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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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1852 selbständig dem ersten Theile, die Verbrechen betreffend, gegen-
über zu stellen. Das Gefühl der Sache war richtig; es ist das unklar
gebliebene Streben, das peinliche Recht von dem Verwaltungsrecht zu
scheiden. Allein dieser zweite Theil war zu allgemein gefaßt, und ent-
hielt in der That neben dem Verwaltungsstrafrecht auch sehr wesentliche
peinliche Elemente, was die ganze Auffassung nur verwirren konnte;
dabei ließ derselbe eben wegen seiner Genauigkeit das Aufstellen einer
allgemeinen Ordnungsstrafe als unnöthig erscheinen. Dieselbe fehlt
demnach. Und da nun keine Verwaltung ohne eine solche allgemeine
Ordnungsstrafe bestehen kann, während doch ein Recht zum Aussprechen
derselben wieder nirgends in der österreichischen Gesetzgebung formulirt
war, so mußte man nachträglich das thun, was man in Preußen mit
dem Strafgesetzbuch gleichzeitig gethan hatte, nämlich ein Gesetz erlassen,
das der Verwaltung die rechtliche Möglichkeit gab, ihre Verfügungen
durch Verwaltungsstrafen zu sanktioniren. Das war die Verordnung
vom 20. April 1854, welche an die Stelle der Verordnung vom 11. Mai
1851 und 14. August 1853 getreten ist, und das preußische Gesetz von
1850 ersetzen sollte. Diese Verordnung hat aber sonst den großen
Fehler, daß sie eben keine allgemeine Verwaltungsstrafe aussprach,
sondern sich begnügt, den (Polizei)-Behörden in §. 1 das Recht zu
geben, ihre Verfügungen "durch die ihnen gesetzlich zustehenden
Mittel
zum Vollzuge zu bringen." Welches diese Mittel sind, wird
nicht bestimmt genug gesagt; der §. 11 bestimmt nur, daß in bestimmten
Fällen polizeiwidrigen Verhaltens eine Buße von 1 bis 100 fl. und
6 Stunden bis 14 Tage Arrest eintreten könne. Daraus nun ward
die allgemeine Ordnungsstrafe durch die Verordnung vom 30. Septem-
ber 1857, welche freilich eine zweite Unklarheit an die Stelle der ersten
setzte, indem sie vorschrieb, daß "alle Handlungen oder Unterlassungen,
welche von den Gesetzen oder von den Behörden innerhalb ihres Wir-
kungskreises -- im Allgemeinen als strafbar, oder aus polizeilichen oder
andern (?) Rücksichten als gesetzwidrig erklärt sind, mit 1 bis 100 fl.
Strafe oder Arrest von 6 Stunden bis 14 Tagen zu belegen sind."
Was nun unter den "Behörden," was unter den "andern Rücksichten"
verstanden ist, wird nicht gesagt. Die Ordnungsstrafe ist damit da,
aber die Competenz zur Anwendung derselben ist unbestimmt geblieben.
Dagegen ist allerdings das Verfahren geregelt, speziell durch die Ver-
ordnung vom 3. April 1855 und 5. März 1858, während wiederum
der Grundsatz gänzlich und selbst in der neuen Gemeindeordnung fehlt,
daß die Behörde bei örtlichen Vorschriften sich mit der Gemeindever-
tretung ins Einvernehmen stellen solle. Das Ganze hat daher den
Charakter eines formellen, nur im letzterwähnten Punkte auch materiellen

1852 ſelbſtändig dem erſten Theile, die Verbrechen betreffend, gegen-
über zu ſtellen. Das Gefühl der Sache war richtig; es iſt das unklar
gebliebene Streben, das peinliche Recht von dem Verwaltungsrecht zu
ſcheiden. Allein dieſer zweite Theil war zu allgemein gefaßt, und ent-
hielt in der That neben dem Verwaltungsſtrafrecht auch ſehr weſentliche
peinliche Elemente, was die ganze Auffaſſung nur verwirren konnte;
dabei ließ derſelbe eben wegen ſeiner Genauigkeit das Aufſtellen einer
allgemeinen Ordnungsſtrafe als unnöthig erſcheinen. Dieſelbe fehlt
demnach. Und da nun keine Verwaltung ohne eine ſolche allgemeine
Ordnungsſtrafe beſtehen kann, während doch ein Recht zum Ausſprechen
derſelben wieder nirgends in der öſterreichiſchen Geſetzgebung formulirt
war, ſo mußte man nachträglich das thun, was man in Preußen mit
dem Strafgeſetzbuch gleichzeitig gethan hatte, nämlich ein Geſetz erlaſſen,
das der Verwaltung die rechtliche Möglichkeit gab, ihre Verfügungen
durch Verwaltungsſtrafen zu ſanktioniren. Das war die Verordnung
vom 20. April 1854, welche an die Stelle der Verordnung vom 11. Mai
1851 und 14. Auguſt 1853 getreten iſt, und das preußiſche Geſetz von
1850 erſetzen ſollte. Dieſe Verordnung hat aber ſonſt den großen
Fehler, daß ſie eben keine allgemeine Verwaltungsſtrafe ausſprach,
ſondern ſich begnügt, den (Polizei)-Behörden in §. 1 das Recht zu
geben, ihre Verfügungen „durch die ihnen geſetzlich zuſtehenden
Mittel
zum Vollzuge zu bringen.“ Welches dieſe Mittel ſind, wird
nicht beſtimmt genug geſagt; der §. 11 beſtimmt nur, daß in beſtimmten
Fällen polizeiwidrigen Verhaltens eine Buße von 1 bis 100 fl. und
6 Stunden bis 14 Tage Arreſt eintreten könne. Daraus nun ward
die allgemeine Ordnungsſtrafe durch die Verordnung vom 30. Septem-
ber 1857, welche freilich eine zweite Unklarheit an die Stelle der erſten
ſetzte, indem ſie vorſchrieb, daß „alle Handlungen oder Unterlaſſungen,
welche von den Geſetzen oder von den Behörden innerhalb ihres Wir-
kungskreiſes — im Allgemeinen als ſtrafbar, oder aus polizeilichen oder
andern (?) Rückſichten als geſetzwidrig erklärt ſind, mit 1 bis 100 fl.
Strafe oder Arreſt von 6 Stunden bis 14 Tagen zu belegen ſind.“
Was nun unter den „Behörden,“ was unter den „andern Rückſichten“
verſtanden iſt, wird nicht geſagt. Die Ordnungsſtrafe iſt damit da,
aber die Competenz zur Anwendung derſelben iſt unbeſtimmt geblieben.
Dagegen iſt allerdings das Verfahren geregelt, ſpeziell durch die Ver-
ordnung vom 3. April 1855 und 5. März 1858, während wiederum
der Grundſatz gänzlich und ſelbſt in der neuen Gemeindeordnung fehlt,
daß die Behörde bei örtlichen Vorſchriften ſich mit der Gemeindever-
tretung ins Einvernehmen ſtellen ſolle. Das Ganze hat daher den
Charakter eines formellen, nur im letzterwähnten Punkte auch materiellen

