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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

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zustände beobachtender, und die nothwendigen Maßregeln beschließender,
mithin über den ganzen Staat ausgebreiteter amtlicher Organismus
gebildet werde, der den Organen der vollziehenden Gewalt begutachtend
und berathend zur Seite stehe, während der letzteren die, auf Grund-
lage der fachmännischen Ansichten geordnete Ausführung durch verord-
nungsmäßiges Verwaltungsrecht überlassen bleibt. Das öffentliche Recht
des berufsmäßigen Heilpersonals ist dabei eine Ordnung für sich. Das
Princip der Competenz beider Organismen in ihrem Verhältniß zu
einander muß sein, daß der administrative Organismus keine rein gesund-
heitliche Ordnung ohne Gutachten des berufsmäßigen treffe. Das Princip
der äußeren Organisation muß sein, daß dieselben zuerst durch die
Bildung von (Sanitätsverwaltungs)-Gemeinden den ganzen Staat um-
fassen, dann einen Instanzenzug (Ort, Land, Reich) bilden, und zu
dem Ende den Organen der Verwaltung (unter Behörde, Landesbehörde,
Ministerium des Innern) beigegeben werden. Das Verhältniß zur
Selbstverwaltung (Gemeinde) fordert, daß außerdem jede Verwal-
tungsgemeinde eine eigene Abtheilung (Section) für Gesundheitswesen
bilde, welche ihrerseits entweder berufsmäßige Mitglieder (Aerzte und
Apotheker) habe (kleine Gemeinden) oder berufsmäßige Räthe für
ihre Aufgaben bestelle. Die organische Thätigkeit dieser Verbindung
beider Elemente besteht naturgemäß darin, einerseits der höchsten Ver-
waltung durch Berichte und Vorschläge mit dem berufsmäßig dargestellten
Bilde des Gesundheitszustandes die Bedingungen für ihre allgemeine
Thätigkeit zu geben, andererseits über die örtliche Ausführung derselben
zu wachen, und endlich im Falle der Noth selbständige örtliche Maß-
regeln zu verordnen. Klagrecht und Beschwerderecht bleiben offen wie
in der ganzen Verwaltung. Die fachmännische Bildung, welche auf
diese Weise den ganzen Organismus durchdringt, macht es damit unab-
weisbar, daß auch die höheren und höchsten Verwaltungsorgane des
Gesundheitswesens dem berufsmäßig gebildeten Heilpersonal angehören,
die selbst aus den Aerzten genommen werden. Damit ist freilich die sehr
geringe sanitärische Kenntniß der Vollzugsbeamteten der inneren Verwal-
tung noch nicht motivirt. -- Denselben Organismus für die Gesundheits-
verwaltung hat nun auch die gerichtliche Medicin zu vertreten.
Die gerichtliche Medicin hat von demselben mehr zu fordern, als die
Herstellung des juristischen Beweises für Thatsachen, welche für das
richterliche Urtheil entscheidend sind, und hat daher grundsätzlich mit
dem Gesundheitswesen gar nichts zu thun. Die ganze Verwechslung
der gerichtlichen Medicin und des Gesundheitswesens ist unmöglich, sowie
man erstlich festhält, daß sie nur damals möglich war, wo die guts-
herrlichen Gerichte zugleich Verwaltungsorgane waren, und zweitens,

zuſtände beobachtender, und die nothwendigen Maßregeln beſchließender,
mithin über den ganzen Staat ausgebreiteter amtlicher Organismus
gebildet werde, der den Organen der vollziehenden Gewalt begutachtend
und berathend zur Seite ſtehe, während der letzteren die, auf Grund-
lage der fachmänniſchen Anſichten geordnete Ausführung durch verord-
nungsmäßiges Verwaltungsrecht überlaſſen bleibt. Das öffentliche Recht
des berufsmäßigen Heilperſonals iſt dabei eine Ordnung für ſich. Das
Princip der Competenz beider Organismen in ihrem Verhältniß zu
einander muß ſein, daß der adminiſtrative Organismus keine rein geſund-
heitliche Ordnung ohne Gutachten des berufsmäßigen treffe. Das Princip
der äußeren Organiſation muß ſein, daß dieſelben zuerſt durch die
Bildung von (Sanitätsverwaltungs)-Gemeinden den ganzen Staat um-
faſſen, dann einen Inſtanzenzug (Ort, Land, Reich) bilden, und zu
dem Ende den Organen der Verwaltung (unter Behörde, Landesbehörde,
Miniſterium des Innern) beigegeben werden. Das Verhältniß zur
Selbſtverwaltung (Gemeinde) fordert, daß außerdem jede Verwal-
tungsgemeinde eine eigene Abtheilung (Section) für Geſundheitsweſen
bilde, welche ihrerſeits entweder berufsmäßige Mitglieder (Aerzte und
Apotheker) habe (kleine Gemeinden) oder berufsmäßige Räthe für
ihre Aufgaben beſtelle. Die organiſche Thätigkeit dieſer Verbindung
beider Elemente beſteht naturgemäß darin, einerſeits der höchſten Ver-
waltung durch Berichte und Vorſchläge mit dem berufsmäßig dargeſtellten
Bilde des Geſundheitszuſtandes die Bedingungen für ihre allgemeine
Thätigkeit zu geben, andererſeits über die örtliche Ausführung derſelben
zu wachen, und endlich im Falle der Noth ſelbſtändige örtliche Maß-
regeln zu verordnen. Klagrecht und Beſchwerderecht bleiben offen wie
in der ganzen Verwaltung. Die fachmänniſche Bildung, welche auf
dieſe Weiſe den ganzen Organismus durchdringt, macht es damit unab-
weisbar, daß auch die höheren und höchſten Verwaltungsorgane des
Geſundheitsweſens dem berufsmäßig gebildeten Heilperſonal angehören,
die ſelbſt aus den Aerzten genommen werden. Damit iſt freilich die ſehr
geringe ſanitäriſche Kenntniß der Vollzugsbeamteten der inneren Verwal-
tung noch nicht motivirt. — Denſelben Organismus für die Geſundheits-
verwaltung hat nun auch die gerichtliche Medicin zu vertreten.
Die gerichtliche Medicin hat von demſelben mehr zu fordern, als die
Herſtellung des juriſtiſchen Beweiſes für Thatſachen, welche für das
richterliche Urtheil entſcheidend ſind, und hat daher grundſätzlich mit
dem Geſundheitsweſen gar nichts zu thun. Die ganze Verwechslung
der gerichtlichen Medicin und des Geſundheitsweſens iſt unmöglich, ſowie
man erſtlich feſthält, daß ſie nur damals möglich war, wo die guts-
herrlichen Gerichte zugleich Verwaltungsorgane waren, und zweitens,

