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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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zwischen der Lehre und den Prüfungen in gesetzlichen Studien-
ordnungen
ausgesprochen. So hat sich jetzt die neue Stellung der
Universitäten gebildet. In dieser ist das Princip der Selbstverwaltung
nicht aufgehoben, aber es ist durch den gesetzlichen Studienplan be-
schränkt, und zwar deßhalb, weil diese Studienordnung als die Be-
stimmung desjenigen erscheint, was das öffentliche Leben als Minimum
der Bildung für einen öffentlichen Beruf fordert
. Die Ver-
waltungslehre muß ausdrücklich betonen, daß dieß der Sinn der ge-
setzlichen Studienpläne ist, und daß darauf ihr Recht beruht, die freie
Bewegung der Wissenschaft in feste Gestalt zu bringen. Sie sind es,
welche das Verhalten der speciellen Universitätsbildung zum Bildungs-
wesen überhaupt formuliren; ihr Inhalt geht nicht von der Wissenschaft
als solche, sondern von den Forderungen der Verwaltung aus; sie sind
die wichtigsten Verwaltungsmaßregeln für das höhere geistige Leben
des Volkes geworden.

Das nun, was wir hier bezeichnet haben, bildet im Großen und
Ganzen den Gang des öffentlichen Rechts der Universitäten während des
siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts. Am Ende desselben und im
neunzehnten ist die große historische Universitätsfrage entschieden. Die
Universitäten sind jetzt Staatsanstalten des Berufsbildungs-
wesens
, empfangen ihre spezielle Lehraufgabe vom Staate, werden
von ihm erhalten, stehen unter dem allgemein bürgerlichen Recht, und
es bleibt ihnen aus der ständischen Epoche nichts als die Selbstverwal-
tung der Lehre innerhalb der gesetzlichen Gränze. Das ist der Zu-
stand in dem wir uns befinden.

Indem wir nun dabei ganz von dem fachwissenschaftlichen Inhalt
dieser Stellung absehen, müssen wir es versuchen, dieselbe auf diejeni-
gen Punkte zurückzuführen, in denen sich dieses Princip des öffentlichen
Rechts der Universität als Charakter des deutschen Universitätswesens
der Gegenwart zu einem System formulirt. Dieses System des Uni-
versitätsrechts ist einfach, so wie man es an die oben angelegten Punkte
anschließt.

In der That hat nämlich der Staat, indem er die Universitäten
zu Staatsanstalten machte, das Wesen derselben bei seinem Eingreifen
in ihre Selbstverwaltung mit vollem Bewußtsein festgehalten und einer-
seits das Verhältniß derselben zur allgemeinen, anderseits zur Fachbil-
dung zum Ausdruck gebracht. Die beiden leitenden Grundsätze für das
dadurch entstandene Universitätsrecht, an welches sich dann die Univer-
sitätsformen der Gegenwart anschließen, sind folgende.

Zuerst hat die Staatsverwaltung das im Wesen der Universität
liegende Princip gesetzlich durchgeführt, daß die allgemeine Bildung

zwiſchen der Lehre und den Prüfungen in geſetzlichen Studien-
ordnungen
ausgeſprochen. So hat ſich jetzt die neue Stellung der
Univerſitäten gebildet. In dieſer iſt das Princip der Selbſtverwaltung
nicht aufgehoben, aber es iſt durch den geſetzlichen Studienplan be-
ſchränkt, und zwar deßhalb, weil dieſe Studienordnung als die Be-
ſtimmung desjenigen erſcheint, was das öffentliche Leben als Minimum
der Bildung für einen öffentlichen Beruf fordert
. Die Ver-
waltungslehre muß ausdrücklich betonen, daß dieß der Sinn der ge-
ſetzlichen Studienpläne iſt, und daß darauf ihr Recht beruht, die freie
Bewegung der Wiſſenſchaft in feſte Geſtalt zu bringen. Sie ſind es,
welche das Verhalten der ſpeciellen Univerſitätsbildung zum Bildungs-
weſen überhaupt formuliren; ihr Inhalt geht nicht von der Wiſſenſchaft
als ſolche, ſondern von den Forderungen der Verwaltung aus; ſie ſind
die wichtigſten Verwaltungsmaßregeln für das höhere geiſtige Leben
des Volkes geworden.

Das nun, was wir hier bezeichnet haben, bildet im Großen und
Ganzen den Gang des öffentlichen Rechts der Univerſitäten während des
ſiebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts. Am Ende deſſelben und im
neunzehnten iſt die große hiſtoriſche Univerſitätsfrage entſchieden. Die
Univerſitäten ſind jetzt Staatsanſtalten des Berufsbildungs-
weſens
, empfangen ihre ſpezielle Lehraufgabe vom Staate, werden
von ihm erhalten, ſtehen unter dem allgemein bürgerlichen Recht, und
es bleibt ihnen aus der ſtändiſchen Epoche nichts als die Selbſtverwal-
tung der Lehre innerhalb der geſetzlichen Gränze. Das iſt der Zu-
ſtand in dem wir uns befinden.

