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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

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Die allgemeinen Vorschriften für Preußen: Horn I. S. 170; für
Württemberg: Roller S. 111; für Bayern: Pözl §. 119.

A. Das Seuchenwesen.
Begriff.

Das Seuchenwesen umfaßt die Gesammtheit der Bestimmungen
und Thätigkeiten der Gesundheitsverwaltung zum Schutze der allge-
meinen Gesundheit gegen ansteckende Krankheiten. Die innere Entwick-
lung desselben ist im Großen und Ganzen einfach und klar. Das
Seuchenwesen beginnt stets mit dem Versuche, jenen Schutz durch die
rein polizeilichen Maßregeln, namentlich durch Absperrung herbeizu-
führen. Es schließt später an die bloße Absperrung eigene, zur Be-
gränzung und Bekämpfung bestimmte einzelne positive Maßregeln und
Anstalten, und erhebt sich dann in der neuesten Zeit zu dem Stand-
punkt, nicht mehr einzelne, sondern alle Epidemien gleichfalls nicht mehr
durch einzelne, sondern durch ein auf wissenschaftlicher Grundlage basirtes,
allgemeines System von Maßregeln der Verwaltung, und namentlich
theils durch die Mittel der höheren Gesundheitspolizei, theils durch
Belehrung und Hülfe der niederen Classen zu bekämpfen. Die alte
Seuchenpolizei als Verhinderung der Verbreitung der Seuchen wird
dadurch zu einer ausnahmsweisen und meist örtlichen Maßregel, während
das höhere Seuchenwesen die Aufgabe übernimmt, die ansteckenden
Krankheiten in ihren Ursachen und Wirkungen zu beseitigen.

Das öffentliche Recht des Seuchenwesens hat daher einen zwei-
fachen Inhalt.

Man kann den ersten oder allgemeinen Theil derselben als die
Gesammtheit derjenigen Grundsätze bezeichnen, welche die Verwaltung
in die Lage setzen soll, überhaupt ihre Maßregeln zu ergreifen. Dieß
nun geschieht durch das, allen Organisationen des Gesundheitswesens
gemeinsame Princip, daß die öffentlichen Organe die Pflicht zur sofortigen
Untersuchung, Feststellung und Berichterstattung über eine ausbrechende
oder drohende Seuche haben. Daran erst schließt sich der besondere
Theil. Dieser ist naturgemäß ein verschiedener und enthält diejenigen
Maßregeln, welche durch die Natur der bestimmten Seuche gefordert
werden. Jede Art der Seuchen hat daher ihr eigenthümliches
Sanitätsrecht
und sogar ihre eigene Geschichte. Wir haben dabei
zu unterscheiden die Contagien, die Blattern und die Epidemien.
Unter diese drei Begriffe fallen wohl alle das Seuchenwesen betreffen-
den Bestimmungen und Funktionen des Sanitätswesens.


Die allgemeinen Vorſchriften für Preußen: Horn I. S. 170; für
Württemberg: Roller S. 111; für Bayern: Pözl §. 119.

A. Das Seuchenweſen.
Begriff.

Das Seuchenweſen umfaßt die Geſammtheit der Beſtimmungen
und Thätigkeiten der Geſundheitsverwaltung zum Schutze der allge-
meinen Geſundheit gegen anſteckende Krankheiten. Die innere Entwick-
lung deſſelben iſt im Großen und Ganzen einfach und klar. Das
Seuchenweſen beginnt ſtets mit dem Verſuche, jenen Schutz durch die
rein polizeilichen Maßregeln, namentlich durch Abſperrung herbeizu-
führen. Es ſchließt ſpäter an die bloße Abſperrung eigene, zur Be-
gränzung und Bekämpfung beſtimmte einzelne poſitive Maßregeln und
Anſtalten, und erhebt ſich dann in der neueſten Zeit zu dem Stand-
punkt, nicht mehr einzelne, ſondern alle Epidemien gleichfalls nicht mehr
durch einzelne, ſondern durch ein auf wiſſenſchaftlicher Grundlage baſirtes,
allgemeines Syſtem von Maßregeln der Verwaltung, und namentlich
theils durch die Mittel der höheren Geſundheitspolizei, theils durch
Belehrung und Hülfe der niederen Claſſen zu bekämpfen. Die alte
Seuchenpolizei als Verhinderung der Verbreitung der Seuchen wird
dadurch zu einer ausnahmsweiſen und meiſt örtlichen Maßregel, während
das höhere Seuchenweſen die Aufgabe übernimmt, die anſteckenden
Krankheiten in ihren Urſachen und Wirkungen zu beſeitigen.

