doch die Anzeige bei der Behörde machen mußte, die dann das Recht hatte, ihn zu verbieten. Eine Pflicht zur Oeffentlichkeit gegenüber dem Publikum existirte nicht. Die neuere Zeit hat nun jenes Recht be- stimmter dahin formulirt, daß, zunächst abgesehen von jedem speziellen Zweck der Vereine, die Geheimhaltung als solche zu einem straf- rechtlich zu verfolgenden Verbrechen geworden ist. Damit ist denn auch die Aufgabe der Sicherheitspolizei wohl klar. Sie hat die Existenz ge- heimer Gesellschaften, ohne Rücksicht auf ihren Zweck, zu entdecken, zu constatiren und die Mitglieder den Gerichten zu überliefern. Ein weiteres, eignes Polizeirecht gegenüber allen Arten von geheimen Gesellschaften gibt es nicht; das Uebrige gehört dem Strafverfahren und dem Straf- gericht. Es versteht sich dabei von selbst, daß wenn außer dem in der Geheimhaltung an sich liegenden Verbrechen auch noch der Zweck ein verbrecherischer ist (z. B. Hochverrath etc.), die Strafe auch noch nach den strafrechtlichen Grundsätzen über Versuch und Beihülfe etc. geregelt wird. Allein der Zweck hat auf das Recht der Sicherheitspolizei gar keinen Einfluß; der allergefährlichste Zweck gibt ihr nicht mehr Recht, als selbst der erlaubte, wenn derselbe auch die Thätigkeit anspornen mag. Der geheimen Gesellschaft gegen über ist die Polizei mithin rein gericht- liche Polizei, sei es, daß sie auf Befehl des Gerichts, oder nach eigenem Ermessen vorgeht.
II. Wesentlich anders gestaltet sich die Sache da, wo es sich um den eigentlichen Verein handelt, der der Forderung der Oeffent- lichkeit Genüge geleistet hat, und seinen Statuten gemäß funktionirt. Hier sind zunächst, wie gesagt, Vereine, Erwerbsgesellschaften und Ge- nossenschaften zu unterscheiden. Das Princip für das Recht der Ver- waltungspolizei ist dabei einfach. In so weit nämlich diese Körper, wie es bei den eigentlichen Vereinen und Genossenschaften immer, bei den Erwerbsgesellschaften in vielen Fällen (Banken, Bahnen u. s. w.) der Fall ist, Aufgaben der Verwaltung vollziehen, tritt für sie das all- gemeine Recht ein, nach welchem die vollziehende Gewalt im Namen ihrer Verantwortlichkeit die Harmonie der einzelnen Thätigkeit mit dem Ganzen der Verwaltung herstellen muß. Die Ausübung dieses Rechts gegenüber den Selbstverwaltungskörpern und den Vereinen haben wir die Oberaufsicht genannt. Das Recht der Oberaufsicht besteht darin, von jedem Akte eines solchen öffentlichen Vereins Kenntniß zu nehmen, und speziell einzelne Akte im Gesammtinteresse der Verwaltung zu ver- bieten. Die Verwaltungsorgane werden nun dieß Recht regelmäßig durch eigens dazu bestimmte Beamte (Commissäre) ausüben. Sie können es aber auch ausüben lassen durch die Organe der Sicherheitspolizei. In diesem Falle muß eine bestimmte Delegation vorausgesetzt werden, und
doch die Anzeige bei der Behörde machen mußte, die dann das Recht hatte, ihn zu verbieten. Eine Pflicht zur Oeffentlichkeit gegenüber dem Publikum exiſtirte nicht. Die neuere Zeit hat nun jenes Recht be- ſtimmter dahin formulirt, daß, zunächſt abgeſehen von jedem ſpeziellen Zweck der Vereine, die Geheimhaltung als ſolche zu einem ſtraf- rechtlich zu verfolgenden Verbrechen geworden iſt. Damit iſt denn auch die Aufgabe der Sicherheitspolizei wohl klar. Sie hat die Exiſtenz ge- heimer Geſellſchaften, ohne Rückſicht auf ihren Zweck, zu entdecken, zu conſtatiren und die Mitglieder den Gerichten zu überliefern. Ein weiteres, eignes Polizeirecht gegenüber allen Arten von geheimen Geſellſchaften gibt es nicht; das Uebrige gehört dem Strafverfahren und dem Straf- gericht. Es verſteht ſich dabei von ſelbſt, daß wenn außer dem in der Geheimhaltung an ſich liegenden Verbrechen auch noch der Zweck ein verbrecheriſcher iſt (z. B. Hochverrath ꝛc.), die Strafe auch noch nach den ſtrafrechtlichen Grundſätzen über Verſuch und Beihülfe ꝛc. geregelt wird. Allein der Zweck hat auf das Recht der Sicherheitspolizei gar keinen Einfluß; der allergefährlichſte Zweck gibt ihr nicht mehr Recht, als ſelbſt der erlaubte, wenn derſelbe auch die Thätigkeit anſpornen mag. Der geheimen Geſellſchaft gegen über iſt die Polizei mithin rein gericht- liche Polizei, ſei es, daß ſie auf Befehl des Gerichts, oder nach eigenem Ermeſſen vorgeht.