Indem wir nun dabei ganz von dem fachwiſſenſchaftlichen Inhalt
dieſer Stellung abſehen, müſſen wir es verſuchen, dieſelbe auf diejeni-
gen Punkte zurückzuführen, in denen ſich dieſes Princip des öffentlichen
Rechts der Univerſität als Charakter des deutſchen Univerſitätsweſens
der Gegenwart zu einem Syſtem formulirt. Dieſes Syſtem des Uni-
verſitätsrechts iſt einfach, ſo wie man es an die oben angelegten Punkte
anſchließt.

In der That hat nämlich der Staat, indem er die Univerſitäten
zu Staatsanſtalten machte, das Weſen derſelben bei ſeinem Eingreifen
in ihre Selbſtverwaltung mit vollem Bewußtſein feſtgehalten und einer-
ſeits das Verhältniß derſelben zur allgemeinen, anderſeits zur Fachbil-
dung zum Ausdruck gebracht. Die beiden leitenden Grundſätze für das
dadurch entſtandene Univerſitätsrecht, an welches ſich dann die Univer-
ſitätsformen der Gegenwart anſchließen, ſind folgende.

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[222/0250] zwiſchen der Lehre und den Prüfungen in geſetzlichen Studien- ordnungen ausgeſprochen. So hat ſich jetzt die neue Stellung der Univerſitäten gebildet. In dieſer iſt das Princip der Selbſtverwaltung nicht aufgehoben, aber es iſt durch den geſetzlichen Studienplan be- ſchränkt, und zwar deßhalb, weil dieſe Studienordnung als die Be- ſtimmung desjenigen erſcheint, was das öffentliche Leben als Minimum der Bildung für einen öffentlichen Beruf fordert. Die Ver- waltungslehre muß ausdrücklich betonen, daß dieß der Sinn der ge- ſetzlichen Studienpläne iſt, und daß darauf ihr Recht beruht, die freie Bewegung der Wiſſenſchaft in feſte Geſtalt zu bringen. Sie ſind es, welche das Verhalten der ſpeciellen Univerſitätsbildung zum Bildungs- weſen überhaupt formuliren; ihr Inhalt geht nicht von der Wiſſenſchaft als ſolche, ſondern von den Forderungen der Verwaltung aus; ſie ſind die wichtigſten Verwaltungsmaßregeln für das höhere geiſtige Leben des Volkes geworden. Das nun, was wir hier bezeichnet haben, bildet im Großen und Ganzen den Gang des öffentlichen Rechts der Univerſitäten während des ſiebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts. Am Ende deſſelben und im neunzehnten iſt die große hiſtoriſche Univerſitätsfrage entſchieden. Die Univerſitäten ſind jetzt Staatsanſtalten des Berufsbildungs- weſens, empfangen ihre ſpezielle Lehraufgabe vom Staate, werden von ihm erhalten, ſtehen unter dem allgemein bürgerlichen Recht, und es bleibt ihnen aus der ſtändiſchen Epoche nichts als die Selbſtverwal- tung der Lehre innerhalb der geſetzlichen Gränze. Das iſt der Zu- ſtand in dem wir uns befinden. Indem wir nun dabei ganz von dem fachwiſſenſchaftlichen Inhalt dieſer Stellung abſehen, müſſen wir es verſuchen, dieſelbe auf diejeni- gen Punkte zurückzuführen, in denen ſich dieſes Princip des öffentlichen Rechts der Univerſität als Charakter des deutſchen Univerſitätsweſens der Gegenwart zu einem Syſtem formulirt. Dieſes Syſtem des Uni- verſitätsrechts iſt einfach, ſo wie man es an die oben angelegten Punkte anſchließt. In der That hat nämlich der Staat, indem er die Univerſitäten zu Staatsanſtalten machte, das Weſen derſelben bei ſeinem Eingreifen in ihre Selbſtverwaltung mit vollem Bewußtſein feſtgehalten und einer- ſeits das Verhältniß derſelben zur allgemeinen, anderſeits zur Fachbil- dung zum Ausdruck gebracht. Die beiden leitenden Grundſätze für das dadurch entſtandene Univerſitätsrecht, an welches ſich dann die Univer- ſitätsformen der Gegenwart anſchließen, ſind folgende. Zuerſt hat die Staatsverwaltung das im Weſen der Univerſität liegende Princip geſetzlich durchgeführt, daß die allgemeine Bildung

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/250>, abgerufen am 06.05.2024.