Das öffentliche Recht des Seuchenweſens hat daher einen zwei-
fachen Inhalt.

Man kann den erſten oder allgemeinen Theil derſelben als die
Geſammtheit derjenigen Grundſätze bezeichnen, welche die Verwaltung
in die Lage ſetzen ſoll, überhaupt ihre Maßregeln zu ergreifen. Dieß
nun geſchieht durch das, allen Organiſationen des Geſundheitsweſens
gemeinſame Princip, daß die öffentlichen Organe die Pflicht zur ſofortigen
Unterſuchung, Feſtſtellung und Berichterſtattung über eine ausbrechende
oder drohende Seuche haben. Daran erſt ſchließt ſich der beſondere
Theil. Dieſer iſt naturgemäß ein verſchiedener und enthält diejenigen
Maßregeln, welche durch die Natur der beſtimmten Seuche gefordert
werden. Jede Art der Seuchen hat daher ihr eigenthümliches
Sanitätsrecht
und ſogar ihre eigene Geſchichte. Wir haben dabei
zu unterſcheiden die Contagien, die Blattern und die Epidemien.
Unter dieſe drei Begriffe fallen wohl alle das Seuchenweſen betreffen-
den Beſtimmungen und Funktionen des Sanitätsweſens.


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[42/0058] Die allgemeinen Vorſchriften für Preußen: Horn I. S. 170; für Württemberg: Roller S. 111; für Bayern: Pözl §. 119. A. Das Seuchenweſen. Begriff. Das Seuchenweſen umfaßt die Geſammtheit der Beſtimmungen und Thätigkeiten der Geſundheitsverwaltung zum Schutze der allge- meinen Geſundheit gegen anſteckende Krankheiten. Die innere Entwick- lung deſſelben iſt im Großen und Ganzen einfach und klar. Das Seuchenweſen beginnt ſtets mit dem Verſuche, jenen Schutz durch die rein polizeilichen Maßregeln, namentlich durch Abſperrung herbeizu- führen. Es ſchließt ſpäter an die bloße Abſperrung eigene, zur Be- gränzung und Bekämpfung beſtimmte einzelne poſitive Maßregeln und Anſtalten, und erhebt ſich dann in der neueſten Zeit zu dem Stand- punkt, nicht mehr einzelne, ſondern alle Epidemien gleichfalls nicht mehr durch einzelne, ſondern durch ein auf wiſſenſchaftlicher Grundlage baſirtes, allgemeines Syſtem von Maßregeln der Verwaltung, und namentlich theils durch die Mittel der höheren Geſundheitspolizei, theils durch Belehrung und Hülfe der niederen Claſſen zu bekämpfen. Die alte Seuchenpolizei als Verhinderung der Verbreitung der Seuchen wird dadurch zu einer ausnahmsweiſen und meiſt örtlichen Maßregel, während das höhere Seuchenweſen die Aufgabe übernimmt, die anſteckenden Krankheiten in ihren Urſachen und Wirkungen zu beſeitigen. Das öffentliche Recht des Seuchenweſens hat daher einen zwei- fachen Inhalt. Man kann den erſten oder allgemeinen Theil derſelben als die Geſammtheit derjenigen Grundſätze bezeichnen, welche die Verwaltung in die Lage ſetzen ſoll, überhaupt ihre Maßregeln zu ergreifen. Dieß nun geſchieht durch das, allen Organiſationen des Geſundheitsweſens gemeinſame Princip, daß die öffentlichen Organe die Pflicht zur ſofortigen Unterſuchung, Feſtſtellung und Berichterſtattung über eine ausbrechende oder drohende Seuche haben. Daran erſt ſchließt ſich der beſondere Theil. Dieſer iſt naturgemäß ein verſchiedener und enthält diejenigen Maßregeln, welche durch die Natur der beſtimmten Seuche gefordert werden. Jede Art der Seuchen hat daher ihr eigenthümliches Sanitätsrecht und ſogar ihre eigene Geſchichte. Wir haben dabei zu unterſcheiden die Contagien, die Blattern und die Epidemien. Unter dieſe drei Begriffe fallen wohl alle das Seuchenweſen betreffen- den Beſtimmungen und Funktionen des Sanitätsweſens.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/58>, abgerufen am 25.11.2024.