich höchstens auf zwei Klassen reduciren und
die ſpecielle Gewerbeſchule dagegen iſt Sache der Gewerbsgenoſſen- ſchaft und mit Recht derſelben — wenigſtens zum Theil — als eine ihrer wichtigſten Pflichten überwieſen, wobei ſie ihre Unterſtützung von der Gemeinde zu erwarten hat und daher unter der Oberaufſicht der Gemeinde ſtehen muß. Es liegt nahe, dabei dem freien Vereinsweſen einen ebenſo großen Antheil an dieſen Anſtalten zu laſſen, als der Gemeinde und den Genoſſenſchaften. Die Realſchulen dagegen ſind zwar zunächſt auch Gemeindeanſtalten, haben aber doch ihre allgemeinere Bedeutung und größeren Anſpruch auf den Charakter von Staatsan- ſtalten; es folgt, daß der Staat berechtigt, ja verpflichtet iſt, ihre An- lage zu fordern, auch wieder eben deßhalb gleichfalls verpflichtet iſt, die Gemeinde bei derſelben zu unterſtützen. Die Realgymnaſien dagegen müſſen wieder als Gemeindeanſtalten oder als freie Unter- nehmungen angeſehen werden.
II. Das Lehrerweſen dieſer Anſtalten empfängt auf gleiche Weiſe durch den doppelten Charakter derſelben ſeinen doppelten Inhalt. Princip muß ſein, daß der Staat die Lehrerbildung als Staats- aufgabe und Anſtalt anerkennt, daß dagegen die Anſtellung der Lehrer den Selbſtverwaltungskörpern überlaſſen bleibt. Aber auch in dieſer Beziehung iſt eine Verſchiedenheit klar. Die Lehrer der Sonntags- ſchulen ſind Volkslehrer; die der allgemeinen Fortbildungsſchule, die der Realſchulen und Gymnaſien ſind ſchon Fachlehrer und fordern daher eine öffentliche Lehrerbildungsanſtalt, während die Lehrer der ſpeciellen Gewerbeſchulen keine fachmäßig gebildete Lehrer zu ſein brauchen, ſondern vielfach geradezu durch freiwillige Thätigkeit tüchtiger Meiſter erſetzt werden können. Die Geſetzgebung hierüber iſt ziemlich einig und vollſtändig.
III. Die Lehrordnung iſt natürlich verſchieden nach den ver- ſchiedenen Anſtalten. Es iſt Sache der ſpeciellen Fachkunde, hier auf das Einzelne einzugehen. Doch beruht auch dieß Rechtsgebiet auf be- ſtimmten allgemeinen Principien. Grundſatz iſt, daß die Lehrordnung der Sonntagsſchulen unter denſelben Regeln ſtehen, wie die der Volksſchulen. Für die übrigen Anſtalten gilt dagegen der Satz, daß der Staat in allen den Fällen, wo er Unterſtützung gibt, auch das Recht haben ſoll, die Lehrordnung zu beſtätigen, welche die Ge- meinde unter Zuziehung der Fachlehrer vorzuſchlagen hat. Bei den ſpeciellen Fachſchulen bedarf es auch einer ſolchen Beſtätigung nicht. Die Oberaufſicht, durch den Organismus der Unterrichtsverwaltung ausgeübt, verſteht ſich von ſelbſt. Das Klaſſenſyſtem iſt allenthalben wichtig, mit Ausnahme der ſpeciellen Handwerkerſchulen; nur ſoll es in den Sonntagsſchulen von den Verhältniſſen abhängen, in den allge- meinen Fortbildungsſchulen ſich höchſtens auf zwei Klaſſen reduciren und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><p><pbfacs="#f0283"n="255"/>
die <hirendition="#g">ſpecielle</hi> Gewerbeſchule dagegen iſt Sache der Gewerbsgenoſſen-<lb/>ſchaft und mit Recht derſelben — wenigſtens zum Theil — als eine<lb/>