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[47/0069] 1852 ſelbſtändig dem erſten Theile, die Verbrechen betreffend, gegen- über zu ſtellen. Das Gefühl der Sache war richtig; es iſt das unklar gebliebene Streben, das peinliche Recht von dem Verwaltungsrecht zu ſcheiden. Allein dieſer zweite Theil war zu allgemein gefaßt, und ent- hielt in der That neben dem Verwaltungsſtrafrecht auch ſehr weſentliche peinliche Elemente, was die ganze Auffaſſung nur verwirren konnte; dabei ließ derſelbe eben wegen ſeiner Genauigkeit das Aufſtellen einer allgemeinen Ordnungsſtrafe als unnöthig erſcheinen. Dieſelbe fehlt demnach. Und da nun keine Verwaltung ohne eine ſolche allgemeine Ordnungsſtrafe beſtehen kann, während doch ein Recht zum Ausſprechen derſelben wieder nirgends in der öſterreichiſchen Geſetzgebung formulirt war, ſo mußte man nachträglich das thun, was man in Preußen mit dem Strafgeſetzbuch gleichzeitig gethan hatte, nämlich ein Geſetz erlaſſen, das der Verwaltung die rechtliche Möglichkeit gab, ihre Verfügungen durch Verwaltungsſtrafen zu ſanktioniren. Das war die Verordnung vom 20. April 1854, welche an die Stelle der Verordnung vom 11. Mai 1851 und 14. Auguſt 1853 getreten iſt, und das preußiſche Geſetz von 1850 erſetzen ſollte. Dieſe Verordnung hat aber ſonſt den großen Fehler, daß ſie eben keine allgemeine Verwaltungsſtrafe ausſprach, ſondern ſich begnügt, den (Polizei)-Behörden in §. 1 das Recht zu geben, ihre Verfügungen „durch die ihnen geſetzlich zuſtehenden Mittel zum Vollzuge zu bringen.“ Welches dieſe Mittel ſind, wird nicht beſtimmt genug geſagt; der §. 11 beſtimmt nur, daß in beſtimmten Fällen polizeiwidrigen Verhaltens eine Buße von 1 bis 100 fl. und 6 Stunden bis 14 Tage Arreſt eintreten könne. Daraus nun ward die allgemeine Ordnungsſtrafe durch die Verordnung vom 30. Septem- ber 1857, welche freilich eine zweite Unklarheit an die Stelle der erſten ſetzte, indem ſie vorſchrieb, daß „alle Handlungen oder Unterlaſſungen, welche von den Geſetzen oder von den Behörden innerhalb ihres Wir- kungskreiſes — im Allgemeinen als ſtrafbar, oder aus polizeilichen oder andern (?) Rückſichten als geſetzwidrig erklärt ſind, mit 1 bis 100 fl. Strafe oder Arreſt von 6 Stunden bis 14 Tagen zu belegen ſind.“ Was nun unter den „Behörden,“ was unter den „andern Rückſichten“ verſtanden iſt, wird nicht geſagt. Die Ordnungsſtrafe iſt damit da, aber die Competenz zur Anwendung derſelben iſt unbeſtimmt geblieben. Dagegen iſt allerdings das Verfahren geregelt, ſpeziell durch die Ver- ordnung vom 3. April 1855 und 5. März 1858, während wiederum der Grundſatz gänzlich und ſelbſt in der neuen Gemeindeordnung fehlt, daß die Behörde bei örtlichen Vorſchriften ſich mit der Gemeindever- tretung ins Einvernehmen ſtellen ſolle. Das Ganze hat daher den Charakter eines formellen, nur im letzterwähnten Punkte auch materiellen

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/69>, abgerufen am 26.11.2024.