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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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angenommen hat, und wie weit Theorie und Praxis darin gekommen
sind, das Rechtssystem der polizeilichen Verantwortlichkeit gegenüber der
Freiheit des einzelnen Staatsbürgers zum Bewußtsein zu bringen und
auszubilden.

Dieß wäre nun wohl ziemlich leicht, wenn namentlich in Deutsch-
land die Epoche der ständischen Gesellschaftsordnung und der polizei-
lichen Verwaltung bereits nicht bloß im Princip, sondern auch in der
Wirklichkeit vollständig überwunden wäre. Allein das ist nicht der Fall.
Die Wissenschaft hat daher hier nicht so sehr mit verkehrten Zuständen,
als vielmehr mit unklaren Vorstellungen zu kämpfen. Die wesentlichste
Aufgabe des Folgenden ist es daher, vor allen Dingen neben dem all-
gemeinen Begriffe die einzelnen Momente desselben selbständig festzu-
stellen, und das Recht der Polizei, das in seinem allgemeinen Begriffe
feststeht, an diesen einzelnen Momenten zu einem selbständigen System
zu entwickeln. Denn nur dadurch wird es möglich sein, dasjenige zu
erreichen, was uns in der Wissenschaft des öffentlichen Rechts noch so
gut als gänzlich fehlt, eine Theorie und Jurisprudenz des
Polizeirechts
, als des Rechts der persönlichen Freiheit gegen-
über der polizeilichen Funktion.

In diesem Sinne nun müssen wir neben dem Begriffe und der
Geschichte des Polizeirechts von einem System desselben reden. Es
ergibt sich dafür zunächst von selbst, daß dieses System auch hier nicht
in dem Begriffe des Rechts, sondern in dem der Polizei liegt und liegen
muß, für die es gelten soll. Dasselbe ist daher naturgemäß identisch
mit dem organischen Wesen der Polizei; aber es ist für die wissen-
schaftliche Behandlung von entscheidender Bedeutung, dieß speziell zu
betonen.

Es ergibt sich nämlich daraus, daß wir zunächst von einem
allgemeinen Polizeirecht zu reden haben, als demjenigen Recht
der Polizei, das allen verschiedenen Funktionen und Aufgaben derselben
gleichmäßig inwohnt.

An dieß schließt sich dann das besondere Polizeirecht, als dem-
jenigen besondern Recht derselben, das durch die einzelnen, speziellen
Aufgaben der Polizei in den einzelnen Gebieten der Verwaltung be-
stimmt wird, und das dem entsprechend diejenigen Modifikationen jenes
allgemeinen Polizeirechts enthält, welche durch diese besondern Aufgaben
der Polizei gefordert werden.

Von diesem besondern Polizeirecht bildet nun die Sicherheits-
polizei
wieder ein selbständig zu bearbeitendes Rechtsgebiet, während
alle übrigen Theile der inneren Polizei integrirende Theile der einzelnen
Verwaltungsgebiete ausmachen, die man wissenschaftlich nie, und praktisch

angenommen hat, und wie weit Theorie und Praxis darin gekommen
ſind, das Rechtsſyſtem der polizeilichen Verantwortlichkeit gegenüber der
Freiheit des einzelnen Staatsbürgers zum Bewußtſein zu bringen und
auszubilden.

Dieß wäre nun wohl ziemlich leicht, wenn namentlich in Deutſch-
land die Epoche der ſtändiſchen Geſellſchaftsordnung und der polizei-
lichen Verwaltung bereits nicht bloß im Princip, ſondern auch in der
Wirklichkeit vollſtändig überwunden wäre. Allein das iſt nicht der Fall.
Die Wiſſenſchaft hat daher hier nicht ſo ſehr mit verkehrten Zuſtänden,
als vielmehr mit unklaren Vorſtellungen zu kämpfen. Die weſentlichſte
Aufgabe des Folgenden iſt es daher, vor allen Dingen neben dem all-
gemeinen Begriffe die einzelnen Momente deſſelben ſelbſtändig feſtzu-
ſtellen, und das Recht der Polizei, das in ſeinem allgemeinen Begriffe
feſtſteht, an dieſen einzelnen Momenten zu einem ſelbſtändigen Syſtem
zu entwickeln. Denn nur dadurch wird es möglich ſein, dasjenige zu
erreichen, was uns in der Wiſſenſchaft des öffentlichen Rechts noch ſo
gut als gänzlich fehlt, eine Theorie und Jurisprudenz des
Polizeirechts
, als des Rechts der perſönlichen Freiheit gegen-
über der polizeilichen Funktion.