ihrer wichtigſten Pflichten überwieſen, wobei ſie ihre Unterſtützung von<lb/>
der Gemeinde zu erwarten hat und daher unter der Oberaufſicht der<lb/>
Gemeinde ſtehen muß. Es liegt nahe, dabei dem freien Vereinsweſen<lb/>
einen ebenſo großen Antheil an dieſen Anſtalten zu laſſen, als der<lb/>
Gemeinde und den Genoſſenſchaften. Die <hirendition="#g">Realſchulen</hi> dagegen ſind<lb/>
zwar zunächſt auch Gemeindeanſtalten, haben aber doch ihre allgemeinere<lb/>
Bedeutung und größeren Anſpruch auf den Charakter von Staatsan-<lb/>ſtalten; es folgt, daß der Staat berechtigt, ja verpflichtet iſt, ihre An-<lb/>
lage zu <hirendition="#g">fordern</hi>, auch wieder eben deßhalb gleichfalls verpflichtet iſt,<lb/>
die Gemeinde bei derſelben zu unterſtützen. Die <hirendition="#g">Realgymnaſien</hi><lb/>
dagegen müſſen wieder als Gemeindeanſtalten oder als freie Unter-<lb/>
nehmungen angeſehen werden.</p><lb/><p><hirendition="#aq">II.</hi> Das <hirendition="#g">Lehrerweſen</hi> dieſer Anſtalten empfängt auf gleiche<lb/>
Weiſe durch den doppelten Charakter derſelben ſeinen doppelten Inhalt.<lb/>
Princip muß ſein, daß der Staat die <hirendition="#g">Lehrerbildung</hi> als Staats-<lb/>
aufgabe und Anſtalt anerkennt, daß dagegen die <hirendition="#g">Anſtellung</hi> der<lb/>
Lehrer den Selbſtverwaltungskörpern überlaſſen bleibt. Aber auch in<lb/>
dieſer Beziehung iſt eine Verſchiedenheit klar. Die Lehrer der Sonntags-<lb/>ſchulen ſind Volkslehrer; die der allgemeinen Fortbildungsſchule, die<lb/>
der Realſchulen und Gymnaſien ſind ſchon Fachlehrer und fordern daher<lb/>
eine öffentliche Lehrerbildungsanſtalt, während die Lehrer der ſpeciellen<lb/>
Gewerbeſchulen keine fachmäßig gebildete Lehrer zu ſein brauchen, ſondern<lb/>
vielfach geradezu durch freiwillige Thätigkeit tüchtiger Meiſter erſetzt werden<lb/>
können. Die Geſetzgebung hierüber iſt ziemlich einig und vollſtändig.</p><lb/><p><hirendition="#aq">III.</hi> Die <hirendition="#g">Lehrordnung</hi> iſt natürlich verſchieden nach den ver-<lb/>ſchiedenen Anſtalten. Es iſt Sache der ſpeciellen Fachkunde, hier auf<lb/>
das Einzelne einzugehen. Doch beruht auch dieß Rechtsgebiet auf be-<lb/>ſtimmten allgemeinen Principien. Grundſatz iſt, daß die Lehrordnung<lb/>
der Sonntagsſchulen unter <hirendition="#g">denſelben</hi> Regeln ſtehen, wie die der<lb/>
Volksſchulen. Für die übrigen Anſtalten gilt dagegen der Satz, daß<lb/>
der Staat in allen den Fällen, wo er Unterſtützung gibt, auch das<lb/>
Recht haben ſoll, die Lehrordnung zu <hirendition="#g">beſtätigen</hi>, welche die Ge-<lb/>
meinde unter Zuziehung der Fachlehrer <hirendition="#g">vorzuſchlagen</hi> hat. Bei den<lb/>ſpeciellen Fachſchulen bedarf es auch einer ſolchen Beſtätigung nicht.<lb/>
Die Oberaufſicht, durch den Organismus der Unterrichtsverwaltung<lb/>
ausgeübt, verſteht ſich von ſelbſt. Das <hirendition="#g">Klaſſenſyſtem</hi> iſt allenthalben<lb/>
wichtig, mit Ausnahme der ſpeciellen Handwerkerſchulen; nur ſoll es in<lb/>
den Sonntagsſchulen von den Verhältniſſen abhängen, in den allge-<lb/>
