Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Code penale 360 enthält die Strafpolizei des Begräbnißwesens (de Fooz,
Dr. adm. belge III. T. II. p.
138--164). Das holländische Recht
überträgt die Scheintodten- und Begräbnißpolizei den Gemeinden;
Begräbnißzeit 36 Stunden (de Bosch-Kemper a. a. O. S. 316--318).

V. Höhere und niedere Baupolizei.

Die Baupolizei hat zur Aufgabe, die öffentliche Gesundheit gegen
die in Bau und Anlage der Wohnungen liegenden Gefahren zu schützen.
Die niedere Baupolizei bezieht sich dabei auf die einzelne Wohnung;
die höhere dagegen auf die Gesammtheit aller Bedingungen der Ge-
sundheit, welche mit den Wohnungen zusammenhängen. Die niedere
ist daher wesentlich eine Polizei des Baues, die höhere eine Polizei der
Anlagen. Beide sind ihrer Natur nach zuerst rein polizeilich, die Ge-
sundheit durch einzelne Vorschriften vor einzelnen Gefahren schützend;
sie werden allmählig von umfassenderer Bedeutung, und gewinnen in
den letzten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts einen positiv fördernden,
socialen Charakter. Ihre historische Entwicklung ist namentlich mit Hin-
blick auf die Zukunft von großem Interesse.

Die Baupolizei beginnt mit der niederen Baupolizei in den Städten
zunächst als Ortsrecht. Ihr positiver Inhalt erscheint zuerst als eine
Sicherheitspolizei, und zwar theils gegen Feuersgefahr, theils gegen
Einsturz. Das sanitäre Element tritt dann auf in der Polizei der
öffentlichen Reinlichkeit theils auch in der Friedhofspolizei. Mit
dem Entstehen eigener oberster Organe für die Gesundheitsverwaltung
werden dann auch die Vorschriften für das Bauwesen allgemeiner;
dabei aber löst sich das sicherheitspolizeiliche Element selbständig als
eigentliches Bauwesen von der Gesundheitsverwaltung los, und über-
nimmt die Sorge für Feuer- und Einsturzsicherheit; dagegen erscheint
das sanitäre Element wiederum selbständig in den Bewohnungs-
Consensen
, die gleichfalls mit dem vorigen Jahrhundert entstehen,
und sich bis in unsere Zeit erhalten, obgleich sie den Charakter eines
rein socialen Rechts haben. Indessen beziehen sich noch alle diese Vor-
schriften auf die niedere Polizei der Einzelwohnungen. Zugleich aber
beginnt die Wissenschaft sich mit der Frage zu beschäftigen. Franks
Darstellung, mustergültig, ist die erste wissenschaftliche Grundlage für
die höhere Baupolizei, indem er zuerst die Anlage, die Bauart der
einzelnen Häuser in Beziehung auf die großen physiologischen Elemente
von Licht, Luft und Wasser und die öffentliche Reinlichkeit als die großen
Bedingungen der Gesundheit hinstellt. (Bd. III. 4. und Bd. IV. 1.)
Die Verwaltung wird dadurch jedoch mehr angeregt als gefördert. Das

Code pénale 360 enthält die Strafpolizei des Begräbnißweſens (de Fooz,
Dr. adm. belge III. T. II. p.
138—164). Das holländiſche Recht
überträgt die Scheintodten- und Begräbnißpolizei den Gemeinden;
Begräbnißzeit 36 Stunden (de Boſch-Kemper a. a. O. S. 316—318).

V. Höhere und niedere Baupolizei.

Die Baupolizei hat zur Aufgabe, die öffentliche Geſundheit gegen
die in Bau und Anlage der Wohnungen liegenden Gefahren zu ſchützen.
Die niedere Baupolizei bezieht ſich dabei auf die einzelne Wohnung;
die höhere dagegen auf die Geſammtheit aller Bedingungen der Ge-
ſundheit, welche mit den Wohnungen zuſammenhängen. Die niedere
iſt daher weſentlich eine Polizei des Baues, die höhere eine Polizei der
Anlagen. Beide ſind ihrer Natur nach zuerſt rein polizeilich, die Ge-
ſundheit durch einzelne Vorſchriften vor einzelnen Gefahren ſchützend;
ſie werden allmählig von umfaſſenderer Bedeutung, und gewinnen in
den letzten Jahrzehnten unſeres Jahrhunderts einen poſitiv fördernden,
ſocialen Charakter. Ihre hiſtoriſche Entwicklung iſt namentlich mit Hin-
blick auf die Zukunft von großem Intereſſe.