II. Weſentlich anders geſtaltet ſich die Sache da, wo es ſich um den eigentlichen Verein handelt, der der Forderung der Oeffent- lichkeit Genüge geleiſtet hat, und ſeinen Statuten gemäß funktionirt. Hier ſind zunächſt, wie geſagt, Vereine, Erwerbsgeſellſchaften und Ge- noſſenſchaften zu unterſcheiden. Das Princip für das Recht der Ver- waltungspolizei iſt dabei einfach. In ſo weit nämlich dieſe Körper, wie es bei den eigentlichen Vereinen und Genoſſenſchaften immer, bei den Erwerbsgeſellſchaften in vielen Fällen (Banken, Bahnen u. ſ. w.) der Fall iſt, Aufgaben der Verwaltung vollziehen, tritt für ſie das all- gemeine Recht ein, nach welchem die vollziehende Gewalt im Namen ihrer Verantwortlichkeit die Harmonie der einzelnen Thätigkeit mit dem Ganzen der Verwaltung herſtellen muß. Die Ausübung dieſes Rechts gegenüber den Selbſtverwaltungskörpern und den Vereinen haben wir die Oberaufſicht genannt. Das Recht der Oberaufſicht beſteht darin, von jedem Akte eines ſolchen öffentlichen Vereins Kenntniß zu nehmen, und ſpeziell einzelne Akte im Geſammtintereſſe der Verwaltung zu ver- bieten. Die Verwaltungsorgane werden nun dieß Recht regelmäßig durch eigens dazu beſtimmte Beamte (Commiſſäre) ausüben. Sie können es aber auch ausüben laſſen durch die Organe der Sicherheitspolizei. In dieſem Falle muß eine beſtimmte Delegation vorausgeſetzt werden, und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0130"n="108"/>
doch die Anzeige bei der Behörde machen mußte, die dann das Recht<lb/>
hatte, ihn zu verbieten. Eine Pflicht zur Oeffentlichkeit gegenüber dem<lb/>
Publikum exiſtirte <hirendition="#g">nicht</hi>. Die neuere Zeit hat nun jenes Recht be-<lb/>ſtimmter dahin formulirt, daß, zunächſt abgeſehen von jedem ſpeziellen<lb/>
Zweck der Vereine, <hirendition="#g">die Geheimhaltung als ſolche</hi> zu einem ſtraf-<lb/>
rechtlich zu verfolgenden Verbrechen geworden iſt. Damit iſt denn auch<lb/>
die Aufgabe der Sicherheitspolizei wohl klar. Sie hat die Exiſtenz ge-<lb/>
heimer Geſellſchaften, ohne Rückſicht auf ihren Zweck, zu entdecken, zu<lb/>
conſtatiren und die Mitglieder den Gerichten zu überliefern. Ein weiteres,<lb/>
eignes Polizeirecht gegenüber <hirendition="#g">allen</hi> Arten von geheimen Geſellſchaften<lb/>
gibt es nicht; das Uebrige gehört dem Strafverfahren und dem Straf-<lb/>
gericht. Es verſteht ſich dabei von ſelbſt, daß wenn außer dem in der<lb/>
Geheimhaltung an ſich liegenden Verbrechen auch noch der Zweck ein<lb/>
verbrecheriſcher iſt (z. B. Hochverrath ꝛc.), die Strafe auch noch nach<lb/>
den ſtrafrechtlichen Grundſätzen über Verſuch und Beihülfe ꝛc. geregelt<lb/>
wird. Allein der Zweck hat auf das Recht der Sicherheitspolizei gar keinen<lb/>
Einfluß; der allergefährlichſte Zweck gibt ihr nicht mehr Recht, als ſelbſt<lb/>
der erlaubte, wenn derſelbe auch die Thätigkeit anſpornen mag. Der<lb/>
geheimen Geſellſchaft gegen über iſt die Polizei mithin <hirendition="#g">rein gericht-<lb/>
liche Polizei</hi>, ſei es, daß ſie auf Befehl des Gerichts, oder nach<lb/>
eigenem Ermeſſen vorgeht.</p><lb/><p><hirendition="#aq">II.</hi> Weſentlich anders geſtaltet ſich die Sache da, wo es ſich um<lb/>
den <hirendition="#g">eigentlichen Verein</hi> handelt, der der Forderung der Oeffent-<lb/>
lichkeit Genüge geleiſtet hat, und ſeinen Statuten gemäß funktionirt.<lb/>
Hier ſind zunächſt, wie geſagt, Vereine, Erwerbsgeſellſchaften und Ge-<lb/>
noſſenſchaften zu unterſcheiden. Das Princip für das Recht der Ver-<lb/>
waltungspolizei iſt dabei einfach. In ſo weit nämlich dieſe Körper,<lb/>
wie es bei den eigentlichen Vereinen und Genoſſenſchaften immer, bei<lb/>
den Erwerbsgeſellſchaften in vielen Fällen (Banken, Bahnen u. ſ. w.)<lb/>
der Fall iſt, Aufgaben der Verwaltung vollziehen, tritt für ſie das all-<lb/>
gemeine Recht ein, nach welchem die vollziehende Gewalt im Namen<lb/>