meinen Fortbildungsſchulen ſich höchſtens auf zwei Klaſſen reduciren und<lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[255/0283]
die ſpecielle Gewerbeſchule dagegen iſt Sache der Gewerbsgenoſſen-
ſchaft und mit Recht derſelben — wenigſtens zum Theil — als eine
ihrer wichtigſten Pflichten überwieſen, wobei ſie ihre Unterſtützung von
der Gemeinde zu erwarten hat und daher unter der Oberaufſicht der
Gemeinde ſtehen muß. Es liegt nahe, dabei dem freien Vereinsweſen
einen ebenſo großen Antheil an dieſen Anſtalten zu laſſen, als der
Gemeinde und den Genoſſenſchaften. Die Realſchulen dagegen ſind
zwar zunächſt auch Gemeindeanſtalten, haben aber doch ihre allgemeinere
Bedeutung und größeren Anſpruch auf den Charakter von Staatsan-
ſtalten; es folgt, daß der Staat berechtigt, ja verpflichtet iſt, ihre An-
lage zu fordern, auch wieder eben deßhalb gleichfalls verpflichtet iſt,
die Gemeinde bei derſelben zu unterſtützen. Die Realgymnaſien
dagegen müſſen wieder als Gemeindeanſtalten oder als freie Unter-
nehmungen angeſehen werden.
II. Das Lehrerweſen dieſer Anſtalten empfängt auf gleiche
Weiſe durch den doppelten Charakter derſelben ſeinen doppelten Inhalt.
Princip muß ſein, daß der Staat die Lehrerbildung als Staats-
aufgabe und Anſtalt anerkennt, daß dagegen die Anſtellung der
Lehrer den Selbſtverwaltungskörpern überlaſſen bleibt. Aber auch in
dieſer Beziehung iſt eine Verſchiedenheit klar. Die Lehrer der Sonntags-
ſchulen ſind Volkslehrer; die der allgemeinen Fortbildungsſchule, die
der Realſchulen und Gymnaſien ſind ſchon Fachlehrer und fordern daher
eine öffentliche Lehrerbildungsanſtalt, während die Lehrer der ſpeciellen
Gewerbeſchulen keine fachmäßig gebildete Lehrer zu ſein brauchen, ſondern
vielfach geradezu durch freiwillige Thätigkeit tüchtiger Meiſter erſetzt werden
können. Die Geſetzgebung hierüber iſt ziemlich einig und vollſtändig.
III. Die Lehrordnung iſt natürlich verſchieden nach den ver-
ſchiedenen Anſtalten. Es iſt Sache der ſpeciellen Fachkunde, hier auf
das Einzelne einzugehen. Doch beruht auch dieß Rechtsgebiet auf be-
ſtimmten allgemeinen Principien. Grundſatz iſt, daß die Lehrordnung
der Sonntagsſchulen unter denſelben Regeln ſtehen, wie die der
Volksſchulen. Für die übrigen Anſtalten gilt dagegen der Satz, daß
der Staat in allen den Fällen, wo er Unterſtützung gibt, auch das
Recht haben ſoll, die Lehrordnung zu beſtätigen, welche die Ge-
meinde unter Zuziehung der Fachlehrer vorzuſchlagen hat. Bei den
ſpeciellen Fachſchulen bedarf es auch einer ſolchen Beſtätigung nicht.
Die Oberaufſicht, durch den Organismus der Unterrichtsverwaltung
ausgeübt, verſteht ſich von ſelbſt. Das Klaſſenſyſtem iſt allenthalben
wichtig, mit Ausnahme der ſpeciellen Handwerkerſchulen; nur ſoll es in
den Sonntagsſchulen von den Verhältniſſen abhängen, in den allge-
meinen Fortbildungsſchulen ſich höchſtens auf zwei Klaſſen reduciren und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/283>, abgerufen am 28.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.