Die Baupolizei beginnt mit der niederen Baupolizei in den Städten
zunächſt als Ortsrecht. Ihr poſitiver Inhalt erſcheint zuerſt als eine
Sicherheitspolizei, und zwar theils gegen Feuersgefahr, theils gegen
Einſturz. Das ſanitäre Element tritt dann auf in der Polizei der
öffentlichen Reinlichkeit theils auch in der Friedhofspolizei. Mit
dem Entſtehen eigener oberſter Organe für die Geſundheitsverwaltung
werden dann auch die Vorſchriften für das Bauweſen allgemeiner;
dabei aber löst ſich das ſicherheitspolizeiliche Element ſelbſtändig als
eigentliches Bauweſen von der Geſundheitsverwaltung los, und über-
nimmt die Sorge für Feuer- und Einſturzſicherheit; dagegen erſcheint
das ſanitäre Element wiederum ſelbſtändig in den Bewohnungs-
Conſenſen
, die gleichfalls mit dem vorigen Jahrhundert entſtehen,
und ſich bis in unſere Zeit erhalten, obgleich ſie den Charakter eines
rein ſocialen Rechts haben. Indeſſen beziehen ſich noch alle dieſe Vor-
ſchriften auf die niedere Polizei der Einzelwohnungen. Zugleich aber
beginnt die Wiſſenſchaft ſich mit der Frage zu beſchäftigen. Franks
Darſtellung, muſtergültig, iſt die erſte wiſſenſchaftliche Grundlage für
die höhere Baupolizei, indem er zuerſt die Anlage, die Bauart der
einzelnen Häuſer in Beziehung auf die großen phyſiologiſchen Elemente
von Licht, Luft und Waſſer und die öffentliche Reinlichkeit als die großen
Bedingungen der Geſundheit hinſtellt. (Bd. III. 4. und Bd. IV. 1.)
Die Verwaltung wird dadurch jedoch mehr angeregt als gefördert. Das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0083" n="67"/><hi rendition="#aq">Code pénale</hi> 360 enthält die Strafpolizei des Begräbnißwe&#x017F;ens (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">de Fooz</hi>,<lb/>
Dr. adm. belge III. T. II. p.</hi> 138&#x2014;164). Das <hi rendition="#g">holländi&#x017F;che</hi> Recht<lb/>
überträgt die Scheintodten- und Begräbnißpolizei den <hi rendition="#g">Gemeinden</hi>;<lb/>
Begräbnißzeit 36 Stunden (<hi rendition="#g">de Bo&#x017F;ch-Kemper</hi> a. a. O. S. 316&#x2014;318).</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">V.</hi> Höhere und niedere Baupolizei.</hi> </head><lb/>
                <p>Die Baupolizei hat zur Aufgabe, die öffentliche Ge&#x017F;undheit gegen<lb/>
die in Bau und Anlage der Wohnungen liegenden Gefahren zu &#x017F;chützen.<lb/>
Die <hi rendition="#g">niedere</hi> Baupolizei bezieht &#x017F;ich dabei auf die <hi rendition="#g">einzelne</hi> Wohnung;<lb/>
die <hi rendition="#g">höhere</hi> dagegen auf die Ge&#x017F;ammtheit aller Bedingungen der Ge-<lb/>
&#x017F;undheit, welche mit den Wohnungen zu&#x017F;ammenhängen. Die niedere<lb/>
i&#x017F;t daher we&#x017F;entlich eine Polizei des Baues, die höhere eine Polizei der<lb/>
Anlagen. Beide &#x017F;ind ihrer Natur nach zuer&#x017F;t rein polizeilich, die Ge-<lb/>
&#x017F;undheit durch einzelne Vor&#x017F;chriften vor einzelnen Gefahren &#x017F;chützend;<lb/>
&#x017F;ie werden allmählig von umfa&#x017F;&#x017F;enderer Bedeutung, und gewinnen in<lb/>
den letzten Jahrzehnten un&#x017F;eres Jahrhunderts einen po&#x017F;itiv fördernden,<lb/>
&#x017F;ocialen Charakter. Ihre hi&#x017F;tori&#x017F;che Entwicklung i&#x017F;t namentlich mit Hin-<lb/>
blick auf die Zukunft von großem Intere&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
                <p>Die Baupolizei beginnt mit der niederen Baupolizei in den Städten<lb/>
zunäch&#x017F;t als Ortsrecht. Ihr po&#x017F;itiver Inhalt er&#x017F;cheint zuer&#x017F;t als eine<lb/><hi rendition="#g">Sicherheits</hi>polizei, und zwar theils gegen Feuersgefahr, theils gegen<lb/>
Ein&#x017F;turz. Das &#x017F;anitäre Element tritt dann auf in der Polizei der<lb/>
öffentlichen <hi rendition="#g">Reinlichkeit</hi> theils auch in der Friedhofspolizei. Mit<lb/>
dem Ent&#x017F;tehen eigener ober&#x017F;ter Organe für die Ge&#x017F;undheitsverwaltung<lb/>
werden dann auch die Vor&#x017F;chriften für das Bauwe&#x017F;en <hi rendition="#g">allgemeiner</hi>;<lb/>
dabei aber löst &#x017F;ich das &#x017F;icherheitspolizeiliche Element &#x017F;elb&#x017F;tändig als<lb/>
eigentliches <hi rendition="#g">Bauwe&#x017F;en</hi> von der Ge&#x017F;undheitsverwaltung los, und über-<lb/>
