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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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Rückschritt, wenn die Gesetzgebung, wie er es will, mit der thüringischen
Strafproceßordnung (Art. 145) auf die vage Bezeichnung "in dringenden
Fällen" beschränken würde. Das neueste Gesetz ist das österreichische
vom 27. Oct. 1862. Hier ist der Unterschied zwischen der gerichtlichen
und polizeilichen Haussuchung viel weniger klar als im preußischen.
Regel ist die gerichtliche; Ausnahme ist die polizeiliche ohne Befehl
des Gerichts zum Zwecke der gerichtlichen Verhaftung, der handhaften
That, Nacheile, oder "Besitz von Gegenständen, welche auf Betheili-
gung an einer strafbaren That hinweisen." Die Consequenz davon ist
nicht abzusehen, da die Polizei selbst das Urtheil darüber behält, ob
dieß der Fall ist, oder nicht. Dazu kommt, daß die Zustellung des
Befehles erst innerhalb 24 Stunden stattfinden soll. Die Unterscheidung
zwischen Nacht und Tag fehlt ganz, wie in Frankreich und Preußen.
Die "polizeiliche Aufsicht" gibt wie die "finanzielle Aufsicht" (?) das
Recht nur in den vom Gesetz bestimmten Fällen. Dieß Gesetz ist, wie
man sieht, neben der übrigen Rechtsbildung Europa's kein vollkommenes
zu nennen. Doch sind auch hier Haussuchungen von dem Betreten des
Hauses geschieden (§. 5).

3) Polizeiliche Hausdurchsuchung, Beschlagnahme, Briefrecht.

Geht man auch hier davon aus, das gerichtlich-polizeiliche Ver-
fahren von dem sicherheitspolizeilichen zu scheiden, so sind die obigen
Punkte nunmehr wohl sehr einfacher Natur, wenn gleich es von großer
Wichtigkeit ist, sich über das leitende Princip zu einigen.

Alle jene drei Thätigkeiten haben nämlich nur dann einen Sinn,
wenn man sie in Beziehung nicht auf eine Gefahr, sondern auf ein
bereits geschehenes Verbrechen denkt. Es folgt daraus, daß diese Funk-
tionen der Polizei wirklich in der Regel nur als Akte der gerichtlichen
Polizei, und daher auch nur auf Befehl des Gerichts geschehen können.
Es folgt daraus ferner, daß die Vornahme solcher Thätigkeiten durch
die Vorschriften der Strafproceßordnungen geordnet werden muß. Nur
in Einem Falle kann von einem speziellen Polizeirecht dabei die Rede
sein und das Recht dieses Falles ist gleichfalls sehr einfach; nur tritt
hier das Eigenthümliche ein, daß gerade dieses Recht nirgends bestimmt
ausgesprochen ist. Die Polizei kann ohne richterlichen Befehl nur dann
zur Beschlagnahme greifen, wenn nicht etwa eine Person, sondern ein
ganz bestimmter einzelner Gegenstand ihr als ein Beweismittel für
die Verfolgung eines Verbrechens erscheint. Ihr Recht ist dabei gleich-
falls einfach. Es besteht einzig und allein darin, die nöthigen Maß-
regeln anzuordnen, damit ein solcher Gegenstand bis zur Vornahme der

Rückſchritt, wenn die Geſetzgebung, wie er es will, mit der thüringiſchen
Strafproceßordnung (Art. 145) auf die vage Bezeichnung „in dringenden
Fällen“ beſchränken würde. Das neueſte Geſetz iſt das öſterreichiſche
vom 27. Oct. 1862. Hier iſt der Unterſchied zwiſchen der gerichtlichen
und polizeilichen Hausſuchung viel weniger klar als im preußiſchen.
Regel iſt die gerichtliche; Ausnahme iſt die polizeiliche ohne Befehl
des Gerichts zum Zwecke der gerichtlichen Verhaftung, der handhaften
That, Nacheile, oder „Beſitz von Gegenſtänden, welche auf Betheili-
gung an einer ſtrafbaren That hinweiſen.“ Die Conſequenz davon iſt
nicht abzuſehen, da die Polizei ſelbſt das Urtheil darüber behält, ob
dieß der Fall iſt, oder nicht. Dazu kommt, daß die Zuſtellung des
Befehles erſt innerhalb 24 Stunden ſtattfinden ſoll. Die Unterſcheidung
zwiſchen Nacht und Tag fehlt ganz, wie in Frankreich und Preußen.
Die „polizeiliche Aufſicht“ gibt wie die „finanzielle Aufſicht“ (?) das
Recht nur in den vom Geſetz beſtimmten Fällen. Dieß Geſetz iſt, wie
man ſieht, neben der übrigen Rechtsbildung Europa’s kein vollkommenes
zu nennen. Doch ſind auch hier Hausſuchungen von dem Betreten des
Hauſes geſchieden (§. 5).

3) Polizeiliche Hausdurchſuchung, Beſchlagnahme, Briefrecht.