In dieſem Sinne nun müſſen wir neben dem Begriffe und der
Geſchichte des Polizeirechts von einem Syſtem deſſelben reden. Es
ergibt ſich dafür zunächſt von ſelbſt, daß dieſes Syſtem auch hier nicht
in dem Begriffe des Rechts, ſondern in dem der Polizei liegt und liegen
muß, für die es gelten ſoll. Daſſelbe iſt daher naturgemäß identiſch
mit dem organiſchen Weſen der Polizei; aber es iſt für die wiſſen-
ſchaftliche Behandlung von entſcheidender Bedeutung, dieß ſpeziell zu
betonen.

Es ergibt ſich nämlich daraus, daß wir zunächſt von einem
allgemeinen Polizeirecht zu reden haben, als demjenigen Recht
der Polizei, das allen verſchiedenen Funktionen und Aufgaben derſelben
gleichmäßig inwohnt.

An dieß ſchließt ſich dann das beſondere Polizeirecht, als dem-
jenigen beſondern Recht derſelben, das durch die einzelnen, ſpeziellen
Aufgaben der Polizei in den einzelnen Gebieten der Verwaltung be-
ſtimmt wird, und das dem entſprechend diejenigen Modifikationen jenes
allgemeinen Polizeirechts enthält, welche durch dieſe beſondern Aufgaben
der Polizei gefordert werden.

Von dieſem beſondern Polizeirecht bildet nun die Sicherheits-
polizei
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[9/0031] angenommen hat, und wie weit Theorie und Praxis darin gekommen ſind, das Rechtsſyſtem der polizeilichen Verantwortlichkeit gegenüber der Freiheit des einzelnen Staatsbürgers zum Bewußtſein zu bringen und auszubilden. Dieß wäre nun wohl ziemlich leicht, wenn namentlich in Deutſch- land die Epoche der ſtändiſchen Geſellſchaftsordnung und der polizei- lichen Verwaltung bereits nicht bloß im Princip, ſondern auch in der Wirklichkeit vollſtändig überwunden wäre. Allein das iſt nicht der Fall. Die Wiſſenſchaft hat daher hier nicht ſo ſehr mit verkehrten Zuſtänden, als vielmehr mit unklaren Vorſtellungen zu kämpfen. Die weſentlichſte Aufgabe des Folgenden iſt es daher, vor allen Dingen neben dem all- gemeinen Begriffe die einzelnen Momente deſſelben ſelbſtändig feſtzu- ſtellen, und das Recht der Polizei, das in ſeinem allgemeinen Begriffe feſtſteht, an dieſen einzelnen Momenten zu einem ſelbſtändigen Syſtem zu entwickeln. Denn nur dadurch wird es möglich ſein, dasjenige zu erreichen, was uns in der Wiſſenſchaft des öffentlichen Rechts noch ſo gut als gänzlich fehlt, eine Theorie und Jurisprudenz des Polizeirechts, als des Rechts der perſönlichen Freiheit gegen- über der polizeilichen Funktion. In dieſem Sinne nun müſſen wir neben dem Begriffe und der Geſchichte des Polizeirechts von einem Syſtem deſſelben reden. Es ergibt ſich dafür zunächſt von ſelbſt, daß dieſes Syſtem auch hier nicht in dem Begriffe des Rechts, ſondern in dem der Polizei liegt und liegen muß, für die es gelten ſoll. Daſſelbe iſt daher naturgemäß identiſch mit dem organiſchen Weſen der Polizei; aber es iſt für die wiſſen- ſchaftliche Behandlung von entſcheidender Bedeutung, dieß ſpeziell zu betonen. Es ergibt ſich nämlich daraus, daß wir zunächſt von einem allgemeinen Polizeirecht zu reden haben, als demjenigen Recht der Polizei, das allen verſchiedenen Funktionen und Aufgaben derſelben gleichmäßig inwohnt. An dieß ſchließt ſich dann das beſondere Polizeirecht, als dem- jenigen beſondern Recht derſelben, das durch die einzelnen, ſpeziellen Aufgaben der Polizei in den einzelnen Gebieten der Verwaltung be- ſtimmt wird, und das dem entſprechend diejenigen Modifikationen jenes allgemeinen Polizeirechts enthält, welche durch dieſe beſondern Aufgaben der Polizei gefordert werden. Von dieſem beſondern Polizeirecht bildet nun die Sicherheits- polizei wieder ein ſelbſtändig zu bearbeitendes Rechtsgebiet, während alle übrigen Theile der inneren Polizei integrirende Theile der einzelnen Verwaltungsgebiete ausmachen, die man wiſſenſchaftlich nie, und praktiſch

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/31>, abgerufen am 23.11.2024.