nimmt die Sorge für Feuer- und Ein&#x017F;turz&#x017F;icherheit; dagegen er&#x017F;cheint<lb/>
das &#x017F;anitäre Element wiederum &#x017F;elb&#x017F;tändig in den <hi rendition="#g">Bewohnungs-<lb/>
Con&#x017F;en&#x017F;en</hi>, die gleichfalls mit dem vorigen Jahrhundert ent&#x017F;tehen,<lb/>
und &#x017F;ich bis in un&#x017F;ere Zeit erhalten, obgleich &#x017F;ie den Charakter eines<lb/>
rein &#x017F;ocialen Rechts haben. Inde&#x017F;&#x017F;en beziehen &#x017F;ich noch alle die&#x017F;e Vor-<lb/>
&#x017F;chriften auf die niedere Polizei der Einzelwohnungen. Zugleich aber<lb/>
beginnt die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft &#x017F;ich mit der Frage zu be&#x017F;chäftigen. <hi rendition="#g">Franks</hi><lb/>
Dar&#x017F;tellung, mu&#x017F;tergültig, i&#x017F;t die <hi rendition="#g">er&#x017F;te</hi> wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche Grundlage für<lb/>
die höhere Baupolizei, indem er zuer&#x017F;t die Anlage, die Bauart der<lb/>
einzelnen Häu&#x017F;er in Beziehung auf die großen phy&#x017F;iologi&#x017F;chen Elemente<lb/>
von Licht, Luft und Wa&#x017F;&#x017F;er und die öffentliche Reinlichkeit als die großen<lb/>
Bedingungen der Ge&#x017F;undheit hin&#x017F;tellt. (Bd. <hi rendition="#aq">III.</hi> 4. und Bd. <hi rendition="#aq">IV.</hi> 1.)<lb/>
Die Verwaltung wird dadurch jedoch mehr angeregt als gefördert. Das<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0083] Code pénale 360 enthält die Strafpolizei des Begräbnißweſens (de Fooz, Dr. adm. belge III. T. II. p. 138—164). Das holländiſche Recht überträgt die Scheintodten- und Begräbnißpolizei den Gemeinden; Begräbnißzeit 36 Stunden (de Boſch-Kemper a. a. O. S. 316—318). V. Höhere und niedere Baupolizei. Die Baupolizei hat zur Aufgabe, die öffentliche Geſundheit gegen die in Bau und Anlage der Wohnungen liegenden Gefahren zu ſchützen. Die niedere Baupolizei bezieht ſich dabei auf die einzelne Wohnung; die höhere dagegen auf die Geſammtheit aller Bedingungen der Ge- ſundheit, welche mit den Wohnungen zuſammenhängen. Die niedere iſt daher weſentlich eine Polizei des Baues, die höhere eine Polizei der Anlagen. Beide ſind ihrer Natur nach zuerſt rein polizeilich, die Ge- ſundheit durch einzelne Vorſchriften vor einzelnen Gefahren ſchützend; ſie werden allmählig von umfaſſenderer Bedeutung, und gewinnen in den letzten Jahrzehnten unſeres Jahrhunderts einen poſitiv fördernden, ſocialen Charakter. Ihre hiſtoriſche Entwicklung iſt namentlich mit Hin- blick auf die Zukunft von großem Intereſſe. Die Baupolizei beginnt mit der niederen Baupolizei in den Städten zunächſt als Ortsrecht. Ihr poſitiver Inhalt erſcheint zuerſt als eine Sicherheitspolizei, und zwar theils gegen Feuersgefahr, theils gegen Einſturz. Das ſanitäre Element tritt dann auf in der Polizei der öffentlichen Reinlichkeit theils auch in der Friedhofspolizei. Mit dem Entſtehen eigener oberſter Organe für die Geſundheitsverwaltung werden dann auch die Vorſchriften für das Bauweſen allgemeiner; dabei aber löst ſich das ſicherheitspolizeiliche Element ſelbſtändig als eigentliches Bauweſen von der Geſundheitsverwaltung los, und über- nimmt die Sorge für Feuer- und Einſturzſicherheit; dagegen erſcheint das ſanitäre Element wiederum ſelbſtändig in den Bewohnungs- Conſenſen, die gleichfalls mit dem vorigen Jahrhundert entſtehen, und ſich bis in unſere Zeit erhalten, obgleich ſie den Charakter eines rein ſocialen Rechts haben. Indeſſen beziehen ſich noch alle dieſe Vor- ſchriften auf die niedere Polizei der Einzelwohnungen. Zugleich aber beginnt die Wiſſenſchaft ſich mit der Frage zu beſchäftigen. Franks Darſtellung, muſtergültig, iſt die erſte wiſſenſchaftliche Grundlage für die höhere Baupolizei, indem er zuerſt die Anlage, die Bauart der einzelnen Häuſer in Beziehung auf die großen phyſiologiſchen Elemente von Licht, Luft und Waſſer und die öffentliche Reinlichkeit als die großen Bedingungen der Geſundheit hinſtellt. (Bd. III. 4. und Bd. IV. 1.) Die Verwaltung wird dadurch jedoch mehr angeregt als gefördert. Das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/83
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/83>, abgerufen am 22.11.2024.