Geht man auch hier davon aus, das gerichtlich-polizeiliche Ver-
fahren von dem ſicherheitspolizeilichen zu ſcheiden, ſo ſind die obigen
Punkte nunmehr wohl ſehr einfacher Natur, wenn gleich es von großer
Wichtigkeit iſt, ſich über das leitende Princip zu einigen.

Alle jene drei Thätigkeiten haben nämlich nur dann einen Sinn,
wenn man ſie in Beziehung nicht auf eine Gefahr, ſondern auf ein
bereits geſchehenes Verbrechen denkt. Es folgt daraus, daß dieſe Funk-
tionen der Polizei wirklich in der Regel nur als Akte der gerichtlichen
Polizei, und daher auch nur auf Befehl des Gerichts geſchehen können.
Es folgt daraus ferner, daß die Vornahme ſolcher Thätigkeiten durch
die Vorſchriften der Strafproceßordnungen geordnet werden muß. Nur
in Einem Falle kann von einem ſpeziellen Polizeirecht dabei die Rede
ſein und das Recht dieſes Falles iſt gleichfalls ſehr einfach; nur tritt
hier das Eigenthümliche ein, daß gerade dieſes Recht nirgends beſtimmt
ausgeſprochen iſt. Die Polizei kann ohne richterlichen Befehl nur dann
zur Beſchlagnahme greifen, wenn nicht etwa eine Perſon, ſondern ein
ganz beſtimmter einzelner Gegenſtand ihr als ein Beweismittel für
die Verfolgung eines Verbrechens erſcheint. Ihr Recht iſt dabei gleich-
falls einfach. Es beſteht einzig und allein darin, die nöthigen Maß-
regeln anzuordnen, damit ein ſolcher Gegenſtand bis zur Vornahme der

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[156/0178] Rückſchritt, wenn die Geſetzgebung, wie er es will, mit der thüringiſchen Strafproceßordnung (Art. 145) auf die vage Bezeichnung „in dringenden Fällen“ beſchränken würde. Das neueſte Geſetz iſt das öſterreichiſche vom 27. Oct. 1862. Hier iſt der Unterſchied zwiſchen der gerichtlichen und polizeilichen Hausſuchung viel weniger klar als im preußiſchen. Regel iſt die gerichtliche; Ausnahme iſt die polizeiliche ohne Befehl des Gerichts zum Zwecke der gerichtlichen Verhaftung, der handhaften That, Nacheile, oder „Beſitz von Gegenſtänden, welche auf Betheili- gung an einer ſtrafbaren That hinweiſen.“ Die Conſequenz davon iſt nicht abzuſehen, da die Polizei ſelbſt das Urtheil darüber behält, ob dieß der Fall iſt, oder nicht. Dazu kommt, daß die Zuſtellung des Befehles erſt innerhalb 24 Stunden ſtattfinden ſoll. Die Unterſcheidung zwiſchen Nacht und Tag fehlt ganz, wie in Frankreich und Preußen. Die „polizeiliche Aufſicht“ gibt wie die „finanzielle Aufſicht“ (?) das Recht nur in den vom Geſetz beſtimmten Fällen. Dieß Geſetz iſt, wie man ſieht, neben der übrigen Rechtsbildung Europa’s kein vollkommenes zu nennen. Doch ſind auch hier Hausſuchungen von dem Betreten des Hauſes geſchieden (§. 5). 3) Polizeiliche Hausdurchſuchung, Beſchlagnahme, Briefrecht. Geht man auch hier davon aus, das gerichtlich-polizeiliche Ver- fahren von dem ſicherheitspolizeilichen zu ſcheiden, ſo ſind die obigen Punkte nunmehr wohl ſehr einfacher Natur, wenn gleich es von großer Wichtigkeit iſt, ſich über das leitende Princip zu einigen. Alle jene drei Thätigkeiten haben nämlich nur dann einen Sinn, wenn man ſie in Beziehung nicht auf eine Gefahr, ſondern auf ein bereits geſchehenes Verbrechen denkt. Es folgt daraus, daß dieſe Funk- tionen der Polizei wirklich in der Regel nur als Akte der gerichtlichen Polizei, und daher auch nur auf Befehl des Gerichts geſchehen können. Es folgt daraus ferner, daß die Vornahme ſolcher Thätigkeiten durch die Vorſchriften der Strafproceßordnungen geordnet werden muß. Nur in Einem Falle kann von einem ſpeziellen Polizeirecht dabei die Rede ſein und das Recht dieſes Falles iſt gleichfalls ſehr einfach; nur tritt hier das Eigenthümliche ein, daß gerade dieſes Recht nirgends beſtimmt ausgeſprochen iſt. Die Polizei kann ohne richterlichen Befehl nur dann zur Beſchlagnahme greifen, wenn nicht etwa eine Perſon, ſondern ein ganz beſtimmter einzelner Gegenſtand ihr als ein Beweismittel für die Verfolgung eines Verbrechens erſcheint. Ihr Recht iſt dabei gleich- falls einfach. Es beſteht einzig und allein darin, die nöthigen Maß- regeln anzuordnen, damit ein ſolcher Gegenſtand bis zur Vornahme der

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/178>, abgerufen am 23.11.2024.