ihrer Verantwortlichkeit die Harmonie der einzelnen Thätigkeit mit dem<lb/>
Ganzen der Verwaltung herſtellen muß. Die <hirendition="#g">Ausübung</hi> dieſes Rechts<lb/>
gegenüber den Selbſtverwaltungskörpern und den Vereinen haben wir<lb/>
die <hirendition="#g">Oberaufſicht</hi> genannt. Das Recht der Oberaufſicht beſteht darin,<lb/>
von <hirendition="#g">jedem</hi> Akte eines ſolchen öffentlichen Vereins Kenntniß zu nehmen,<lb/>
und ſpeziell einzelne Akte im Geſammtintereſſe der Verwaltung zu ver-<lb/>
bieten. Die Verwaltungsorgane werden nun dieß Recht regelmäßig durch<lb/>
eigens dazu beſtimmte Beamte (Commiſſäre) ausüben. Sie <hirendition="#g">können</hi> es<lb/>
aber auch ausüben laſſen durch die Organe der Sicherheitspolizei. In<lb/>
dieſem Falle muß eine beſtimmte Delegation vorausgeſetzt werden, und<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[108/0130]
doch die Anzeige bei der Behörde machen mußte, die dann das Recht
hatte, ihn zu verbieten. Eine Pflicht zur Oeffentlichkeit gegenüber dem
Publikum exiſtirte nicht. Die neuere Zeit hat nun jenes Recht be-
ſtimmter dahin formulirt, daß, zunächſt abgeſehen von jedem ſpeziellen
Zweck der Vereine, die Geheimhaltung als ſolche zu einem ſtraf-
rechtlich zu verfolgenden Verbrechen geworden iſt. Damit iſt denn auch
die Aufgabe der Sicherheitspolizei wohl klar. Sie hat die Exiſtenz ge-
heimer Geſellſchaften, ohne Rückſicht auf ihren Zweck, zu entdecken, zu
conſtatiren und die Mitglieder den Gerichten zu überliefern. Ein weiteres,
eignes Polizeirecht gegenüber allen Arten von geheimen Geſellſchaften
gibt es nicht; das Uebrige gehört dem Strafverfahren und dem Straf-
gericht. Es verſteht ſich dabei von ſelbſt, daß wenn außer dem in der
Geheimhaltung an ſich liegenden Verbrechen auch noch der Zweck ein
verbrecheriſcher iſt (z. B. Hochverrath ꝛc.), die Strafe auch noch nach
den ſtrafrechtlichen Grundſätzen über Verſuch und Beihülfe ꝛc. geregelt
wird. Allein der Zweck hat auf das Recht der Sicherheitspolizei gar keinen
Einfluß; der allergefährlichſte Zweck gibt ihr nicht mehr Recht, als ſelbſt
der erlaubte, wenn derſelbe auch die Thätigkeit anſpornen mag. Der
geheimen Geſellſchaft gegen über iſt die Polizei mithin rein gericht-
liche Polizei, ſei es, daß ſie auf Befehl des Gerichts, oder nach
eigenem Ermeſſen vorgeht.
II. Weſentlich anders geſtaltet ſich die Sache da, wo es ſich um
den eigentlichen Verein handelt, der der Forderung der Oeffent-
lichkeit Genüge geleiſtet hat, und ſeinen Statuten gemäß funktionirt.
Hier ſind zunächſt, wie geſagt, Vereine, Erwerbsgeſellſchaften und Ge-
noſſenſchaften zu unterſcheiden. Das Princip für das Recht der Ver-
waltungspolizei iſt dabei einfach. In ſo weit nämlich dieſe Körper,
wie es bei den eigentlichen Vereinen und Genoſſenſchaften immer, bei
den Erwerbsgeſellſchaften in vielen Fällen (Banken, Bahnen u. ſ. w.)
der Fall iſt, Aufgaben der Verwaltung vollziehen, tritt für ſie das all-
gemeine Recht ein, nach welchem die vollziehende Gewalt im Namen
ihrer Verantwortlichkeit die Harmonie der einzelnen Thätigkeit mit dem
Ganzen der Verwaltung herſtellen muß. Die Ausübung dieſes Rechts
gegenüber den Selbſtverwaltungskörpern und den Vereinen haben wir
die Oberaufſicht genannt. Das Recht der Oberaufſicht beſteht darin,
von jedem Akte eines ſolchen öffentlichen Vereins Kenntniß zu nehmen,
und ſpeziell einzelne Akte im Geſammtintereſſe der Verwaltung zu ver-
bieten. Die Verwaltungsorgane werden nun dieß Recht regelmäßig durch
eigens dazu beſtimmte Beamte (Commiſſäre) ausüben. Sie können es
aber auch ausüben laſſen durch die Organe der Sicherheitspolizei. In
dieſem Falle muß eine beſtimmte Delegation vorausgeſetzt werden, und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/130>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.