Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.eigentliche Sicherheitspolizei als derjenige Theil der Polizei, deren Ohne Zweifcl nun ist dieser Begriff sehr unbestimmt, und es ist Die Natur der oben charakterisirten Gefährdungen bringt es nämlich eigentliche Sicherheitspolizei als derjenige Theil der Polizei, deren Ohne Zweifcl nun iſt dieſer Begriff ſehr unbeſtimmt, und es iſt Die Natur der oben charakteriſirten Gefährdungen bringt es nämlich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0112" n="90"/> eigentliche <hi rendition="#g">Sicherheitspolizei</hi> als derjenige Theil der Polizei, deren<lb/> Aufgabe es iſt, nicht mehr die Gemeinſchaft gegen einzelne Gefährdungen<lb/> durch ſpezielle Maßregeln und Vorſchriften zu ſchützen, ſondern die ge-<lb/> ſammte öffentliche und private Rechtsordnung, eben als Vorausſetzung<lb/> der Unverletzlichkeit jedes einzelnen Rechts, vor Erſchütterung zu be-<lb/> wahren.</p><lb/> <p>Ohne Zweifcl nun iſt dieſer Begriff ſehr unbeſtimmt, und es iſt<lb/> einleuchtend, daß ein auf einen ſo unbeſtimmten Begriff gebautes Polizei-<lb/> recht der individuellen Freiheit ſehr bedenklich werden mußte. In der<lb/> That war das letztere bis zum vorigen Jahrhundert der Fall, wo man<lb/> nicht dazu gelangte, in jenen Begriff der öffentlichen Sicherheit mehr<lb/> Beſtimmtheit zu bringen, und daher auch für die Sicherheitspolizei ſo<lb/> wenig als für die übrige Polizei zu einem eigentlichen Rechtsſyſteme<lb/> gelangte. Erſt mit dem Auftreten des großen Princips der ſtaats-<lb/> bürgerlichen Geſellſchaft mußte man, da man dieſes Zweiges der Polizei<lb/> natürlich nicht entbehren konnte, die ſpeziellen Aufgaben derſelben ſcharf<lb/> beſtimmen, um vermöge dieſer Aufgaben ein eben ſo ſcharf beſtimmtes<lb/><hi rendition="#g">Syſtem des Rechts</hi> der Sicherheitspolizei aufzuſtellen. Damit be-<lb/> ginnt ein Proceß der Rechtsbildung, der von großer Bedeutung für das<lb/> geſammte Staatsbürgerthum geworden, und für alle Theile der Sicher-<lb/> heitspolizei gleichmäßig gültig iſt.</p><lb/> <p>Die Natur der oben charakteriſirten Gefährdungen bringt es nämlich<lb/> mit ſich, daß ſich für die Thätigkeit der Polizei, für ſich betrachtet,<lb/> ſchwer oder gar keine Gränze geſetzlich aufſtellen läßt, während ein Ein-<lb/> ſchreiten derſelben dennoch unbedingt nothwendig erſcheint. Eine Rechts-<lb/> bildung, welche die öffentliche Sicherheit mit der perſönlichen Freiheit<lb/> vereinigen ſoll, konnte daher nur dadurch ſtattfinden, daß man gewiſſe<lb/> Handlungen, ſtatt ſie bloß der polizeilichen Thätigkeit zu überlaſſen,<lb/> geradezu in das <hi rendition="#g">Strafrecht</hi> aufnahm, und ſomit dieſe polizeiliche<lb/> Thätigkeit auf die gerichtliche reducirte. Allerdings haben die früheren<lb/> Strafgeſetzgebungen bereits Andeutungen für dieſe Gruppe von ſtraf-<lb/> baren Handlungen; allein erſt mit unſerm Jahrhundert ſind die Be-<lb/> ſtimmungen über dieſelben genau ausgebildet, und zwar mit der un-<lb/> verkennbaren Tendenz, die Aufgabe der Polizei und ihre ſelbſtthätige<lb/> Wirkſamkeit auf das möglichſt geringe Maß zu reduciren. An die<lb/> Stelle allgemeiner ſicherheitspolizeilicher Principien iſt daher jetzt ein<lb/> Syſtem von Verbrechen gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung<lb/> getreten, das wir allerdings der Strafrechtslehre zu überlaſſen haben.<lb/> Allein trotzdem konnte das Strafrecht nicht alle Verhältniſſe umfaſſen<lb/> und erſchöpfen, welche als Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit er-<lb/> ſcheinen. Die Polizei <hi rendition="#g">behielt</hi> daher eine ſehr weſentliche Funktion,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [90/0112]
eigentliche Sicherheitspolizei als derjenige Theil der Polizei, deren
Aufgabe es iſt, nicht mehr die Gemeinſchaft gegen einzelne Gefährdungen
durch ſpezielle Maßregeln und Vorſchriften zu ſchützen, ſondern die ge-
ſammte öffentliche und private Rechtsordnung, eben als Vorausſetzung
der Unverletzlichkeit jedes einzelnen Rechts, vor Erſchütterung zu be-
wahren.