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[25/0041] zuſtände beobachtender, und die nothwendigen Maßregeln beſchließender, mithin über den ganzen Staat ausgebreiteter amtlicher Organismus gebildet werde, der den Organen der vollziehenden Gewalt begutachtend und berathend zur Seite ſtehe, während der letzteren die, auf Grund- lage der fachmänniſchen Anſichten geordnete Ausführung durch verord- nungsmäßiges Verwaltungsrecht überlaſſen bleibt. Das öffentliche Recht des berufsmäßigen Heilperſonals iſt dabei eine Ordnung für ſich. Das Princip der Competenz beider Organismen in ihrem Verhältniß zu einander muß ſein, daß der adminiſtrative Organismus keine rein geſund- heitliche Ordnung ohne Gutachten des berufsmäßigen treffe. Das Princip der äußeren Organiſation muß ſein, daß dieſelben zuerſt durch die Bildung von (Sanitätsverwaltungs)-Gemeinden den ganzen Staat um- faſſen, dann einen Inſtanzenzug (Ort, Land, Reich) bilden, und zu dem Ende den Organen der Verwaltung (unter Behörde, Landesbehörde, Miniſterium des Innern) beigegeben werden. Das Verhältniß zur Selbſtverwaltung (Gemeinde) fordert, daß außerdem jede Verwal- tungsgemeinde eine eigene Abtheilung (Section) für Geſundheitsweſen bilde, welche ihrerſeits entweder berufsmäßige Mitglieder (Aerzte und Apotheker) habe (kleine Gemeinden) oder berufsmäßige Räthe für ihre Aufgaben beſtelle. Die organiſche Thätigkeit dieſer Verbindung beider Elemente beſteht naturgemäß darin, einerſeits der höchſten Ver- waltung durch Berichte und Vorſchläge mit dem berufsmäßig dargeſtellten Bilde des Geſundheitszuſtandes die Bedingungen für ihre allgemeine Thätigkeit zu geben, andererſeits über die örtliche Ausführung derſelben zu wachen, und endlich im Falle der Noth ſelbſtändige örtliche Maß- regeln zu verordnen. Klagrecht und Beſchwerderecht bleiben offen wie in der ganzen Verwaltung. Die fachmänniſche Bildung, welche auf dieſe Weiſe den ganzen Organismus durchdringt, macht es damit unab- weisbar, daß auch die höheren und höchſten Verwaltungsorgane des Geſundheitsweſens dem berufsmäßig gebildeten Heilperſonal angehören, die ſelbſt aus den Aerzten genommen werden. Damit iſt freilich die ſehr geringe ſanitäriſche Kenntniß der Vollzugsbeamteten der inneren Verwal- tung noch nicht motivirt. — Denſelben Organismus für die Geſundheits- verwaltung hat nun auch die gerichtliche Medicin zu vertreten. Die gerichtliche Medicin hat von demſelben mehr zu fordern, als die Herſtellung des juriſtiſchen Beweiſes für Thatſachen, welche für das richterliche Urtheil entſcheidend ſind, und hat daher grundſätzlich mit dem Geſundheitsweſen gar nichts zu thun. Die ganze Verwechslung der gerichtlichen Medicin und des Geſundheitsweſens iſt unmöglich, ſowie man erſtlich feſthält, daß ſie nur damals möglich war, wo die guts- herrlichen Gerichte zugleich Verwaltungsorgane waren, und zweitens,

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/41>, abgerufen am 27.04.2024.