Ohne Zweifcl nun iſt dieſer Begriff ſehr unbeſtimmt, und es iſt
einleuchtend, daß ein auf einen ſo unbeſtimmten Begriff gebautes Polizei-
recht der individuellen Freiheit ſehr bedenklich werden mußte. In der
That war das letztere bis zum vorigen Jahrhundert der Fall, wo man
nicht dazu gelangte, in jenen Begriff der öffentlichen Sicherheit mehr
Beſtimmtheit zu bringen, und daher auch für die Sicherheitspolizei ſo
wenig als für die übrige Polizei zu einem eigentlichen Rechtsſyſteme
gelangte. Erſt mit dem Auftreten des großen Princips der ſtaats-
bürgerlichen Geſellſchaft mußte man, da man dieſes Zweiges der Polizei
natürlich nicht entbehren konnte, die ſpeziellen Aufgaben derſelben ſcharf
beſtimmen, um vermöge dieſer Aufgaben ein eben ſo ſcharf beſtimmtes
Syſtem des Rechts der Sicherheitspolizei aufzuſtellen. Damit be-
ginnt ein Proceß der Rechtsbildung, der von großer Bedeutung für das
geſammte Staatsbürgerthum geworden, und für alle Theile der Sicher-
heitspolizei gleichmäßig gültig iſt.
Die Natur der oben charakteriſirten Gefährdungen bringt es nämlich
mit ſich, daß ſich für die Thätigkeit der Polizei, für ſich betrachtet,
ſchwer oder gar keine Gränze geſetzlich aufſtellen läßt, während ein Ein-
ſchreiten derſelben dennoch unbedingt nothwendig erſcheint. Eine Rechts-
bildung, welche die öffentliche Sicherheit mit der perſönlichen Freiheit
vereinigen ſoll, konnte daher nur dadurch ſtattfinden, daß man gewiſſe
Handlungen, ſtatt ſie bloß der polizeilichen Thätigkeit zu überlaſſen,
geradezu in das Strafrecht aufnahm, und ſomit dieſe polizeiliche
Thätigkeit auf die gerichtliche reducirte. Allerdings haben die früheren
Strafgeſetzgebungen bereits Andeutungen für dieſe Gruppe von ſtraf-
baren Handlungen; allein erſt mit unſerm Jahrhundert ſind die Be-
ſtimmungen über dieſelben genau ausgebildet, und zwar mit der un-
verkennbaren Tendenz, die Aufgabe der Polizei und ihre ſelbſtthätige
Wirkſamkeit auf das möglichſt geringe Maß zu reduciren. An die
Stelle allgemeiner ſicherheitspolizeilicher Principien iſt daher jetzt ein
Syſtem von Verbrechen gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung
getreten, das wir allerdings der Strafrechtslehre zu überlaſſen haben.
Allein trotzdem konnte das Strafrecht nicht alle Verhältniſſe umfaſſen
und erſchöpfen, welche als Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit er-
ſcheinen. Die Polizei behielt daher eine ſehr weſentliche Funktion,
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